CCN ist nicht weniger als Deutschrap-Geschichte. Wenn Bushido nun also mit „Carlo Cokxxx Nutten 3“ einen weiteren Teil vorlegt, dann ist von vornherein klar, in welcher Tradition dieses Album steht – und an welchem Maßstab es sich messen lassen muss. Sogar in doppelter Hinsicht, denn „CCN3“ kann man sowohl in einer Linie mit dem ersten Teil und den beiden zweiten Teilen als auch als Fortsetzung des letztjährigen Bushido-Albums „Sonny Black“ sehen. Schon bei „Sonny Black“ hatte Bushido schließlich die nachdenklichen Songs zuhause gelassen und sich strikt wieder dem gewidmet, was ihn einst groß gemacht hat: dem Pöbeln.
Diese Linie wird auf „CCN3“ sehr konsequent weiterverfolgt, so konsequent, dass sich ein gewisser Ermüdungseffekt nicht vermeiden lässt. Denn hatte die Rückkehr Bushidos zu seinen Wurzeln, zur Essenz seiner Musik 2014 noch viele (den Autoren eingeschlossen, wie man hier nachlesen kann) in Euphorie versetzt, nicht nur, aber auch, weil sie so unerwartet kam wie ein Sommergewitter und die Langeweile, die „Jenseits von Gut und Böse“ und „AMYF“ prägte, in den Rinnstein der Rapgeschichte spülte, so ist der Überraschungseffekt bei „CCN3“ leider viel geringer. Und nicht nur beim Hörer, auch bei Bushido selbst hat sich offenbar ein gewisser Gewöhnungseffekt eingeschlichen. So richtig wütend klingt das alles nicht mehr. Auch wenn gegen jede Menge Promis, Politiker, Komiker und natürlich auch Rapper geschossen wird – im Grunde klingt das Album sehr routiniert und ein bisschen gelangweilt.
„Deine Eltern sind Geschwister, Bruder und Schwester
du Junkie spritzt dir Hero in der U-Bahn wie Casper
(…) ich chill‘ wie Kennedy im Adlon
und Alice Schwarzer braucht ’n richtig dicken Schwanz damit sie endlich wieder klarkommt“ („Kommt Zeit kommt Rat„)
Dazu kommt, dass einige Disses ohne Vorkenntnisse gar nicht nachvollziehbar sind. Klar, wenn man die Interviews gesehen hat, weiß man schon, was Bushido gegen Joko und Klaas hat. Aber wer hat schon noch im Hinterkopf, dass Dieter Nuhr sich seinerzeit spöttisch-ablehnend über „Stress ohne Grund“ geäußert hatte? Und was war jetzt nochmal das Problem mit Gregor Gysi? Gut, dafür gibt es zum Glück genius.com (wo sich übrigens auch eine genaue Auflistung findet, wer auf „CCN3“ alles gedisst wird). Das ändert aber nichts daran, dass durch das permanente Namedropping kaum Raum dafür bleibt, nachzuvollziehen, was der genaue Grund, die jeweilige Wut hinter dem Diss ist. Das war auf dem legendären ersten Teil und teilweise auf den Nachfolgern noch ganz anders: Da war das Feindbild klar und eindeutig, für jeden ohne große Erklärung fühlbar. Dadurch, dass mittlerweile ein Personenkreis von der Größe der Einwohnerzahl eines mittleren deutschen Kreisstadt zum potentiellen Anschlagsziel geworden ist, geht von der Treffsicherheit einiges verloren.
CCN bedeutet 2015 halt nicht mehr, zwei wütende Jugendliche voller Hass auf die Umstände, die ihre persönliche Lage so unerträglich machen. Sondern die durch jede Menge Erfolg und Anerkennung gedämpfte Wut eines wohlhabenden Mittdreißigers, der immer noch viele Leute scheiße findet. Diese beleidigt er aber heutzutage lässig aus dem offenen Fenster seiner S-Klasse. Spaß macht ihm dies hörbar immer noch, nur das Zwingende fehlt. Die Überheblichkeit ist keine Attitüde mehr, sondern begründet sich zu einem großen Teil von selbst – etwa durch den Kontostand. Und dass Bushido immer noch der Junge mit dem Mike Tyson-Schnitt ist, gilt höchstens noch als Metapher.
„Ich mach Rap wieder hart und deine Mutter bläst
Ich bin seit über 20 Jahren in der Pubertät
komm‘ aus dem Viertel wo wir vor dem Gemüseladen
einfach irgendwelche Typen schlagen“ („Junge„)
Ästhetisch ist „CCN3“ großes Kino. Das fängt beim stilsicheren, simplen, aber aussagekräftigen Cover an, geht mit dem kurzen, aber ebenfalls aussagekräftigen Intro sowie das Skit mit Ali vor „Schluss mit Gerede“ weiter und endet schließlich bei den Beats, die von der Viererbande Bushido, Shindy, Djorkaeff und Beatzarre hervorragend in Szene gesetzt wurden. Tatsächlich gelingt es mit dem Soundbild, den CCN-Flavor sehr originalgetreu einzufangen. Noch mehr und noch konsequenter als auf „Sonny Black“ kehrt man hier zur bewährten Blaupause zurück. Musikalisch hat „Carlo Cokxxx Nutten 3“ alles, was man sich wünschen kann: Hart klatschende Drums, düstere, sparsam eingesetzte Samples, eine nächtliche Atmosphäre, die nach Staub, Benzin, Asphalt und Beton riecht. Simpel, aber nicht eintönig. Und natürlich weitaus besser abgemischt und arrangiert als 2002. Dabei sind kleine Meisterwerke wie „Wenn der Beat nicht mehr läuft“ oder das bedrohliche brodelnde „POV“ entstanden.
Vermutlich ist mit „Carlo Cokxxx Nutten 3“ der finale Schlusspunkt unter der Ära, die Sonny Black und Frank White einst zusammen eingeläutet hatten. Zumindest wäre es ein würdevoller Abschluss oder „Finishing Move„, um im Jargon zu bleiben. Noch mal eben halb bis drei Viertel Deutschland auf gut abgeschmeckten Beats beleidigen – kann man schon machen, allein der guten alten Zeiten wegen. Spannender und wahrscheinlich auch zukunftsweisender allerdings ist die Frage, was auf dem angekündigten Kollaboalbum von Bushido und Shindy passieren wird.