Jimi Blue

Als uns die Idee kam, ein Interview mit Jimi Blue Ochsenknecht zu führen, war uns durchaus bewusst, dass das nicht unbedingt auf Gegenliebe von Seiten der Leser stoßen würde. Weil wir uns aber als rap.de mit allem beschäftigen wollen und müssen, was im Bereich des Sprechgesangs existiert, und sei es noch so am Rande der Szene, haben wir beschlossen, das durchzuziehen. Dementsprechend lest ihr hier das womöglich erste Interview von dem jüngeren der Ochsenknecht-Brüder mit einem Hip Hop-Magazin und dabei kam durchaus Interessantes ans Licht. Hier also das lebhafte Gespräch über Beatbasteln in Münchner Kellern, Narben in Raptiles Gesicht und Waldorfschulen, wobei sich nicht nur der Künstler und das interviewende Medium, sondern auch die beiden Redakteure nicht immer so ganz einig waren. Erst lesen – dann haten!

rap.de: Als wir wegen des Interviews angefragt haben, wurden wir gefragt, ob wir das ernst meinen. Fühlst du dich nicht ernst genommen in deiner Position als Rapmusiker?

Jimi Blue: Teilweise schon, meine Fans nehmen mich auf jeden Fall ernst. Natürlich gibt es Leute, die es scheiße finden was ich mache. Man muss eben auf Nummer sicher gehen.

rap.de: Inwiefern auf Nummer sicher gehen?

Jimi Blue: Man kann heutzutage nie wissen, wie das Interview wird. Wenn zum Beispiel die BILD wegen eines Interviews anfragt, dann will man vorher schon wissen, was es für ein Interview werden soll, worum es gehen soll, ob es auch ernst gemeint ist. Man macht das halt so. Also ich will euch jetzt nicht mit der BILD-Zeitung vergleichen…

rap.de: Dankeschön! Liest du denn rap.de?

Jimi Blue: Ich habe mir das Interview mit Tai Jason durchgelesen.

rap.de: Fandst du es gut?

Jimi Blue: Ich fand es gut, ja. Auf jeden Fall.

rap.de: Tai Jason ist auch ein sehr amüsanter Mensch.

Jimi Blue: Das stimmt.

rap.de: Siehst du dich denn als Teil der HipHop-Szene, oder wärst du gerne ein Teil davon?

Jimi Blue: Wär schon cool. Ich steh ja sehr auf HipHop, zum Beispiel Lil Wayne und Pharrell. Wenn es hier in Deutschland HipHop-Leute geben würde, die das cool finden was ich mache, dann würde ich mich sehr freuen.

rap.de: Also verfolgst du auch alles, was so passiert?

Jimi Blue: Schon, ja. (lacht verschmitzt)

rap.de: Gibt es denn HipHop-Leute, die sagen, dass sie es cool finden, was du machst?

Jimi Blue: Wenn ich ehrlich bin, weniger. Es gibt ein paar die sagen: "Ja finde ich cool, was du machst, gefällt mir. Sag ich ganz ehrlich.“ Aber es gibt halt auch welche, die herkommen und sagen "Ey ich finds total scheiße, hör mal auf mit der Scheißmusik.“ Aber ich mach trotzdem mein Ding und versuch trotzdem anerkannt zu werden mit der Musik die ich mache und ich versuche jetzt noch mehr in die HipHop-Richtung zu gehen.

rap.de: Das heißt, die Leute kommen auf Konzerten auf dich zu und sagen "Totaler Dreck!“ oder wie läuft das?

Jimi Blue: Kommt drauf an. Ich hatte zum Beispiel am Sonntag einen Auftritt in Düsseldorf, da waren auch ein paar HipHop-Leute. Da waren auch ein, zwei Leute, die es cool fanden und vielleicht drei Leute die gesagt haben, dass sie es scheiße finden. Ehrliche Meinung ist schon okay und die haben mich jetzt auch nicht angegriffen. Aber ich finde es halt schade, denn wenn sie es nicht cool finden, dann sollen sie es für sich behalten.

rap.de: Warum sollen die das für sich behalten? Ein guter Austausch ist ja nichts Schlechtes.

Jimi Blue: Wenn man es nicht gut findet, muss man es ja nicht so auf die direkte Weise sagen. Man kann ja auch sagen: "Wir finden deine Mucke nicht so cool, aber du kannst ja trotzdem deinen Weg gehen.

rap.de: Was sind denn da die Kritikpunkte, die bei dir angesprochen werden? Oder sagen die einfach, dass sie es pauschal scheiße finden?

Jimi Blue: Die sagen zum Beispiel, dass meine englische Aussprache nicht so gut ist. Okay, ich kann nicht fließend englisch, aber wir haben auch versucht, das beim zweiten Album zu verbessern. Und ich finde, dass wir das auch ganz gut hinbekommen haben, dass das Deutsche nicht ganz so durch kommt wie beim ersten Album. Dann sagen sie halt, ich soll den Flow schneller machen, oder er hört sich zu einfach an, solche Sachen eben.

rap.de: Worauf legst du denn wert, wenn du Rap hörst? Doppelreime, den Flow oder einfach das Gesamtbild?

Jimi Blue: Ich würde sagen, das Gesamtbild ist wichtig. Der Sound muss natürlich geil sein. Was ich total wichtig finde, ist viel Bass. Die Texte müssen gut sein und der Flow sollte nicht zu einfach sein, sonst könnte es ja jeder sofort nachmachen.

rap.de: Welche Künstler gefallen dir konkret?

Pharrell. Twista hat finde ich einen krassen Flow auf jeden Fall. Bei Kanye West finde ich schade, dass sie jetzt so viel mit dem Synthesizersound gemacht haben.

rap.de (Staiger): Bitte jetzt nichts gegen Kanye West sagen…

Jimi Blue: Ich hab nichts gegen Kanye West.

rap.de (Lisa): Du kannst ruhig etwas gegen Kanye West sagen, wenn du das so empfindest. Lass dich von dem Mann nicht einschüchtern. (Gelächter)

Jimi Blue: Ich sage ja nicht, dass ich es schlecht finde. Ich finde es nur schade, dass er so viel mit Synthesizern gemacht hat. Mein Lieblingslied ist das "Amazing“ mit Young Jeezy, weil da ein Teil kommt, wo er nicht so viel mit Synthesizer macht.

rap.de: Du meinst den Autotune-Effekt.

Jimi Blue: Genau. Also ich finde diese Sounds die er jetzt benutzt hat und was er mit seiner Stimme gemacht hat eben nicht so gut, wie die Sachen, die er früher gemacht hat.

rap.de: Also, Pharrell, Kanye, Twista… Was noch?

Jimi Blue: Was mit sehr taugt, ist das neue Album von Lil Wayne, weil die Songs sehr verschieden sind. Normalerweise ist es ja so, dass sich die Beats untereinander schon sehr stark ähneln oder dass ein Song ähnlich angelegt ist, wie der davor. Dieses Album ist sehr vielfältig, jeder Song klingt anders. Es sind auch geile Features dabei, zum Beispiel T-Pain auf "Get Money“, das finde ich richtig krass.

rap.de: Du hörst also hauptsächlich amerikanischen Rap.

Jimi Blue: Ja. T.I. zum Beispiel ist auch noch geil. Auf dem neuen Album gefallen mit zwar nur vier Songs, aber es ist auf jeden Fall besser als das, was davor war.

rap.de: Also besser als "King“ oder "T.I. vs. Tip“. Kennst du noch das vor "King“, das "Urban Legend“?

Jimi Blue: Das kenne ich nicht.

rap.de: Das ist wirklich hammer. Meiner Meinung nach sein bestes Album.

Jimi Blue: Muss ich mir mal anhören.

rap.de: Hörst du auch deutschen Rap?

Jimi Blue: Nicht wirklich, nee. Also wer mir sehr gefällt, ist Sido. Das neue Album finde ich cool, aber sonst höre ich keinen deutschen Hip Hop.

rap.de: Wie bist du denn zu Hip Hop gekommen?

Jimi Blue: Also meine ganzen Kumpels hören auch Hip Hop. Vor zwei Jahren habe ich noch Metallica gehört, ich kam also langsam in diese Schiene. Ich habe zuerst Metallica gehört, dann Linkin Park, die hatten ja dieses Album mit Jay-Z, wo sie das so ein bisschen gemixt hatten. Da bin ich langsam auf die Rapschiene gekommen, von den Sounds her. Mir hat das einfach gefallen, wie Jay-Z das mit Rock verbunden hat. Da dachte ich mir: "Hey cool, das will ich auch machen.“ Dann habe ich langsam angefangen. Ich hatte zu Hause ein Programm, das hieß GarageBand, damit habe ich angefangen Beats zu machen. Das hat nicht funktioniert, weil das Programm auch nicht das Beste ist, leider. Ich habe dann mit meinen Freunden was aufgenommen und wir haben versucht, so ein kleines Mixtape zu machen. Ich hab mich aber nicht getraut, das an eine Plattenfirma weiterzugeben, weil ich Angst hatte, dass es denen nicht gefällt. Ich habe dann halt auch in vielen Interviews erwähnt, dass ich gerne Musik, speziell Hip Hop, machen würde und so kam halt die Plattenfirma auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich das machen würde.

rap.de: Jetzt ist es ja bei Jugendlichen in deinem Alter so, dass die ein Demo machen in ihrem Keller. Viele sind dann auch so verrückt und schicken das an eine Plattenfirma.

Jimi Blue: Ich hab mich das nicht getraut.

rap.de: Das ehrt dich.

Jimi Blue: Das find ich auf jeden Fall cool. (Gelächter)

rap.de: Es gibt ja viele, die schicken das einfach los, egal, was sie aufgenommen haben. Aber es ist doch schon ein besonderes Privileg, dass du etwas in der Öffentlichkeit machen kannst, was andere halt nur im Keller machen können, oder? Wie fühlst du dich dabei?

Jimi Blue: Also als die Anfrage kam, hab ich mich riesig gefreut und fand es krass und dann dachte ich "Ey, Cool, jetzt mach ich auch mal Musik.“ Dann war ich mit den Leuten im Studio und wir haben erst mal viel ausprobiert.

rap.de: Mit wem warst du im Studio?

Jimi Blue: Mit den Leuten von Universal. Wir haben dann ausprobiert, wie weit ich mit der Stimme gehen kann, was ich von den Texten und vom Flow her machen kann, welcher Sound mir gefällt und so weiter. Und dann ist das erste Album entstanden.

rap.de: Du warst mit Menschen von Universal im Studio? Die sind doch normalerweise immer im Büro oder?

Jimi Blue: Nee, also der Andy Kappel, der ist A&R. Der muss auch gucken, wo meine Grenzen sind und wie weit ich gehen kann und klar kommt der dann mit ins Studio.

rap.de: Inwieweit durftest du da eigene Ideen mit einbringen?

Jimi Blue: Also beim ersten Album habe ich ein bisschen weniger mit eingebracht, weil ich nebenher auch zwei Filme gedreht hab, da hatte ich keine Zeit. Da habe ich mir natürlich die Texte vorher angeschaut, die haben sie mir vorher zugeschickt. Sie haben mich gefragt, was ich für Ideen habe, wie und über welche Themen ich rappen möchte, ob ich alles verstehe und wie ich die Beats am liebsten haben möchte. Ich konnte mich aber jetzt beim zweiten Album mehr einbringen, weil ich mehr Zeit hatte. Wir hatten auch ein Songwriter-Meeting, das ging zwei Tage lang. Ich habe mich mit allen getroffen, die die Texte schreiben sollten, mich mit denen daran gesetzt und die Texte gemacht.

rap.de: In der HipHop-Szene ist es ja immer ganz wichtig, dass man die Texte auch selber schreibt. Bushido wird schlecht gefunden, weil er seine Texte anscheinend nicht selber schreibt. Bei dir ist das ja ganz offensichtlich, du hast richtige Teams, die für dich schreiben. Siehst du das als Problem?

Jimi Blue: Ich sehe das nicht als Problem. Es gibt ja auch viele Künstler in Amerika, die ihre Songs nicht selber schreiben. Von daher finde ich das nicht schlimm.

rap.de: Du hast ja jetzt die 100.000er Marke mit deinem Album geknackt und bekommst jetzt die goldene Schallplatte. Herzlichen Glückwunsch noch mal dazu an dieser Stelle. Überrascht dich der Erfolg?

Jimi Blue: Ich hätte nicht gedacht, dass es gleich so ein krasser Erfolg wird, weil wir beim ersten Album noch viel ausprobiert haben. Wir haben erst mal geschaut, was die Fans hören, worauf sie stehen. Dass das dann gleich so reinkracht, hätte ich nicht gedacht. Ich habe mich echt krass gefreut, als ich das gehört hab. Cooles Gefühl.

rap.de: Wer sind deine Fans?

Jimi Blue: Hauptsächlich Mädels im Alter von 9 bis… (zögert) Also ich habe auch schon einen Fanbrief von einer 25-Jährigen bekommen. Die findet mich heiß. (Gelächter) Ja, da musste ich selber lachen, als ich das gehört hab. (lauteres Gelächter)

rap.de: Geht man auf solche Offerten ein?

Jimi Blue: Die war mir dann schon ein bisschen zu alt.

rap.de: Aber das hätte ja auch was. Mal was mit Erfahrung und so.

Jimi Blue: Die kann man ja auch woanders sammeln. Nicht gleich mit so einer 25-Jährigen.

rap.de: Die könnte dir einiges zeigen.

Jimi Blue: Ja… Schön. (Gelächter) Na ja, vielleicht schreibe ich mal zurück.

rap.de: Liest du eigentlich deine ganze Fanpost, oder machen das andere Leute für dich und du bekommst nur die interessantesten Sachen?

Jimi Blue: Ich bekomm alles zugeschickt und versuch natürlich, so viel wie möglich selber zu machen, aber das klappt halt leider nicht, weil es zu viel ist. Ich muss ja auch drehen und Musik machen und da habe ich dann keine Zeit dafür.

rap.de: Was ist dein Haupt-Lebensinhalt? Filme drehen oder Musik machen?

Jimi Blue: Beides. Als ich den Film gedreht hab, ist auch das Album rausgekommen. Von daher ist es genau gleich.

rap.de: Dieses Mixtape, was du in deinem Keller aufgenommen hast. War das auf Deutsch oder auf Englisch?

Jimi Blue: Teilweise deutsch, teilweise englisch. Ich glaube es waren zwei deutsche Lieder und die restlichen vier oder fünf waren englisch. Also, es war nicht nur von mir, es waren ja auch Kumpels mit drauf.

rap.de: Könntest du dir vorstellen, dass das in vier Jahren mal auftaucht und es dann alle total geil finden, wie es im HipHop immer so ist. Es wird ja immer das cooler gefunden, was irgendwie alt ist und in schlechter Qualität aufgenommen wurde.

Jimi Blue: Also ich würde es versuchen, zu verbessern. Aber vielleicht ja, wieso nicht?

rap.de: Aber es ist jetzt erst mal sicher verwahrt?

Jimi Blue: Ja, bei mir im Zimmer. Im Keller übrigens, da mach ich auch Musik.

rap.de: Wohnst du bei deinen Eltern in München?

Jimi Blue: Ja, aber ich mag nach Berlin ziehen, nach Kreuzberg.

rap.de: Gehst du noch zur Schule?

Jimi Blue: Nee, ich hab letztes Jahr meinen Abschluss gemacht. Das war ein qualifizierter Hauptschulabschluss und das hat mir dann auch gereicht. Also, ich wollte nicht mehr weitermachen.

rap.de: Und du hast jetzt auch keine Motivation mehr weiter zur Schule zu gehen?

Jimi Blue: Wenn ich ehrlich bin, nein. Ich mag Schule nicht. Ich war immer der Schlimmste in der Klasse. Aber ich hab einen Durchschnitt von 2,3 gehabt.

rap.de (Staiger): Du warst übrigens auf derselben Waldorfschule wie Lisa.

Jimi Blue: Echt? Krass, was für ein Zufall.

rap.de (Lisa): Verrückt! (Gelächter) Hast du dort auch deinen Schulabschluss gemacht?

Jimi Blue: Nee, zum Glück nicht. Also Waldorfschule ist nicht mein Geschmack gewesen.

rap.de (Staiger): Kannst du deinen Namen tanzen?

Jimi Blue: Konnte ich, ja.

rap.de (Staiger): Mach mal!

Jimi Blue: Ich kann es nicht mehr. (Gelächter)

Staiger (zu Lisa): Kannst du deinen Namen tanzen? Mal mal! Iiiih, Aaaah (macht seltsame Verrenkungen)

Jimi Blue: Ne, das ist ein J.

rap.de (Lisa): Wir waren immer Wasser, Bäume und Jahreszeiten.

Jimi Blue (fragt Staiger): Woher kennst denn du das?

rap.de (Staiger): Meine Cousine ist Waldorf-Lehrerin.

Jimi Blue: Ja, so was musste man machen.

rap.de: Wäre das nicht mal eine Videoidee? (Nun lacht auch die junge Dame von Universal mit)

Jimi Blue: Vielleicht, wenn das Mixtape dann draußen ist.

rap.de: Ich finde, wir sollten das dann als rap.de-Exclusive machen.

Jimi Blue: Ich war da auch nur zwei Jahre, bin dann runter gegangen und war noch ein Jahr auf einer anderen Schule.

rap.de: Wir würden gerne deine Epochenbücher online stellen – Spaß. Gibt es so etwas noch, Epochenbücher?

Jimi Blue: Ich glaube, das ist alles vollgekritzelt und vollgemalt.

rap.de (Lisa): Was soll denn das sein?

rap.de (Staiger): Na ich dachte, es gibt keine Klassen und Jahrgänge, sondern Epochen oder so.

Jimi Blue: Also ich war nur in der siebten und achten Klasse da.

rap.de: Ich nur erste bis dritte Klasse, vielleicht weiß ich das auch einfach nicht mehr.

rap.de (Staiger): Vielleicht bin ich auch einfach nur schon wahnsinnig alt.

Jimi Blue: Oder du verwechselst das mit der Montessori-Schule, wo die ganzen Ecken rund sind, damit man sich nicht an den Kanten stößt.

rap.de (Lisa): Wobei dieser Neubau unserer gemeinsamen Waldorfschule auch so abgerundet ist, und alles ist bunt. Egal. Um aufs Tanzen zurückzukommen, zum HipHop gehört ja nicht nur Rappen, sondern auch Breakdance und Graffiti. Hast du dich für diese Richtungen auch interessiert?

Jimi Blue: Breakdancen ist jetzt nicht so mein Fall. Also ich finde es krass, wenn jemand einen Headspin macht, aber für mich selber gefällt mir das nicht so. Aber Graffiti hab ich selber mal gemacht, an einem alten Schloss in Grünwald und dann kam die Polizei. Da wurde ich erwischt.

rap.de: Also bist du doch viel realer, als die Leute denken.

Jimi Blue: Ja also, ich bin jetzt nicht im Ghetto aufgewachsen, aber ich habe früher schon viel Scheiße gemacht.

rap.de: Sind deine Eltern denn streng?

Jimi Blue: Was Schule anging, schon. Aber sonst hab ich schon viele Freiheit. Klar hab ich Ärger bekommen, wenn ich was angesprüht hatte. Aber ich hab den ja auch nicht immer alles verraten, wenn ich was verbrochen hatte.

rap.de: Ist deine Mutter strenger als dein Vater?

Jimi Blue: Nee, eher andersrum. Der Vater ist der Strengere gewesen. Aber wenn ich etwas wollte, mussten meine Eltern immer einer Meinung sein, damit ich es durchsetzen konnte.

rap.de: Und wenn sie nicht derselben Meinung waren?

Jimi Blue: Dann ging es halt nicht. Sie mussten sich einig sein, einer konnte aber immer in Einspruch gehen.

rap.de: Dein Vater hat gesagt, dass er euch so ausgefallene Namen gegeben hat, damit ihr euch später mal keine Künstlernamen einfallen lassen müsst. Bist du ihm dankbar?

Jimi Blue: Früher habe ich immer überlegt, wie ich mich nennen soll, wenn ich mal bekannt werde. Jimi hat mich immer an Jim Knopf erinnert, das fand ich nicht so cool. Aber letztendlich finde ich schon, dass es ein cooler Name ist.

rap.de: Bist du ein Augsburger Puppenkiste-Fan?

Jimi Blue: War ich mal, ja.

rap.de: Kanye West auch, super.

Jimi Blue: Pharrell finde ich besser. Aber Kanye West ist auch nicht schlecht.

rap.de: Jetzt bist du ja auch ein bisschen gekleidet wie diese Hipster-Rap Typen. Kennst du dich da aus bei diesen neuen Hip Hop-Strömungen? Charles Hamilton, The Knux, Cool Kids und so weiter.

Jimi Blue: The Cool Kids kenne ich, kommen aus Chicago. Ich hab auch das Album von denen. Ich finde "I’m Mickey“ ist das coolste Lied. Das ist mein Lieblingslied, der Beat ist richtig krass. Die anderen Leute kenne ich aber nicht.

rap.de: Auf dem neuen Album sind ja auch ganz reduzierte Beats drauf.

Jimi Blue: Ich finde schade, dass die Songs und Beats alle ein bisschen das Gleiche haben. Das ist nicht sehr vielfältig. "Gold And Pager“ zum Beispiel erinnert mich total an "Black Mags". Das war ja glaube ich auch die erste Single von dem Album.

rap.de: Also du stehst schon rauf, wenn dein Album sehr abwechslungsreich ist.

Jimi Blue: Ja, das finde ich wichtig, weil es sonst sehr langweilig werden kann, wenn es nicht vielfältig ist und sich alles gleich anhört.

rap.de: Findest du allgemein, dass im HipHop sehr viel austauschbar ist, gerade musikalisch, auch was den Gangstarapbereich angeht?

Jimi Blue: Nicht bei allen. Wenn man zum Beispiel Eminem mit 50 Cent austauschen würde, würde man das ja merken. Eminem hat ja diese krasse Stimme, die man halt raushört. Das ist nicht bei allen so. Aber bei ein paar Leuten könnte ich mir schon vorstellen, dass man die austauschen könnte, aber die nenne ich jetzt nicht.

rap.de: Warum? Die Leute wollen immer Namen hören, das ist ganz wichtig!

Jimi Blue: Ja? Okay, dann überlege ich mal… (Gelächter)

rap.de: Du musst nicht, das wird nachher sowieso rausgestrichen.

Jimi Blue: Glaubst du?

rap.de: Ja! Na ja, wir bestehen da jetzt auch nicht drauf, dass du hier Namen nennst, aber wenn du möchtest…

Jimi Blue: Also was deutschen HipHop betrifft, finde ich, dass wenn man Kollegah mit Snaga und Pillath austauscht, ist das auch kein Unterschied.

rap.de: Oha! Also die sind ja von der Rap-Herangehensweise schon sehr unterschiedlich. Interessierst du dich denn für so was? Abgefahrene Punchlines und so?

Jimi Blue: Wer das ist?

rap.de: Nee, Sachen, bei denen man um die Ecke denken muss. Wo du dich richtig hinsetzt, nur um dir die Lines anzuhören.

Jimi Blue: Ja, finde ich schon interessant. Wenn das kreativ ist, finde ich es schon cool.

 

rap.de: Könntest du dir auch vorstellen, das selbst zu machen?

Jimi Blue: Müsste ich mir aber noch mal überlegen.

rap.de: Also möchtest du schon mehr in diesem poplastigen HipHop-Bereich bleiben, wobei dein zweites Album ja deutlich Hip Hop-lastiger ist.

Jimi Blue: Ich wollte, dass es Hip Hop-lastiger ist. Ich habe ja auch mehr daran mitgearbeitet. Ich bin ja jetzt auch nicht so ein Gangster und will nicht so auf Gangster machen und komme auch nicht aus dem Ghetto und dazu steh ich auch…

rap.de: …was ja auch nicht sein muss, wenn man Hip Hop machen will.

Jimi Blue: Ja das stimmt schon, aber ich will jetzt auch nicht so Underground-Hip Hop machen, also was wirklich so Hip Hop ist. Ich will so einen Mix machen. Eher so ein bisschen Dirty South, so was finde ich cooler.

rap.de: Aber das widerspricht ja dem nicht, dass man beispielsweise seine eigenen Texte schreibt. Hast du denn da Ziele, dass du irgendwann mal anfängst, selber zu schreiben?

Jimi Blue: Wenn ich selber englische Texte schreiben würdest, wären da, glaube ich, ein paar Fehler drin und deshalb brauche ich schon jemanden an meiner Seite, der perfekt Englisch kann, wie zum Beispiel Tai Jason. Wir haben uns ja auch zusammengesetzt wegen "Key To The City“ und alleine hätte ich so einen Song nicht geschrieben.

rap.de: Und auf Deutsch zu Texten, das interessiert dich nicht?

Jimi Blue: Nee. Also ich find, es gibt zu viele Künstler in Deutschland, die deutschen Rap und Hip Hop machen und ich möchte eben was anderes machen. Ich möchte immer Hip Hop auf Englisch machen, weil mir das viel besser gefällt als Deutscher.

rap.de: Was hältst du von Raptile?

Jimi Blue: Raptile… Ist das nicht auch einer von Sidos Leuten?

rap.de: Nee, der ist aus München.

Jimi Blue: Ist das der, der hier diese Narbe hat? Ich glaube, ich verwechsle den mit Alpa Gun. Ich glaube, die sehen beide sehr gleich aus, oder?

rap.de (Lisa): Also Raptile hat auch immer auf Englisch gerappt und musste dafür auch sehr viel Kritik einstecken. Ist mittlerweile auch, glaube ich, in die Staaten gegangen.

rap.de (Staiger): Er wollte ja auch zunächst diesen Underground-Hip Hop auf Englisch hier in Deutschland machen.

rap.de (Lisa): Ach, das war die Intention?

rap.de (Staiger): Es war auf jeden Fall schon sehr poppig, was er zuletzt gemacht hat, aber was du machst ist natürlich noch sehr viel poppiger.

rap.de (Lisa): Also Raptile sagt dir nichts?

Jimi Blue: Ich hab den Namen schon mal gehört, aber hab jetzt keine Musik von dem gehört.

rap.de (Staiger): Wie hießen denn dieser bescheuerten Hits von dem? "Da Unbeatables“ und "Make Ya’ll Bounce“?

rap.de (Lisa): Ach ja, mit Xzibit oder?

Jimi Blue: Gefällt dir nicht?

rap.de: Das war ganz schlimm. Was ist mit solchen Sachen wie MC Hammer und Vanilla Ice?

Jimi Blue:  Das kenne ich noch. Ist meine Zeit gewesen, nee Spaß. (Gelächter)

rap.de: Also bist du noch richtig oldschool.

Jimi Blue: Nee, mein Vater hat ja auch Musik gemacht und dadurch habe ich auch viele alte Sachen mitbekommen. So Vanilla, Vanilla… wie hieß der?

rap.de:Ice!

Jimi Blue: Das kenn ich auch durch meinen Dad, der hat mir das schon gezeigt.

rap.de: Ich finde ja sehr schön, dass du so ehrlich bist und nicht sagst, dass du nicht aus dem Ghetto kommst und auch dazu stehst positive, ehrliche Musik zu machen. Glaubst du denn, dass das auch viele Leute anspricht, die sagen "Okay, ich habe jetzt genug gehört von Depressionen und dem ganzen drum und dran“?

Jimi Blue: Ich finde HipHop sowohl in Deutschland als auch in Amerika ist inhaltlich viel so "Ich komm daher und daher und mein Leben ist so scheiße.“ Ich verstehe nicht, warum man so viele depressive Texte schreiben muss, man kann ja auch Texte schreiben, bei denen man sagt: "Stimmt schon, das Leben ist schon geil.“ In Deutschland geht es uns ja auch viel besser, als irgendwo in Afrika.

rap.de: Jetzt hast du natürlich auch das Privileg aus einem begüteten Elternhaus zu kommen.

Jimi Blue: Ja, stimmt schon. Aber die Leuten, die hier in Deutschland im Ghetto wohnen, geht es immer noch besser als vielen Leuten aus anderen Ländern.

rap.de: Stört dich es dich denn an diesen sozialkritischen Texten, dass zwar immer alles angeprangert wird und alle sagen, dass man "aufstehen“ muss, aber keiner sagt konkret, was anders werden muss oder wie die Dinge anders werden sollen?

Jimi Blue: Ja, genau so was. Die rappen halt immer darüber, wie scheiße das Leben ist, aber warum rappen sie nicht davon, wie man es besser machen kann, wenn sie es selber auch scheiße finden?

rap.de: Könntest du dir es auch für dich vorstellen, dass du irgendwann, wenn sich diese Partythematik bei dir gesetzt hat, den Leuten einen Weg aufzeigst, wie sie das Beste aus ihrem Leben herausholen können?

Jimi Blue: (eindringlich) Ja, ich kann so etwas selber nicht gut machen, weil ja aus einem guten Haus komme und ich kenne das Leben nicht anders und ich kenne mich damit nicht so aus, als dass ich jemandem sagen könnte, wie man aus dem Ghetto rauskommt. Ich will ja auch nicht sagen, dass deutscher Hip Hop total scheiße ist. Sido taugt mir ja zum Beispiel auch und früher hab ich ja auch nur deutschen Hip Hop gehört. Ich habe zum Beispiel auch Snaga und Pillath gehört, jetzt höre ich eben mehr Lil Wayne und diese ganze Dirty South Sachen und crunkmäßiges Zeug.

rap.de: Dein Bruder macht ja ganz andere Musik als du. Wo kam der Punkt, an dem ihr euch, musikalisch gesehen, so dramatisch auseinander entwickelt habt?

Jimi Blue: Er macht eben eher Rockmusik und ich stehe eben mehr auf Hip Hop und Pop. Ich weiß nicht. Wir sind älter geworden – okay, 16 ist jetzt nicht so alt – aber wir wollten irgendwann einfach verschiedene musikalische Richtungen einschlagen. Er hört eben immer noch Electro, Rock und Metal zuhause und ich höre eben bei Itunes die Radiosender an, die Dirty South spielen. Er hört eben nicht gerne was ich höre, und ich nicht so gern, was er hört. Wir sind einfach verschieden.

rap.de: Gibt es denn Streit, wenn ihr im Auto gemeinsam irgendwo hinfahrt?

Jimi Blue: Man sagt schon mal "Ey, mach jetzt die Scheiße weg“ oder ich sage "Nee, ich will jetzt nicht so eine Emo-Mucke hören.“ Also da gibt es schon Streit, ab und zu.

rap.de: Magst du denn die Musik, die dein Bruder macht, oder sagst du dir "Ist nicht meine Richtung, der soll mal machen.

Jimi Blue: Es ist zwar nicht meine Richtung, aber wenn es meine Richtung wäre, würde ich es schon nicht schlecht finden.

rap.de: Sehr diplomatisch.

Jimi Blue: Danke. Dafür habe ich jetzt auch sehr lange überlegen müssen, was ich jetzt sage.

rap.de: Wenn du dich zwischen Musik und Schauspiel entscheiden müsstest, was würdest du auswählen und warum?

Jimi Blue: Schwierig. Ich möchte irgendwann versuchen, selber Beats zu machen, weil ich jetzt unten in meinen Keller selber anfange, das auszuprobieren. Das würde ich schon gerne weiter ausbauen, um das irgendwann für mich selber zu machen, vielleicht ja für das Mixtape. Wenn ich mich jetzt entscheiden müsste, würde ich lieber gar nichts machen, als nur eine von beiden Sachen.

rap.de: Was wäre dann die Alternative abseits von Musik und Schauspielerei?

Jimi Blue: Ich will noch ein Modelabel machen. Eine eigene Modekollektion fände ich cool.

rap.de: Okay, dann sind wir soweit fertig und bedanken uns.