Kraftklub – Mit K

So mancher User stellt sich jetzt sicher die unvermeidliche Frage: Was haben diese Rockstars auf einer Rap-Seite zu suchen? Die Jungs von Kraftklub selbst sind, wie sie im rap.de-Interview erzählten, auch jedes Mal überrascht, wie gut ihr Sound bei Teilen der HipHop-Gemeinde ankommt. Die Mischung aus harten Gitarrenriffs und gerappten Texten sowie einer grandiosen Live-Performance scheint eben auch so manchen Raphörer zu überzeugen.
 
Da sie, wie sie im gleichnamigen Live-Hit verkünden, „Zu Jung“ für Rock’n’Roll sind, bieten die Chemnitzer, Entschuldigung: Karl-Marx-Städter neben eingängigen Gitarrenriffs und mitreißendem Indiesound auch rotzige Frontaltexte. Frontmann Felix hat bereits früher als Bernd Bass aka Bass Boi einschlägige Erfahrungen als MC gesammelt, bevor er sich 2010 mit der ehemaligen Schülerrockband Neonblocks zusammentat. Ein Erfolgsrezept, welches bereits bei einem splash!-Auftritt sowie auf Touren mit den Beatsteaks, Fettes Brot und Casper erprobt wurde.

Um die Genrefrage an dieser Stelle ein für allemal zu klären: Im Großen und Ganzen ist der Sound von Kraftklub Mädchenmusik für Jungs. Nein, Quatsch, Jungsmusik für Mädchen, natürlich. Oder vielleicht doch eher Sex auf Deutsch? In welche Genre-Schublade man die fünf gutaussehenden Jungs auch steckt, ist letztlich nebensächlich. Fakt ist, dass die Karl-Marx-Städter schon vor dem Erscheinen ihres Debüts den deutschen Musikmarkt ordentlich aufgemischt haben.

Die entscheidende Frage lautet also nicht, wieviel HipHop nun tatsächlich in „Mit K“ steckt, sondern was das Album so kann. Bereits mit dem Eröffnungstrack „Eure Mädchen“ zeigen Kraftklub die ganze Bandbreite ihrer Stärken und stellen klar, dass sie „nicht so sind wie andere Jungs“. Der melodische Song geht flott nach vorne und gewährt einen unterhaltsamen Einblick in das Tourleben mit einigen ironischen Anspielungen auf allgemein bekannte Rockstarallüren.

Ich will nicht nach Berlin„, auch das hat Felix in Namen der Band bereits im Interview mit rap.de klargestellt. Trotz Studioaufnahmen in Berlin und der Tatsache, dass viele ihrer Freunde hier wohnen, widerstehen die fünf Chemnitzer bisher der immensen Anziehungskraft der Hauptstadt. Im bereits seit längerem als Video bekannten Song wird die Prenzlhainer Wahlbevölkerung treffend aufs Korn genommen, ohne dabei entweder gleich mit der Gentrifizierungskeule zu kommen oder in Berlin-Hass zu verfallen. Das Gegenstück dazu bildet „Karl-Marx-Stadt“ eine Hymne des Lokalpatriotismus, wobei sie die „hässlichste Stadt der Welt“ mit typisch sächsischer Selbstironie beschreiben und sich witzig mit den leidigen Ost-Klischees auseinander setzen.

Herzschmerz zum Mitgröhlen bietet der Song „Liebe„, der von den ungewollten Nachwehen einer gescheiterten Liebe handelt. Wer hat noch nie das Facebookprofil einer verflossenen Liebe durchstöbert, um kurz darauf wieder ihre Nummer zu wählen und abrupt auzuflegen, bevor sie rangehen konnte? Er trete jetzt vor oder schweige für immer. Wer diese Situation jedoch bestens kennt, kann jedenfalls in Zukunft mit Hilfe dieses Tracks auch ohne peinliche Aktionen seinem gekränkten Stolz Luft machen. Wie die meisten anderen Anspielstationen geht auch dieser Song ein hohes Tempo.

Es gibt ohnehin nahezu keine Stelle auf „Mit K„, wo nix los ist. Das liegt wohl daran, dass die meisten Songs Livetracks sind, die für die Bühne geschrieben  und erst später im Studio eingespielt wurden. Falls manchem Hörer bei so viel Krawall und Aktion doch mal die Puste ausgehen sollte, findet man zwischen all den schlagkräftigen Songs, die voll auf die Zwölf geben, auch eine ruhigere Ausnahme. Man könnt anfangs sogar fast befürchten, es handele sich tatsächlich um einen schnulzigen, herzzerreißenden Lovesong. Doch dann kommt Gitarrist und zweiter Sänger Karl und macht uns einen gehörigen Strich durch die Rechnung: Er weigerte sich, einen solchen Schnulzensong einzusingen, weshalb kurzerhand die Hook geändert wird und somit „Kein Liebeslied“ daraus wird. 

Ab April 2012, wenn die Band wieder auf Tour durch den deutschsprachigen Raum geht, kann jeder, der immer noch nicht überzeugt ist, sich von den Qualitäten von Kraftklub überzeugen. Doch bis der Frühling kommt, ist noch etwas Zeit. Bis dahin könnt ihr „zwischen Späti, Bier und Neonlicht“ mit „Mit K“ die aufkommende Winterdepression bekämpfen – obwohl, ein bisschen „Melancholie“ ist manchmal auch okay, denn, wie die Klubberer so treffend bemerken: „Glückliche Menschen sind nicht interessant“.

Auch wenn Kraftklub nicht das Paradebeispiel für einen klassischen Rapact sein mögen –  frischen Wind bringen sie mit ihrem Crossoversound allemal, in die Rap-Szene wie in deutsche Tanzstuben und Schlafzimmer. Und das darf man dann auch mal getrost gut so finden.