Mit Gitarre und schöner Singstimme bewaffnet wandelt das Trailerpark-Mitglied Alligatoah ab sofort wieder auf Solopfaden. „Triebwerke“ ist bereits sein drittes Soloalbum. Und auch wenn die Kollegen Basti, Sudden und Timi nicht dabei sind, zeigt der Berliner, dass er auch (weitgehend) ohne die anderen Crackstreet Boys die perfekte Mischung aus zuckerweichen Sound und bitterbösen Humor auf Platte bringen kann.
Doch von vorne: Wie es sich gehört, stellt sich Alligatoah im Opener erst mal selber vor. Ein junger Mann, der von der Hochphase bis zum tiefen Fall in knapp 2:40 Minuten kommt und dabei schon die Richtung für die kommenden 47 Minuten vorgibt. Soundtechnisch ist das Ganze eine Mischung aus Akustiksound und Dubstep-Gewummer, der ab und an von sägenden E-Gitarren und Flöten garniert wird. Textlich ist sich Alligatoah treu geblieben. Es wird auf alles geschossen, was sich unterhalb der Gürtellinie befindet, dabei aber so unverschämt charmant, dass niemand dem begabten jungen Mann dafür böse sein kann.
Die Absurdität, die schon auf dem frisch indizierten „Crackstreet Boys II“ eine gewisse Rolle spielte, wurde auf „Triebwerke“ noch mal gesteigert und lässt dem zartbesaiteten Hörer das ein oder andere Mal das Lachen im Halse stecken. Wer sich jedoch auf den Singvogel Alligatoah einläßt, der bekommt ein soundtechnisch und thematisch vielseitiges Album rund um Themen wie krankhafte Eifersucht, gemeinsames Drogennehmen mit der Partnerin oder Prostitution, das durch Doppeldeutigkeit glänzt und trotz harter Inhalte stets zuckersüß vorgetragen ist. Etwa wie ein von Schokolade ummantelter Klostein. Wenn Alligatoah mit seiner einprägsamen, samtweichen Singstimme etwa auf „Willst du“ singt: „Komm wir gehen zusammen den Bach runter/ denn ein Wrack ist ein Ort/ an dem ein Schatz schlummert„, dann überhört ein oberflächlicher Hörer den bitterbösen Text wegen des wolkengleich luftigen Soundbilds. Die absichtlich auf Schlagerart geschmetterten Hooks sind das i-Tüpfelchen. Wolf im Schafspelz.
Doch auch wenn die Trailerpark-Boys nicht alle dabei sind: Alligatoah ist nicht ganz alleine auf „Triebwerke“. Der Rapper hat sich noch ein paar Kollegen eingeladen, die sowohl soundtechnisch als auch vom schwarzen Humorher perfekt zu ihm passen. Den Anfang machen Shneezin von den 257ers und Trailerpark-Kollege Timi Hendrix, die auf „Wunderschöne Frau“ zusammen mit Alligatoah ihre weibliche Seite entdecken.
„Ist es der eiserne Arm oder der 3-Tage Bart oder mein kleiner Pirat? Ich geb ’nen Scheiß was ihr sagt. Ich sehe ungewöhnlich aus, doch ich bin eine wunderschöne Frau.„.
Battleboi Basti beweist bei „Rabenväter“ einmal mehr, dass er abseits von Battletracks und kindischen Grundschultexten, richtig gut rappen kann und das alles ohne nervigen Stimmwechsel oder pubertäre Fäkalwitze. Anspruchsvoll und lustig, so überzeugt Basti hier auch seine Kritiker. Außerdem konnte Alligatoah auch Prinz Pi zu einer Zusammenarbeit bewegeni, der Berliner zerpflückt mit ihm zusammen den Track „Erntedank„.
„Deine Achterbahn ist abgefahr’n, ich muss zum Riesenrad/ Es gibt so viel bunte Fahrgeschäfte in dieser Stadt/ Das Leben ist ein Autoscooter – Man bumst so rum/ Und eckt halt an, dann steigt man aus/ Stichwort: Billy Boy, stell dir doch einfach vor/ Das Büro hier wär oval und läg im Weißen Haus„
Mit „Triebwerke „legt Alligatoah erneut ein extrem unterhaltsames, humorvolles Album ab, das besonders durch seinen Sound überrascht und überzeugt. Der Rapper und Sänger ist unglaublich vielseitig und fühlt sich sowohl auf schrammeligen E-Gitarren als auch auf wabernden Elektrobeats oder ruhigen Klängen sowie verrückten Zirkussounds wohl. So schön kann Provokation klingen. Damit ist Alligatoah das bisher beste Werk aus dem Hause Trailerpark gelungen. Chapeau.