Vergleiche mit den Native Tongues ließen nicht lange auf sich warten, aber Slum Village wollen lieber für sich selber stehen. Nun soll das zweite Kapitel der Erfolgsgeschichte der Band geschrieben werden. Als Wegweiser soll das neue Werk „Past, Present, Future“ dienen, ein Album, das auf jeden Fall wieder einige Überraschungen aufweist. Eine davon, und eine nicht geringe, ist, dass der Produzent Jay Dee, der ja den Slum Village Sound quasi ins Leben gerufen hat, sich dieses Mal ein wenig zurückhalten hat und den Hautteil der Arbeit in die Hände von T3 und Baatin gelegt hat. Er gehört aber weiterhin zur Gruppe dazu, wie die beiden anderen Mitglieder betonen. Was genau das Konzept hinter dem Album war und wer der neue MC der Crew ist, sowie einiges mehr von ihrer Homebase Detroit bis zur aktuellen Weltpolitik, konnten wir Slum Village in einem Interview entlocken.
rap.de: Euer aktuelles Album heißt „Past, Present and Future“. Was war die Idee dahinter?
T3: „Past, Present & Future ist ein Konzeptalbum. Lass es mich so sagen: Past steht für den alten Slum Village Sound, für Soul-Feelgood-Music. Das ist der Sound, der unser vorhergehendes Album charakterisiert – Vol. 2 Musik eben. Present, ist eher eine aggressivere Form von Musik, wie es unserer Meinung nach heutzutage üblich ist, und der futuristische Aspekt des Albums geht mehr so in Richtung Alternative-Soul-HipHop. Wir haben also alle diese verschiedenen Formen zusammengebracht und eine Art Zeitreise daraus gemacht, so dass man von einer Epoche des HipHop zur nächsten springen kann und auch wieder zurück – das ist das Konzept von „Past, Present & Future“.
rap.de: Wer war denn so alles in den Produktionsprozess involviert, und daran anschließend, welchen Track favorisiert ihr?
T3: Wer das Album produziert hat? Wir haben eine Reihe aufstrebender Produzenten engagiert, die alle aus unserer Heimatstadt Detroit stammen, haben aber auch zwei namhafte Produzenten dabei. Das sind zum einen Hi-Tek (von Reflection Eternal) und zum anderen Scott Storch. Aber außer diesen Beiden hatten wir nur Jungs aus unserer Homebase dabei. Ich selbst habe natürlich auch ein paar Tracks produziert, zusammen mit meinem Partner Young RJ Ne’Astra. Wir wollten einfach Leuten, die wir schon eine ganze Weile kennen, die Chance geben, mal zu zeigen, was sie können.
rap.de: Und welcher ist euer Favorite-Track auf dem neuen Album?
T3: Das wechselt bei mir von Zeit zu Zeit. Kann ich nicht genau sagen.
Elzhi: Ich würde sagen, dass „Stars“ mein Lieblingstrack ist. Und zwar deshalb, weil er am Ende so einen Break hat, wo das Stück viel langsamer wird. Dann kommen die besten Lines von Baatin auf dem Album, meiner Meinung nach.
rap.de: Elzhi, wie bist du eigentlich zu der Gruppe gestoßen?
Elzhi: Um eine lange Geschichte kurz zu machen, ich war T3s Artist. Er war gerade dabei seine Arbeit als Manager aufzunehmen, merkte aber, dass das gar nicht so leicht ist und es eine Menge Konflikte und Probleme zu lösen gab. Als ich dann mit ihnen auf Tour war, sie waren unterwegs mit Phife Dawg, bemerkten sie, wie viel ich mich in die Gruppe einbrachte und wie viel Spaß es mir machte. Sie beschlossen, mich auf einer Reihe von Songs zu featuren. Ich glaube mich erinnern zu können, dass es dann so eine Art Meeting gab, wo über meine Aufnahme in die Band diskutiert wurde. Auf jeden Fall kamen sie dann auf mich zu und sagten mir, dass ich zu Slum Village gehören sollte, dass sie denken, dass ich dazugehöre. Ich war natürlich happy und habe gesagt, dass ich die Crew schon seit längerer Zeit verfolge und wahrscheinlich Tracks kenne, die sie selber nicht mal mehr im Repertoire haben (Gelächter). Es war also eine große Ehre für mich, dabeizusein, und die Chemie stimmte auch einfach.
rap.de: In Detroit gibt es ja den lokal berühmten “HipHop-Shop“. Inwiefern hat der die (HipHop)Musik-Szene in Detroit beeinflusst?
T3: Der HipHop Shop war einfach ein Klamottenladen in Detroit von Maurice Malone, wo jeder hinging. Man konnte sich einfach darauf verlassen, dass, wenn man dort öfter rumhing, auch irgendwann gewisse Leute auftauchten. Wie z.B. Eminem, Royce the 5´9, Slum Village, einfach jeder. In Grunde genommen war es also ein Klamottenladen in Detroit, in dem alle Rapper abhingen. Aber an Samstagen gab es dort eben auch immer eine Open Mic Session. Das war halt der Ort in Detroit wo man hinging, wenn man Rapper war oder andere Rapper treffen wollte. Dort trafen Baatin und ich auch auf Elzhi. rap.de: Gab es denn ansonsten keinen Club oder so, wo auch HipHop-Veranstaltungen liefen?
T3: Es gab nicht viel Anderes. Du musst wissen, dass Detroit nicht so groß ist in Sachen HipHop. Speziell nicht in der Form, die wir machen. Ansonsten ist Detroit musikalisch sehr verschiedenartig. Es gibt die Techno-, Houseszene, wir haben den Motown Sound, Rock City. Musik ist da, aber das heißt nicht gleichzeitig, dass in der Stadt so viel geht. Da ist viel wieder aufzubauen. Viele Strukturen sind bereits Jahre alt und müssen erst wieder zu neuem Leben erweckt werden, bevor es weitergehen kann. Man kann auf jeden Fall sagen, dass Detroit eine Menge mit der heutigen Neo-Soul-Szene zu tun hat. Die Leute denken immer zuerst an Philly, aber Detroit sollte genausoviel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, schließlich hat Jay Dee eine Menge dafür getan. Er hat viele der Neo-Soul-Artists produziert, auch die, die aus Philly kommen.
rap.de: Mir scheint es so, als wenn Detroit ziemlich unbeeindruckt war von der ganzen Eastcoast-Westcoast-Geschichte, die vor einigen Jahren die HipHopszene beschäftigte. Der Sound in Detroit hört sich einfach ganz anders an. Was macht diesen Unterschied aus, warum ist der Sound so anders als in New York oder L.A.?
T3: Das Motto ist: Man muss vielseitig bleiben. Wie du schon richtig sagtest, die ganzen „Küsten“ bleiben oft an einem Sound hängen, und dann klingen alle danach. So hört man zum Beispiel an der Westcoast sehr oft diese „Claps“, die fast alle in ihren Songs haben. Aber wenn du Musik hörst, die aus Detroit kommt, fällt es dir schwer, das zuzuordnen. Hier kommen so viele verschiedene Einflüsse zusammen, jeder hat seinen eigenen Sound. Eminem hört sich anders an als Slum Village, Royce hört sich wiederum anders an als wir, und alle klingen nicht so wie MC Breed. Jeder hat seine eigene kleine Welt in Detroit.
rap.de: In welcher Art und Weise haben Slum Village andere Künstler beeinflusst?
T3: Also, was uns die Leute erzählt haben, als wir rauskamen, war, dass es zu der Zeit einfach etwas Frisches, Neues war. ?uestlove von den Roots erzählte uns, dass HipHop seiner Meinung nach zu gesättigt klingt und er nicht weiß, wo das hinführen soll. Und zu dieser Zeit, als wir mit Vol.1 rauskamen, war es etwas Frisches, was die Leute zum Nachdenken anregte. Es zeigte ihnen mal wieder einen neuen Weg, mit HipHop umzugehen, neue Wege auszuprobieren.
rap.de: Ihr seid ja in der Vergangenheit leider ziemlich oft Opfer von Bootlegs geworden. Wie denkt ihr heute darüber?
T3: Bootlegging! Ja, wir waren stark davon betroffen. Aber das hatte auch ein Gutes. Wenn wir eine Show hatten, kannten alle Leute unsere Tracks. Das war O.K., denn zu dieser Zeit waren wir froh, dass die Leute uns überhaupt kannten und wir so viele Shows spielen konnten. Ich meine, das passierte alles, ohne dass wir auch nur ein Album offiziell auf dem Markt hatten! So gesehen war das für uns ein großer Erfolg.
rap.de: Was denkt ihr eigentlich über das Verbot des Videos zu dem Track “Give the peeps what they need“ auf MTV. Die wollten das nicht spielen, weil P.E. für die Freilassung von Mumia und H. Rapp Brown stimmen. Wie weit sollte Zensur heutzutage gehen?
Baatin: MTV lebt ja eigentlich von und mit kontroversen Geschichten. Aber politisch gesehen konnten sie da nicht drüberstehen. Eigentlich ist es so, je kontroverser du bist, desto mehr Airplay bekommst du auf MTV. Darauf stürzen sie sich. Aber wenn es politisch wird, wie bei Public Enemy, kontrovers oder nicht, dann kann es MTV nicht mehr unterstützen. Das ist wahrscheinlich einer der Gründe dafür.
T3: Ich glaube, es ist so: P.E. ist bekannt dafür, politische Aspekte zu bringen und Leute damit direkt zu konfrontieren. Und es ist eben so, dass jeder seine eigene Sache hat, für die er einsteht. Für P.E. ist es Politik, für Slum Village ist es, musikalische Grenzen zu pushen. Neue innovative Musik zu kreieren. Dafür stehen Slum Village. Wir sind keine politischen MCs. Nicht, dass uns nicht interessiert, was um uns herum passiert, aber es ist eben nicht unsrer Fokus. Politik ist nicht der Grund, warum ich Musik mache. Ich möchte dich dazu verleiten, neu zu fühlen, dich in eine andere Welt führen, die du bisher noch nicht erforscht hast. Mehr Power to P.E., aber wir machen halt etwas Anderes.
rap.de: Wie seht ihr die politische Situation, in der sich die USA momentan befindet. Haben die Leute ihr Bewusstsein gegenüber dem Irak verändert, und sind auch Musiker wie ihr davon beeinflusst? Wenn ja, in welcher Form?
T3: Wenn unser Land in den Krieg zieht, ist sicherlich jeder davon betroffen. Das wird eine interessante Situation werden, aber ich hoffe wirklich, dass es nicht zum großen Knall kommt. Allerdings muss man schon sagen, dass es einfach jeden treffen könnte. Den 11. September hat auch niemand erwartet, aber es ist passiert. Die Sicherheit wurde zwar erhöht, aber man kann es letztendlich weder wissen noch verhindern, wo als nächstes was passieren wird. Ich versuche nur, positiv zu denken und mein eigenes Leben zu leben. Jeder tut eben das Beste, was er kann.
rap.de: Vielen Dank für das Gespräch!