Nachdem ich den Auftritt von Scarabeuz auf dem 1. Mai-Fest in Kreuzberg und dann später die kurze Doku auf der Rap City Berlin über ihn und No 5 Production gesehen hatte, war mir sofort klar, dass dieser Mann eine Alternative zu dem Rest der HipHop-Community in Berlin war. Spätestens als Vorgruppe von Common überzeugte Scarabeuz durch sein Können als Live-MC. Ich ging zu den Jungs ins Studio und nahm das Interview mit dem Studiomikrophon auf, weil ich dummerweise so schnell kein Aufnahmegerät klarmachen konnte.
rap.de: Du hast eine neue EP draußen, die “Sultan des Rap” heißt. Erzähl mal, wie es zu dem Namen kam und was wir darunter zu verstehen haben.
Scarabeuz: Für mich ist es das Pendant zu King of Rap. Mir ist wichtig, dass ich die orientalische Seite mit reinbringe, daher „Sultan“ und nicht „King“. Rap ist ursprünglich eine westliche Musik und ich versuche, das mit dem Orientalischen zu verbinden. Da wir hier in Deutschland zwischen den Kulturen leben und irgendwie bi-kulturell aufgewachsen sind, haben wir auch zu beiden Kulturen einen Bezug. Die Musik, die ich mache, repräsentiert mich so wie ich bin. Es ist irgendwie ein Mischmasch, wie unser Leben hier.
rap.de: Sehr interessant ist auch dein Name; wofür steht der eigentlich?
Scarabeuz: Scarabeus ist ein Käfer. Im alten Ägypten wurde dieser Käfer vergöttert, weil er Mist und Erde zusammengerollt und vergraben hat und dadurch später Leben entstanden ist. Die Ägypter haben natürlich nicht gesehen, dass der Käfer davor seine Eier reingelegt hatte. Für sie war der Käfer etwas besonderes, weil er neues Leben erschuf. Heute wird er als Glücksbringer gesehen. Der Name klingt einfach gut und weil er aus Ägypten stammt und ich mich durch meine Abstammung dahin gezogen fühle, hat es gut zu mir gepasst.
rap.de: Da du mit deinem Release relativ neu bist, wissen viele noch nichts über dich. Deiner Biographie konnte ich entnehmen, dass du früher in einer Gruppe warst, die „Halbmond“ hieß. Warum bist du jetzt solo unterwegs?
Scarabeuz: Erstmal ist Halbmond noch nie über die Grenzen Berlins raus gekommen, deswegen kennen uns viele nicht. In Berlin hatten wir damals einige Auftritte, was aber auch nicht, meiner Meinung nach, so in Erinnerung vieler geblieben ist. Vor vier Jahren habe ich dann gesagt, dass ich eigene Sachen machen will, weil wir als Gruppe nicht mehr vorangekommen sind und jeder sich in eine andere Richtung entwickelt hatte. Ich bin aber heute der einzige, der von Halbmond sozusagen überlebt hat und noch weitermacht. Irgendwann habe ich dann Volkan (einer der Produzenten von No5Production) getroffen und seitdem bin ich hier bei No5Production.
rap.de: Gibt es auch noch andere Gründe, warum du gerade bei No5Production bist und nicht bei einem anderen Label?
Scarabeuz: Ich bin Aksit, der das alles hier aufgebaut hat, vor zwei Jahren über den Weg gelaufen. Er hatte damals einen Beat für mich gemacht und dann sind wir zu ihm ins Studio und haben gesehen, dass die ganze Atmosphäre stimmt. Insbesondere die Beats von ihm sind der absolute Knaller. Er hat ein super Talent dazu, für mich ist er einer der Besten. Darüber hinaus find ich aber auch, dass Aksit von der menschlichen Seite her ein korrekter Typ ist. Es war direkt klar, dass ich hier richtig bin und seitdem sind wir einTeam.
rap.de: Für wen ist deine Musik, wer ist deine Zielgruppe?
Scarabeuz: Ich will mit meiner Musik jeden ansprechen, nicht nur die HipHop-Freaks: jeden, der sich damit identifizieren kann. Meiner Meinung nach kann man sich jetzt schwer mit Deutsch-HipHop identifizieren. Wenn einer sich hinstellt und sagt: “ Ich bin der Beste, der Größte…”, dann weiß ich nicht. Vielleicht kommen da ein paar Kids und bewundern diese Menschen oder sonst was, aber man kann sich damit nicht wirklich identifizieren. Message ist bei mir sehr wichtig. Man muss was in seinen Texten rüberbringen können. Dazu ist HipHop für mich einfach da.
rap.de: Auf deiner EP ist ein Track, der “HipHop ist Tod” heißt…Was willst du damit aussagen? Wie findest du die Atmosphäre in HipHop-Deutschland im Moment?
Scarabeuz: Als ich damals mit HipHop angefangen habe, auf Jams gegangen bin, war alles noch ganz anders. Es war ein anderes Feeling als das, das jetzt in den ganzen Liedern rübergebracht wird. Man konnte sich halt damit identifizieren. Wenn früher einer HipHop gehört hat, war sofort eine Sympathie da, wo man sagte, der Typ ist cool und so weiter. Aber wenn ich heute Kids sehe, die HipHop-mäßig gekleidet sind und HipHop hören, weiß ich, dass ich mich damit nicht mehr identifizieren kann. Ich mach jetzt mein HipHop-Ding, weil es die HipHop-Gemeinschaft so nicht mehr gibt. Diese ganze Gangsta-Kacke, die du jetzt nur noch hörst, hat nichts mehr mit Gemeinschaft und Respekt zu tun, worauf es für mich im Leben vor allen Dingen ankommt. Das ist alles Kinderkacke für mich. Die Leute führen sich auf und haben überhaupt keine Messages. Wenn du keine Message hast, brauchst du nicht zu rappen. Ich will ne positive Message rüberbringen. Wenn sich da irgendein Ausländer hinstellt und sagt, ich bin der Krasseste und schlag jeden auf die Fresse, verfestigt sich jedes Klische nur; z.B. Ausländerfeindlichkeit wird dadurch nur noch gefördert. Ich beziehe mich damit nicht nur auf Deutschland, sondern auch auf Amerika. So wie ich gehört habe, wird in den Staaten Gangsta-Rap zu 70% von weißen Jugendlichen gekauft – weil die halt nur den bösen schwarzen Mann sehen wollen. In Deutschland entwickelt sich alles gerade in die gleiche Richtung. Der Rapper, der das macht, kriegt zwar seine Kohle dafür, aber die Ghettos werden dadurch immer mehr abgegrenzt. Später gehen sie dann in die Ghettos, von denen sie in ihren Texten erzählen, um irgendwelche Clips zu drehen, aber dann brauchen sie dreißig Bodyguards, weil sie wissen, dass sie nicht mehr dazu gehören. Es gibt noch ein paar gute Leute, aber das meiste ist auch auf dem gleichen Trip.
rap.de: Wie kamst du zu den Features auf deiner Platte? Da sind ja Bektas, Sirtlan, Azra und noch einige andere drauf vertreten…
Scarabeuz: Alle Features arbeiten auch für ihre eigenen Sachen hier bei uns im Studio, daher war es auch leichter, mit ihnen was zu machen. Aber auch, wenn sie nicht hier gearbeitet hätten: Bektas, Sirtlan und Azra waren absolute Wunschfeatures von mir.
rap.de: Wenn man deine Platte hört, kommt da der Witz immer wieder durch: Du hast eine lustige Ader, würde ich sagen. Ist das gewollt?
Scarabeuz: Ja, das gehört für mich dazu. Ich habe auch sehr politische und ernste Themen behandelt, aber letztendlich ist HipHop Entertainment. Es soll Spaß machen, zuzuhören. Es gibt viele Rapper, die vernünftige Mucke, auch mit sinnhaltigen Texten, machen, aber es darf auch nicht zu viel sein, sonst ist es zu anstrengend. Du kannst die Leute nicht andauernd damit zubomben. Der Zuhörer muss von allem was bekommen.
rap.de: Man hört ganz deutlich, dass du politisch viel auf dem Herzen hast. Du bist einer der wenigen Rapper muslimischer Herkunft, die die aktuellen Probleme wie Terrorismus und die Islamphobie, die zurzeit in den westlichen Ländern herscht, ansprechen. Findest du, du hast da zu wenig gesagt oder eher zu viel? Und wirst du das in Zukunft auch so weiter tragen?
Scarabeuz: Da wird es auf jeden Fall noch in Zukunft von mir viel zu sagen geben. Ich bin halb Ägypter, halb Holländer und Muslim. Daher habe ich mich verpflichtet gefühlt, was dazu zu sagen. Wenn ich das nicht getan hätte, wäre es für mich ein unglaubwürdiges Produkt, weil ich mich mit der Platte identifizieren muss. Ich bin ein gläubiger Muslim und das alles beeinflusst unser Leben hier. Die ganze anti-islamische Stimmung in den Medien, wo es dann heißt, ein Moslem dort verhaftet und ein anderer dort. Am nächsten Tag werden die Leute wieder freigelassen, weil sie mit dem ganzen nichts zu tun hatten, was aber kein Sender erwähnt. Dadurch entsteht dann die Angst bei den Leuten gegenüber den Muslimen. Letztlich sage ich in dem Track “Auch Nur Ein Mensch” nichts anderes als, dass wir auch nur Menschen sind, die in Frieden leben wollen. Ich versuche auch zu erklären, dass der Islam das Gegenteil von dem ist, was manche versuchen, einem aufzudrücken. Wie jetzt bei dem aktuellen Beispiel in London, da kann ich nicht glauben, dass hinter den Anschlägen Muslime stecken. Ich bin ein Muslim und das ist auf keinen Fall vereinbar mit meiner Religion. Es ist nicht vereinbar mit meiner Lebensweise, meiner Philosophie. Das ist nicht der Islam. Wenn wirklich irgendwelche Leute so abgehen, dann hat das nichts mit dem Islam zutun und die sind auch keine Muslime für mich. Bush hat ja gesagt, wer nicht mit ihm sei, wäre gegen ihn. Wir sind ganz sicher nicht hinter ihm. Das heißt aber nicht, dass wir zu den Terroristen gehören. Die amerikanische Politik ist scheiße und muss bekämpft werden, aber auf jeden Fall nicht mit Terror. Sobald da unschuldige Menschen draufgehen, ist es falsch. Was auch wichtig ist, ist, dass die muslimischen Kids wieder sagen können, ich bin stolz, Muslim zu sein.
rap.de: Bekommst du deswegen eher Kritik oder doch eher Probs von denen, die deine EP gekauft haben?
Scarabeuz: Bis jetzt wirklich nur Probs, sei es bei einem Auftritt vor einem ausschließlich türkisch-arabischen Publikum oder bei einem Auftritt, wo fast nur Deutsche da waren. Wir bekommen von überall nur Respekt dafür.
rap.de: Du hast außerdem auf deiner EP einen arabischsprachigen Track. Das ist ja schon was Besonderes in Deutschland, wo vergleichsweise wenig auf Arabisch versucht wurde. Wie kam`s?
Scarabeuz: Meine ersten arabischen Texte habe ich vor zehn Jahren geschrieben. Ich fand es schon immer interessant, auf Arabisch was zu machen. In Zukunft wird es da noch viel geben. Ich habe auch vor, mal ein ganzes arabisches Album zu machen, was jetzt noch ein bisschen Zukunftsmusik ist.
rap.de: Willst du mit deinen arabischen Stücken auch in die arabischen Länder gehen, oder ist das nur für die Araber hier in Deutschland?
Scarabeuz: Definitiv will ich das. Es gibt allein 22 arabische Länder. In Frankreich leben viele Araber, aber auch im Rest von Europa. Jetzt ist es noch nicht so weit, aber in Zukunft wird es auf jeden Fall was geben.
rap.de: Was ist dein Konzept, wenn du was raus bringst? Was willst du aussagen?
Scarabeuz: Mit der EP wollte ich zuerst mich selber repräsentieren. Die Leute sollen erstmal sehen, wer Scarabeuz ist und was er macht. Ich sage in den Texten aus, wofür ich stehe, was ich für wanna be halte, oder bei dem Track “Auch Nur Ein Mensch” kommt dann rüber, dass ich Muslim bin und was ich über all das denke. Bei der LP, die hoffentlich am 10.10. erscheinen wird, kommt noch ein bisschen Neues dazu, was aber jetzt noch nicht verraten wird.
rap.de: Dann bitte ich dich um deine abschließenden Worte für die rap.de-Leser.
Scarabeuz: Kauft euch auf jeden Fall die EP! Euch erwartet was anderes, als ihr es gewohnt seid. Das hat sogar Common erkannt. Bei unserem Auftritt als Vorgruppe beim Common-Konzert hatten wir Trommler und eine Bauchtänzerin dabei. Wir haben etwas ganz anderes gebracht als das, was die Leute gewohnt waren. Common ist dann später zu mir gekommen und hat mir seinen Respekt für unser orientalisches Konzept gegeben. Ich hoffe, dass meine EP euch genau so gefallen wird.
rap.de: Danke für das Interview.