Kapitalismus – Apokalypse – Postapokalypse – Kannibalismus. Das ist zwar keine chronologisch korrekte Anordnung von Releases aus dem Hause Hiob & Morlockk Dilemma, könnte aber durchaus den Handlungsstrang einer dystopischen Novelle oder eines Endzeitfilms darstellen. Releases des Berliner Duos liegen hier trotzdem vor. In korrekter Reihenfolge: „Apokalypse Jetzt“, „Postapokalypse Jetzt“ „Kapitalismus Jetzt“ und „Kannibalismus jetzt“. Zweit- und letztgenannte sind Remix-Versionen ihrer Vorgänger. „Kapitalismus jetzt“ erschien Anfang letzten Jahres und erhält nun mit „Kannibalismus Jetzt“ einen Neuanstrich – oder doch nur einen lauen Aufguss?
„Kapitalismus Jetzt“ war ein hervorragendes Album. Eine breit gefächerte Themenwahl, die stets dem Leitmotiv, unsere hedonistische Gesellschaft in ihrer Doppelmoral zu entlarven, folgte. All das auf derart intelligent-zynische, eloquente und reflektierte Art und Weise, dass das Album auch ohne die beeindruckenden Rapskills der beiden ein sehr gutes Werk geworden wäre. Durch die technische Versiertheit, die treffende Wortwahl und die abwechslungsreichen Flow-Abfahrten wurde „Kapitalismus Jetzt“ eben noch besser. Die Instrumentale des Originals muteten fast ausnahmslos sehr futuristisch an. Abstrakte Synthie-Samples gestalten das Soundbild durchaus anstrengend, aber in keinster Weise schlecht. Nur für das entspannte Bier zum Feierabend ist das eben keine geeignete Untermalung. „Kannibalismus jetzt“ passt da schon besser.
Statt erneut nur sich selbst hinter die Drummachine zu schwingen, wurde eine illustre Produzentenrunde, bestehend aus Dexter, Suff Daddy, Brenk Sinatra und MecsTreem zusammen getrommelt. Mit vereinter Kraft wurde für 12 der 19 Anspielstationen ein neues Beat-Gewand geschneidert, das ihnen gut zu Gesicht steht. Statt SciFi-Synthies ziehen sich Jazz-, Funk-, Swing- und Bluessamples durch „Kannibalismus jetzt„. Daneben stehen die typischen Morlockko Plus und Hieronymuz– (so die Beatbastler-Pseudonyme der beiden) Produktionen, die gespickt mit melodischen Synthies und organischen Drums an vorhergegange Releases der beiden erinnern. So klingt das Album weit entspannter und gefälliger, ohne an Charme oder Atmosphäre einzubüßen. Die einzelnen Songs muten weit weniger verbittert und extravagant als ihre großen Brüder an, nach dem Durchhören bleibt aber das Gefühl ein rundes und stimmiges Album gehört zu haben.
Mit drei neuen Songs gibt es außerdem ein weiteres Schmankerl. „Kapitalismus Jetzt“ warf nicht unbedingt mit Feature-Gästen um sich, das Remix-Album geizt an dieser Stelle weniger und holt mit der Neuerscheinung „Die Drinks auf euch“ Karate Andi an Bord, der in gewohnt ignoranter Billigbier-Manier eine gute Figur macht, sich mit seinem lupenreinen Battlepart aber nicht so recht ins Gesamtbild einfügen will. „Ein Hit ist genug“ mit den Bestesten-Kollegen Audio88 und Yassin, beschreibt das Scheitern der Boyband am Höhepunkt ihrer Karriere. Drogen, Gier, Eitelkeit und Größenwahn sorgten aber für Zwietracht beim erfolgreichen Quartett – und so muss der eine Hit („Ein Job für die Bestesten„) wohl reichen. Paradox. Dieser ebenfalls exklusive Song passt, wie auch das ebenfalls neue „Primea Noctis„, weit besser in Konzept und Spannungsbogen und stellt so eine Art Sahnehäubchen dar.
Während „Postapokalypse jetzt“ dem düsteren original-Album in Sachen Weirdness eine ordentliche Schippe drauflegte und experimenteller und chaotischer klang, wird es bei „Kannibalismus jetzt“ genau andersherum gemacht. Gefälliger, vertrauter und bodenständiger als „Kapitalismus jetzt“ klingt der neue Longplayer. Es wäre lediglich schön gewesen, wenn wirklich alle Songs einen Remix erhalten hätten. Dennoch eine sinnvolle und gelungene Alternative zum sehr intensiven Original – keinen schwachen Versuch, noch etwas mehr Kohle aus hartgesottenen Fans zu pressen, die ohnehin alles kaufen. Einfach leichtere Kost, sollte man das Festmahl von letztem Jahr noch nicht verdaut – oder sich daran einfach schon satt gegessen haben.