Skiz aka S.H. Fernando Jr.

Sensational „I can communicate telepathically with him!” Um Sensational , den MC, dessen Musik zunächst abgelehnt wird, dreht es sich in dem Film Crooked . Es geht um einen Tag aus dem Leben von Colin Julius Bobb , wie er mit bürgerlichem Namen heißt. Ähnlich wie bei Kool Keith ist das jedoch nur eines seiner Pseudonyme. Der Mann, der auch unter den Namen "Perfection" "The Skripper"u und ganz besonders unter "Torture" gerappt hat, ist über das Guayanische Georgetown nach Brooklyn gekommen. Seine ersten Erfolge konnte er verzeichnen, als er Anfang der Neunziger Jahre die Jungle Brothers traf und bei ihnen erst als Tänzer, dann aber auch als MC mitmachen konnte. Durch seinen sehr rohen Reimstil hatte er schnell den Namen Torture bekommen, und der machte sich nun daran, die JBs auch musikalisch zu beeinflussen – was man auf deren drittem Album "J Beez wit the Remedy"“ hören kann. Dieses recht experimentelle Album hatte jedoch keinen großen kommerziellen Erfolg, und in diesem Zuge blieb dann logischerweise auch für Torture aka Sensational nicht viel übrig.Wie das Leben von Colin Julius Bobb dann weiterging, ist in den Film Crooked zu sehen.

Skiz Fernando, der Produzent dieses Streifens, war jedenfalls sofort begeistert von diesem Mann, als er ihn Mitte der Neunziger kennenlernte: "Sensational oder Torch (kurz für Torture), wie ich ihn immer noch nenne, fasziniert mich vor allem dadurch, dass er wie kein anderes menschliches Wesen ist, das ich jemals vorher getroffen habe. Er lebt sein Leben und seine Freiheit in einer Art und Weise aus, von der so manch einer sich gar kein Bild machen kann, und dieses Leben, das er führt, hat nun einmal keine Regeln, so wie wir sie vielleicht kennen. Dabei ist er ein sehr zurückhaltender Typ, der immer auf dem Teppich geblieben ist und sich einfach keinen Kopf um seine Zukunft macht. Sensational ist einer der ganz wenigen Menschen, mit denen ich praktisch telepathisch kommunizieren kann. Das weckt in mir wiederum das Gefühl, dass er eine Art Alien sein muss, der zur Erde gesandt wurde, um den Menschen hier Dinge zeigen zu können, von denen sie bisher gar nicht gewusst haben, dass es sie gibt. Wo wir bei seiner Musik angekommen wären. Er macht die wohl abgedrehtesten, dreckigsten, abgefucktesten Sounds, die ich jemals zuvor gehört habe, aber, es ist dabei immer noch sowas von HipHop! Sens musste einfach der ‚Star’ in Crooked sein, auch gerade, weil er einfach das ‚Postergesicht’ schlechthin für einen Underdog hat, was wir ja irgendwie alle sind, bei WordSound – Underdogs. Er ist quasi unser ausgeflippter, freakige Botschafter für die reale Welt."

Crooked „I almost died making the movie!“

Um diesen Botschafter ins rechte Licht zu setzen, musste S.H. Fernando den nächsten Schritt wagen, und das hieß, einen Film zu drehen. Außerdem war er enttäuscht über die "independent" Filmbranche, die seiner Meinung nach zu einer Farce verkommen ist. Die Indie-Film Budgets erreichen mitunter mehrere Millionen Dollar und fahren dann auch gleich noch einige große Namen auf. Skiz wollte zeigen, dass es um weit mehr als nur Geld oder Stars geht. Eine Eingangsfrage für seinen Film hatte er schon im Kopf und wusste auch, dass Sensational die Hauptrolle spielen würde: "Wie schafft es ein wahres Talent aus dem Nichts ins Rampenlicht?"“ Um dieses Projekt in Ruhe planen zu können, zog der sich dann im Januar 2000 in sein Geburtsland Sri Lanka zurück und begann, das Drehbuch zu schreiben. In April 2001 war es dann soweit, dass man anfangen konnte, zu drehen. In dieser Zeit zog Skiz von Brooklyn nach Baltimore um, weil dort seine Lebenshaltungskosten wesentlich geringer waren. Er mobilisierte viele seiner Freunde, trieb Geld auf, 23.000 Dollar, und kaufte zwei Digitalkameras – es konnte losgehen. Man begann am 2. April 2001 mit dem Drehen und war am 29. April fertig. In nur 25 Drehtagen war der Film im Kasten. Zwischendurch gab es jedoch einige kleine Unannehmlichkeiten, die die Arbeit nicht gerade vereinfachten: Gleich am ersten Tag wurde Skiz’ Auto abgeschleppt; am dritten Tag kündigte der zweite Kameramann, und kurz vor den entscheidenden Schuss- und Explosionsaufnahmen ließ ihn das Special-Effects-Team im Stich. Da ist klar, dass dann Aussagen wie die folgende sehr gut zu verstehen sind: "When you have one person, namely myself, writing, directing, producing, shooting, casting, production designing, catering, and driving people around, it completely takes everything you’ve got. That’s why I said the movie almost killed me."

Nicht zu vergessen, dass die 70 Stunden Material, die daraus resultieren, erst einmal gesichtet und geschnitten werden mussten… erst dann war „Crooked – The Movie“ fertig!

"Im Grunde genommen hab ich den Film gemacht, um den Leuten zu zeigen, wie es ist, auf der anderen Seite zu stehen, fernab von all den talentlosen Posern, die man z.B. bei MTV Cribs sehen kann, wie sie sich am Glanz ihres materiellen Reichtums laben. Was man da nicht sieht, sind Leute die tatsächlich Talent haben, aber kein Geld; die einfach nur hart darum kämpfen müssen, überhaupt gehört zu werden, den Leuten mitzuteilen: ‚Hey, ich existiere!‘. Wir müssen tun, was immer wir können, um diese Musik und unsere Träume verwirklichen zu können – manchmal sind es eben auch weniger legale Dinge, die man tun muss. Ich habe mich schon für das Filmemachen interessiert, seit ich ein kleines Kind war. Ich weiß, was es heißt, eine kreative Person zu sein, die hart dafür kämpfen muss, ihre Visionen auch verwirklichen zu können – und das ist es auch, worum es in Crooked geht."
Da stellt sich die Frage, ob Crooked vielleicht zu typisch amerikanisch ist, als dass man den Film überall auf der Welt zeigen könnte, ohne dass es zu Missverständnissen kommen würde. Vielleicht begreifen die Leute den Film hierzulande ganz anders?

"Ich bin mir sicher, dass Crooked überall auf der Welt stattfinden könnte. Das Einzige, was diesen Film mit den USA in Verbindung bringt, ist die Tatsache, dass er im New Yorker HipHop-Milieu spielt – eine Ort, der schon immer einen starken Einfluss auf die ganze Welt hatte, in vielerlei Hinsicht. Das eigentliche Thema des Films ist der Kampf zwischen Kunst und Kommerz, die Rache des Underdogs, wie wichtig es ist, Freunde zu haben, und dass Vertrauen und die Loyalität unter Freunden die höchsten Güter sind. Ich sehe die einzige Gefahr eines Missverständnisses darin, dass Leute diesen Film wie einen weiteren „Rapsplotation“-Movie sehen, wie die von Master P oder so etwas. Dieses Projekt (Crooked) zu realisieren war das Härteste, was ich jemals in meinem Leben getan habe. Aus diesem Grund war es auch eine sehr lehrreiche Erfahrung, auf die ich nun mit Genugtuung zurückblicken kann. Ich würde allerdings nie wieder einen Film in einer solchen Guerilla-Manier drehen, wie ich es mal ausdrücken möchte. Das heißt aber nicht, dass ich nie wieder einen Film mache. Der nächste kommt bestimmt!"

Eine Sache muss aber auch noch zur Sprache kommen. Der Film ist größtenteils autobiographisch. Das Einzige, was nicht der Realität entspricht, ist das Ende. Wieso wurde ein solch gewalttätiges, fiktives Ende gewählt?

"Sensational wird am Ende des Films erschossen, ich erhoffe mir, dass dies sofort an die unnötigen Morde an Tupac und Biggie erinnert. Der einzige Unterschied zu dem Tod der Beiden ist, dass sie bereits ein hohes Maß an Bekanntheit erreicht hatten, als sie erschossen wurden, wobei dies auf Sensational nicht zutraf. Ich wollte damit ein Statement machen, dass ein wahrer Künstler häufig erst einmal sterben muss, um wirklich bekannt zu werden. Immerhin kann man mit Sicherheit sagen, dass der Tod Leute wie James Dean, Bruce Lee, Kurt Cobain u.v.m. erst zu Legenden gemacht hat. Noch einmal: Der einzige Unterschied zwischen diesen Künstlern und Sensational war, dass die bereits wahrgenommen wurden, als sie noch lebten, Sensational nicht. Aber da Sens ja noch nicht wirklich tot ist, haben die Leute nun noch eine zweite Chance, auf ihn aufmerksam zu werden, während er lebt. Außerdem scheint es Sinn zu machen, dass Sensational, bei all dem selbstzerstörerischen Benehmen, das er an den Tag legt, nur diesen einen Schluss erwarten kann.
So ist es dann auch gekommen – allerdings nur im Film. Die letzten Bilder zeigen Sens auf einem Boot vor der Skyline von New York, mitsamt den Twin Towers, die ja bekanntlich nicht mehr stehen. Für Skiz war der 09.11.01 aber kein Anlass, diese Szene wegzuschneiden oder umzuändern. Er sieht ihn sogar als sehr sinnvoll an. Da Sensational ja filmisch gesehen tot ist und nun quasi übers Wasser schwebt, weg von Manhattan, schaut er zurück und sieht dabei genau auf das World Trade Center, was man fast wie einen prophetischen Akt sehen kann, so nach dem Motto: "Die Tower werden die Nächsten sein…"

Das letzte Wort dieses Artikels, soll aber Skiz haben: "Eine Sache möchte ich noch loswerden. Trotz der Tatsache, dass Crooked, als Film, alles andere als perfekt ist, hoffe ich sehr, dass die Leute den Vibe und den Spirit der Arbeit, die wir für dieses Projekt aufgebracht haben, spüren werden. Dies ist ein Film über Menschen, deren einzige Absicht es ist, mit allen Möglichkeiten, die sich ihnen bieten, dafür zu kämpfen, eine Stimme zu haben, die von vielen Leuten gehört wird und mit der sie sich selber verwirklichen können. Der Grund, warum dieses Konzept so wichtig ist, ist, dass die gemeinschaftliche Struktur, die wir auf dieser Welt vorfinden, es praktisch unmöglich macht, als unabhängige Person in irgendeiner Form einen bleibenden Eindruck bei den Leuten zu hinterlassen. Dabei ist es doch gerade die Stimme der Unabhängigen, Andersdenkenden, die die Leute hören müssen, ganz besonders in Zeiten wie diesen, wo die Regierungen und großen Institutionen uns den direkten Weg in die Hölle zeigen. Wie es die P-Funk-Ära schon damals auszudrücken pflegte: `Think, it ain´t illegal yet!‘ viel spaß