Als es mit dem Titelsong den ersten Vorgeschmack auf „Achter Tag“ gab, fiel mir alles aus der Fresse. Genau mein Sound! Die perfekt eingefangene Wu-Tang-Ästhetik, die scheppernden West Coast-Drums, das herrlich bedrohliche Sample, die adaptierten und doch eigen eingesetzten Flowpattern, die an eine Mischung aus Pariser Vororten und rotzig-slicker Atlanta-Schwerelosigkeit erinnern. Die Genetik(k) des Songs stimmt von vorne bis hinten. „Dago“ konnte das unfassbare Niveau nicht ganz halten, bediente sich etwas unverhohlener andernorts – überzeugte aber immer noch auf ganzer Linie. Meine Vorfreude war kaum in Worte zu fassen. Mit dieser ersten Auskopplung hatten die Jungs den stilsichersten Cocktail gemixt, den ich mir seit langer Zeit zu Gemüte führen konnte.
Doch dann das. Wie ein Schlag ins Gesicht traf mich die darauf folgende Auskopplung „Wünsch dir was„. Mit prolligem Tote Hosen-Sample und einem Kinderchor. Dazu muss ich fairerweise sagen, dass ich sowohl E-Gitarren als auch Kinderchöre in HipHop-Beats grundsätzlich so deplatziert finde wie eine Alice Schwarzer-Hook auf einem Orgi Album. Mindestens. Ich hasse das. Aber davon abgesehen war es auch der stilistische Bruch, der mich sehr skeptisch mache. Ich hatte mir ein Album erhofft, das an den Titelsong anknüpft. „Caput Mundis“ schlug dann auch wieder mehr in die erhoffte Kerbe, mit seiner mystisch-theatralischen Soundästhetik und den beim ersten Hören maßlos überfordernden Chiffren.
Ich schildere an dieser Stelle meine achterbahnartigen Erfahrungen mit den drei Videoauskopplungen, weil das durchaus repräsentativ für das ganze Album ist. Die krassen Höhepunkte halten sich mit den sehr ernüchternden Tiefpunkten die Waage. Alles dazwischen ist einfach verdammt gut. „Achter Tag“ ist aber insgesamt leider zu durchwachsen, um das Meisterwerk zu sein, dessen Potential da eigentlich schlummert. Zu oft wird verschüchtert in Richtung Radio-Airplay geschielt (ob der Major was damit zu tun hat?) und die zum Schneiden dichte Atmosphäre zugunsten von vergleichsweise seichten Songs über den Haufen geworfen.
Gerade das letzte Drittel, in das die Gastauftritte von Sido und Max Herre fallen, wirkt wie ein gut gemeinter Zusatz, bricht aber uncharmant mit der bisherigen Marschrichtung und driftet gar ins kitschig-poppige ab. „Don’t Legalize“ mit Sido ist ein (selbstverständlich ironischer) Appell gegen die Legalisierung von Marihuana (denkt auch mal jemand an die Ticker?) – und klingt eher nach einer der berüchtigten Radiosingles des Gastes als nach Genetikk-Flavor. Die Beats, die sonst klingen, als hätte Sikk sein ganzes Leben in New York und Paris verbracht – wie weggeblasen. Die abwechslungsreichen, anspruchsvollen Flowpassagen, die eine gekonnte Metamorphose aus eigenen Styles und zeitgeistigen Einflüssen sind – ersetzt durch gleichförmige Schema-F-Vier-Viertel-Flows. Die interessanten Thematiken und chiffrierten Formulierungen – weichen krampfigen Plattitüden. Der absolute Tiefpunkt des Albums – aber hey, die Sonne scheint und man kann ja nicht nur düste… Nein! Einfach nein.
Die Stärken des Albums liegen eindeutig woanders. Bei den schweren, epochalen Tracks der Marke „Achter Tag“ oder „Caput Mundis„. Auch wenn representet wird oder Miss- und Umstände im kleineren betrachtet werden, erlebt das Album Sternstunden. Auf „Überüberstyle“ tänzelt Karuzo mit prahlerische Leichtigkeit zwischen den fies klatschenden Drums des sturen Instrumentals, das auch aus den Maschinen eines RZA stammen könnte. Mit „Einer von den Guten“ geht der MC guten Beispiels voran, schildert seinen geradezu zwangsneurotischen Gerechtigkeitsdrang und ruft wortgewaltig zur Courage gegen Ungerechtigkeit auf. Warum da noch Bushido rein musste, will sich mir allerdings nicht ganz erschließen, das ist aber hier absolut nicht das entscheidende Problem. Als Überraschungsmove sogar ganz geil.
Vieles erschließt sich auf „Achter Tag“ nicht auf Anhieb, einige Songs arbeiten mit dermaßen vielen Metaphern, Chiffren und fremdartigen Formulierungen, dass die präzise Analyse eines einzelnen Songs einen Internetzugang oder am besten eine vollständige Brockhaus-Sammlung voraussetzt. Die Mischung aus bedeutungsschwangeren und (manchmal vielleicht unnötig) verkomplizierten Songs, greifbaren, bodenständigen Inhalten und Representern ist aber durchaus ausgewogen – auch wenn es gerne mehr von letzteren hätten sein können.
„Achter Tag“ hat einige richtig krasse Bretter am Start. Was nicht zu den erwähnten Ausfällen gehört, ist durchweg auf sehr hohem Niveau. Karuzo harmoniert wieder perfekt mit Sikks Instrumentalisierung. In sich ist jeder einzelne Titel rund. Und auch das Album als gesamtes ist in sich nicht unstimmig. Aber man hätte sich den kompletten Ausflug Richtung leichtfüßige Sommer Radio-Hits sparen sollen und ohne diese Pickel ein wahres Meisterwerk in der Hand gehabt. Das ist auch der Grund, warum der Grundtenor dieser Review so negativ ist, trotz eines eigentlich immer noch verdammt geilen Albums: Weil durch wenige Ausfälle so viel verschenkt und verschandelt wurde.