Massive Shoutouts wirken zuweilen sowohl als Fluch und Segen. So scheiterten in der Vergangenheit diverse Talente an der Last der internen und externen Erwartungen. Als publik wurde, dass Yung Cobain und Yung Smali von Falk Schacht indirekt als Hoffnungsträger der Deutschrapszene betitelt wurden, spitzte der ein oder andere Szenekenner argwöhnisch die Ohren. Die Songs „Totkiffen“ und „Karo Design“ überzeugten Falk so sehr, dass er statuierte, dass es sich dabei um das „Fresheste und Niceste in ganz Deutschland“ handle. Soviel zur jüngeren Vorgeschichte von „Maniac“.
Wer jetzt befürchtet, dass die steigenden Erwartungen bei Yung Cobains neuem Tape zu einer verkopften Enttäuschung führen, wird glücklicherweise enttäuscht. Cobain bestätigt weitestgehend die Stärken, welche er bereits bei seinen alten Releases angedeutet hatte. Weshalb Cobain trotzdem noch ein Stück Arbeit vor sich hat, um erstligareifen Rap zu liefern, erfährst du in dieser Review.
Der Wahnsinn ist Programm
Auf „Maniac“ widmet sich Cobain dem typischen Style, der sich zwischen übersteuerten Bassdrums, Synthies und ballernde Flowpassagen bewegt. Diese Kombination garniert er liebevoll mit raptechnischem Wahnsinn: Yung Cobain glänzt mittels wahnwitzige Flowpassagen und einer variantenreichen Stimme, die nur so vor Power strotzt. Zudem überzeugen die Hooks des dirtySpaceGang-Kapitäns auf den Instrumentals von Bobby San.
Passgenaue Wertarbeit
Mit 80 Prozent der Beats wurde ein Großteil der Tracks von San, welcher aus dem 102 Boyz-Umfeld stammt, produziert. Beim ersten Durchlauf wird bereits klar, dass San und Cobain ein harmonisches Duo bilden. Die blechernen, klirrenden und schmetternden Trap-Instrumentals wirken als Katalysator für Cobains Rapstyle.
Niemals wie Nas
Nasir Jones gilt als einer der begnadetsten Rapper aller Zeiten. Über seinen Flow, seine Delivery und seine besonderen lyrischen Fähigkeiten gibt es keine zwei Meinungen. Jedoch wurde Nas seit seinen frühesten Releases damit konfrontiert, dass seine Beatauswahl nicht immer die glücklichste war. Diesen Fehler begeht Cobain nicht. Die Beats stellen eines der Prunkstücke von „Maniac“ dar. Auch wenn der Mix noch ausbaufähig ist, überzeugt das Soundgerüst.
Sonisches Sperrfeuer und lyrischer Leerlauf
Während Cobains variabler Stimmeinsatz und sein exquisiter Flow den Hörer berauschen, ernüchtern die lahmen Lyrics. Klar, Cobain setzt ähnlich wie seine Vorbilder aus den Staaten andere Prioritäten. Er nimmt bewusst kilometerweit entfernt vom tieflyrischen Songwriter Stellung. Er zielt auf das Moshpit und badet im Chaos. Dabei dienen die berstenden Emotionen, welche er in jugendlichen Frust und aggressiver Arroganz taucht, als Munition. Leider opfert er im Zuge dessen seinen Wortwitz und setzt mittels der Eindimensionalität der Lyrics einen Minuspunkt hinter den Entertainment-Faktor von „Maniac“.
Mut zur Lücke
Dabei deutet Cobain auf Tracks wie „Glock“ und „Galgen“ seinen Humor und Talent für asoziale Punchlines an. Zu weiteren Höhepunkten von „Maniac“ zählen „Myth“, „Tote im Moshpit“ und „Katana“. Hier beweist Cobain sein Gefühl für Hooks, die trotz wörtlicher Redundanz nicht an Charme verlieren.
Schlussendlich wirkt „Maniac“ als logische Konsequenz des aufkommenden Hypes um das dirtySpaceGang-Member. Seine Musik birgt die Possibilität, als wirkungsvolle Mixtur aus Eingängigkeit und spielerischer und harter Durchschlagskraft zu begeistern. Falls ihm das gelingt und er an der Lyrik schraubt, könnte er in der deutschen Musiklandschaft künftig eine Lücke schließen. Die nächsten Monate werden zeigen, ob Cobain das Livepotential seiner Musik auf den Bühnen dieses Landes bringen und auf Albumlänge überzeugen kann.