Unweigerlich beginnt jede Review eines Kay One Albums mit den Worten: „Kay One kann rappen, das kann man nicht bestreiten.“ Was er uns mit seinem neuen Streich sagen will? Keine Ahnung. Sein letztes Album „Jung genug um drauf zu scheißen“ zeigte auch, dass er Potenzial hat – dieses aber verschwendet. Und zwar mit kitschigen oder viel zu sehr von sich selbst überzeugten Lyrics ohne Humor oder besonders charismatisches Auftreten. Hätte er sich die letzte rap.de-Review mal lieber zu Herzen genommen, denn eine Weiterentwicklung ist nicht wirklich zu erkennen. Kay bleibt leider eindimensional, cheesy und anstrengend.
Wer ist dieser „Junge von damals“ nun? Die Frage stellt sich seit Bekanntgabe des Albumtitels des Öfteren. Was nun klar ist: Er will zeigen, dass er mehr ist, als sein aktuell von ihm gezeichnetes kitschiges Kuschelrap-Image. Demnach bringt er Raplines auf Beats, die ganz nach Berlins Most Wanted-Zeiten klingen. Ist das „der Junge von damals“? Mit beispielsweise der Zeile „für mich bedeutet kuscheln ficken“ bekommt seine Schmuseimage, für das vielleicht teilweise mehr das Drumherum, als sein Rap selbst, verantwortlich war, ja direkt eine neue Bedeutung. Auf dem Album macht er sich übrigens über „Lookalikes“ lustig. Ganz schön gewagt für jemanden, der mindestens 2 Shindy-Verschnitte in seinem Snippet-Video hat, zumal die Ära der Kay-Lookalikes (wie Shindy übrigens selbst mal einer war) ohnehin lange vorüber ist.
Mit Lines wie „da vorne ist der Kiosk, Junge/ ab heut‘ bist du ein Kioskjunge“ auf dem Einstiegstrack „Paff Paff Pass“ wirkt das Ganze jedenfalls lyrisch wenig anspruchsvoll. Ein Fortschritt in Bezug zu seinen vorherigen Texten ist da auf jeden Fall nicht zu erkennen. Aber vielleicht liegt ihm das einfach. Natürlich rappt er souverän, aber das sollte man von jemandem, der schon so lange im Rapgame aktiv ist, auch erwarten können. Stagnation was seine eher langweiligen Lyrics angeht ist allerdings auch eher als Rückschritt zu betrachten.
Auf „Baller“ kommt dann alter BMW-Flair auf. Kay rappt hier ähnlich wie damals zusammen mit Bushido und Fler, nur mit etwas höherer Stimme. Manuellsen gibt als Featuregast Verstärkung. Man könnte fast behaupten, dass Kay One neben ihm auf diesem Track glänzt, da dieser immerhin interessant und druckvoll flowt. Aber damit ist er trotzdem nur das geringere Übel. Teilweise weiß man lyrisch gar nicht so richtig, was Tracktitel, Hook und Parts miteinander zu tun haben. Das hat Kay anscheinend auch selbst bemerkt und sagt in „Mile High Club“: „Man, ich weiß selber nicht, was die erste Strophe mit der Hook zu tun hat“. Hast versucht, das zu retten, Kay? Und auch hier wieder: Was ist das für ein Instrumental?
„Shake That“ versucht dann scheinbar krampfhaft ein Ami-„Club-Hit“ aus 2007 auf Deutsch zu sein. Auch der Beat klingt, wie ebenso viele andere auf dem Album, als würde er mindestens 9 Jahre hinterher hängen. Man kann zwar auch heute freshen Sound machen, der schon vor Jahren aktuell war, aber Kay One trifft damit nicht ins Schwarze. Auch seine Sänger treffen das eher nicht. Fünf Mal dieselbe Sängerin, Michelle Mendes, vertreten zu haben, sorgt hier nämlich auch nicht für Abwechslung.
Vielseitig zeigen sich aber Kay Ones lyrische Ichs: Er ist nicht nur „der Junge von damals“, sondern auch „der von GTA – nur in Reallife“, der reiche „Dagobert Duck“ und der von seiner großen Liebe Verlassene. Aber gerade diese vermeintliche Vielseitigkeit bringt Widersprüche in seine schizophrenen Lyrics. Er kann ja in verschiedene Rollen schlüpfen, aber mit einem Titel wie „der Junge von damals“ erwartet man ja schon eher ein Konzeptalbum. „Früher konnt ich Cote d’Azur nicht mal buchstabier’n/Heut‘ steht der 458er geparkt vor der Tür“. Kay kann also plötzlich Geld haben und trotzdem der gleiche sein wie früher, oder wie jetzt?
„Der Junge von damals“ vielleicht auch, weil er wieder „Lederjacke“ trägt und Leute mit „komm im Designer-Hemd, gestylter arroganter Sack“ oder „neureicher Wichser“ beleidigt. Aber vielleicht meint er damit ja sein Ich aus der Vergangenheit und ist somit deeper als man annehmen mag? Dann kommen aber Lines wie „ich geh die Woche drei Mal Sonnenbank“ und widerlegen diese These noch schneller, als das Michelle Mendes‘ Stimme auf dem Album wiederkehrt.
Immer wieder tauchen nachdenkliche Sprüche auf, die er aus den letzten Jahren seiner Facebook-Aktivität gesammelt haben könnte. „Ich hab‘ Gedanken über die Welt und dacht‘ mir: schreib sie einfach auf“. Gedanken, die jemand wie Kay One lieber nicht haben sollte, wenn man sich den Track „Das Öl wurde zu Blut“ angehört hat. Wer das Video-Thumbnail (Kay One sitzend mit Handy in der Hand und 1000 Kerzen um sich) schon schlimm fand und sich deswegen den Track nicht angehört hat, hat damit nur ein weiteren pseudodeepen Möchtegernpolitrap-Track verpasst. Sprich: nichts verpasst. Ich weiß auch nicht was jemand, der sich an RTL2 verkauft hat, über die böse, böse Welt zu erzählen hat. Der Track hilft einem auch nicht weiter, da er sehr durcheinander und zusammengewürfelt wirkt. Garniert wird das Ganze mit ein paar Verschwörungs-Lines.
Das Problem, was das Album – mal wieder – hat, sind zum einen die Tracks, die allein mit Kays Parts schon cheesy sind und durch den deutschen Gesang nicht besser werden. Zum anderen seine Lines, die zum Großteil wenig durchdacht wirken. Aber das ist trotzdem kein Grund, Kay One das rappen zu verbieten, da er diese Disziplin rein technisch eben beherrscht. Im Endeffekt tauchen aber dieselben Elemente wie in seinem letzten Album auf – und damit auch dieselben Probleme. Ein Kay One sollte vielleicht auch kein Album mit 18-21 Tracks machen. Oft ist weniger eben mehr und vielleicht gebe es dann mehr Tracks, die durchdachter und treffsicherer sind, statt dass Kay sein Potenzial verschenkt.