Eigentlich muss man niemandem mehr erklären, wer Haiyti ist. Kurzum: Sie ist Trap-Pionierin mit ihrem ganz eigenen Stil, dessen Flair man am besten mit abgefuckter Frisur, in scheinbar wahllos zusammengeworfenem Outfit und auf Drogen in einem leicht ranzigen, aber auf verstörende Weise sehr stilvollen Club einfängt.
Selbst wenn man bisher noch auf keine Soloprojekte der Hamburgerin gestoßen ist, hat man sie spätestens als Featuregast bei LGoony, KitschKrieg, Frauenarzt, YSL Know Plug oder – recht subgenrefremd – auf Coups „Der Holland Job“ mitgekriegt. Innerhalb des letzten Jahres hat Haiyti sechs Releases rausgehauen: Auf „City Tarif“, „Toxic“, „Nightliner“ und „Jango“ folgten innerhalb von zwei Wochen „White Girl Mit Luger“ und „Follow Mich Nicht“.
Meine langfristige Liebschaft mit Haiytis Musik hat mit der „Toxic“ EP, die in Zusammenarbeit mit KitschKrieg entstanden ist, begonnen. Es ist also nicht mal ein Jahr her, dass ich die Hamburgerin wirklich auf dem Schirm habe. Okay, klar hat jeder, der sich in diesem Kosmos rumtreibt, Monate davor auch schon „City Tarif“ gehört, aber damals war ich weit davon entfernt, ihren Stil zu verstehen.
Haiyti aka Robbery – City Tarif (prod. Asadjohn) [Video]
Trap ist keine reine Männersache: Haiyti aka Robbery bestätigt das eindrucksvoll und veröffentlicht mit „City Tarif“ ein weiteres Video aus ihrem gleichnamigen Mixtape, das in Kürze erscheinen soll. Produziert wurde der Track von Asadjohn. Auf einem trippy Instrumental erzählt die Hamburgerin in gewohnt individuellem Stil vom Großstadtleben in der Hansestadt. Hayiti aka Robbery konnte im […]
Jetzt macht Haiyti also den Future-Move und ballert ihre Kreativität in kürzesten Abständen raus. Mein heißgeliebter Gangsterbraut-Rap bleibt bestehen. Sie treibt sich mit ihrer Squad in Clubs, zwielichtigen Gassen und an Tankstellen rum, wobei eine kleine Prise Heroin Chic und eine mehr als gesunde Prise Pathos für ein großes Maß an Originalität sorgen.
Die Art Pathos hat sich im Vergleich zu meinem Herzblatt „Toxic“ aber ziemlich stark geändert. Abgrundtiefen Schmerz wie in „Träne“ oder verquere menschliche Beziehungen wie in „Zeitboy“ wird man in den neueren Releases nicht finden. Nicht dass das schlecht wäre. Ich habe aber einige Leute sagen hören, sie können sich Haiyti wegen ihrer Stimme nicht geben. Dabei passt sie so perfekt zum Klagen, zum Gefühl von Verlorensein, zum gepflegten Abfuck! Jetzt wird mehr auf Representer gesetzt, die das Pathos in die Schilderung der Intensität ihres Lebensstils setzen. Ja, ich weiß: Passiert nicht zum ersten Mal, ergo wenig überraschend.
Beide Herangehensweisen haben ihren eigenen Charme, wobei gefühlvolle, träumerische Tracks mir bei den jüngsten beiden Releases eher aufgefallen sind. Das grandiose Ende von „White Girl Mit Luger“ – „Money Rain“ – hat mich sehr gecatcht. Der Titel suggeriert zwar eine Ode an das Geld, aber ein schwärmerisches Liebeslied hat sich zwischen die materialistischen Zeilen geschlängelt. Sowas zeigt eindeutig, dass Haiyti etwas Exotisches im Rapgame darstellt – Sie geht facettenreich mit ihrer Musik um und schafft es, mit Kontrasten zu spielen, ohne dass es unangenehm offensichtlich wird.
Ein weiteres Highlight ist für mich „Die mit dem Wolf tanzt“ aus „Follow Mich Nicht“. Märchen und eine Menge Phantasie werden auf einem Trapbeat vereint: „Wir schlafen in Höhlen als wären wir Drachen. Ich bleib in der Wildnis, ich will nicht aufwachen“. Nie und nimmer hätte ich gedacht, dass sowas funktionieren könnte, ohne dass man peinlich betreten auf den Boden gucken muss. Im Grunde macht diesen Track vor allem aus, dass er es schafft, einen mental in einen nächtlichen, magischen Wald mitzunehmen, dabei nicht den Trap-Vibe zu verlieren und auch nicht Ironie als Allzweck-Schutzschild vor sich zu halten.
Bevor das Tape erschien, gab’s mit dem Video zu „Moscow Mule“ schon einen kleinen Einblick. Ich habe mich sofort verliebt. In alles an diesem Track. Auch Buraks Part passt perfekt. (Kleiner Exkurs: Was Features angeht, beweist Haiyti sowieso ein gutes Gespür für bisher nicht allzu bekannte Künstler, die aber definitiv was drauf haben. So steuern auch etwa Kkuba102 und Greeny Tortellini ihre Zeilen zu „Follow Mich Nicht“ bei.)
Vor allem fällt bei „Moscow Mule“ aber der Beat auf: Gefühlt seit immer schon war AsadJohn Haiytis treuer Begleiter, was Beatbastlerei betrifft. Nach so häufiger Zusammenarbeit scheinen die beiden sich schon in und auswendig zu kennen, denn seine Beats scheinen ihr auf den Leib geschneidert zu sein, wie auch andere sehr livetaugliche Banger wie „Läufer“ oder „Nightliner“ beweisen.
Im Grunde lässt sich sagen, dass sich die beiden Tapes herzlich wenig voneinander abheben, das der ganzen Sache aber überhaupt keinen Abbruch tut. Für mich sind es zwei stabile Haiyti-Releases, die eher auf Banger und Representer setzen als auf das von mir geliebte, übertriebene Pathos. Ich hätte mir zwar ein bisschen mehr davon gewünscht, aber die Highlights, die ich explizit erwähnt habe, sind wirklich mehr als nur ein Ersatz für dieses Gefühl.
Auch mit diesen Tapes schafft Haiyti es, eine düstere Parallelwelt mit Neonlichtern in meinen Kopf zu pflanzen. Ihr gelingt es so gut wie beinahe keinem anderen Rapper, Emotionen und Szenarien in den Köpfen ihrer Zuhörer entstehen zu lassen. Auch wenn die Hauptthemen und der Flair sich nicht großartig wandeln, bringt Haiyti immer wieder neue, originelle Ansätze in ihre Musik, die ihr weiterhin eine Ausnahmestellung im Deutschrap sichern.