„Fav ist Back, du Hurensohn!“ Nach fast vier Jahren der Abstinenz kehrt Favorite mit „Neues von Gott“ zurück ins Game und macht das, was er am besten kann: Nasen ziehen, mit Waffen herumschießen und mit einer gehörigen Portion stilsicher verpackter Geschmacklosigkeit dem einen ein breites Grinsen, dem anderen die Zornesröte ins Gesicht zaubern. Ob du „der eine“ oder „der andere“ bist entscheidet zu einem großen Teil auch schon darüber, ob du „Neues von Gott“ feiern wirst oder nicht.
Favorite polarisiert. Nicht nur aufgrund des eigensinnigen Flows und der Singsang-Vortragsweise, sondern vor allem natürlich durch seinen grenzwertigen Humors. Das ist zwar nichts Neues. Tracks wie „Gay Rap“ hieven das Ganze allerdings nochmal auf ein neues Level: Fav schildert ausgiebig sein angeblich homosexuelles Liebesleben mit anderen Rappern. Lines wie „Ey yo Cro hatt‘ ich, RAF hatt‘ ich, Marsi hatt‘ ich auch/ Massiv und Kool Savas, die konnten blasen wie ne Frau/ sogar Lil Wayne und Eminem hatte ich mal/ und Tyler The Creator hatte meine Kacke am Schwanz“ brechen derart rabiat und radikal mit dem nach wie vor gängigen Männlichkeitsbild im Rap, dass man nicht so recht weiß, ob das das jetzt genial oder einfach nur ein fürchterlich kalkulierter Tabubruch ist.
Das gilt im übrigen für das gesamte Album. Der Essener weiß durchaus zu unterhalten, fast jede Line beinhaltet eine mal mehr, mal weniger gelungene Pointe. Fav versteht es, mit wenigen und willkürlich gewählt wirkenden Worten einen großen Effekt zu erzielen. Ob Abscheu, ein breites Grinsen oder eine merkwürdige Mischung aus beidem. Der latente Antisemitismus in Lines wie „Es ist Fav und die ganze kleine Menschheit ist mein Rudel/ und ich habe mittlerweile mehr Geld als Juden“ fällt da schon gar nicht mehr störend auf, angesichts des übrigen Getöses. Inhaltlich ist „Neues von Gott“ das kompromissloseste Favorite-Album bisher, ohne dabei aber stilistisch große Neuerungen oder gar Experimente zu wagen. Und hinter dem vermeintlich blasphemischen Titel verbirgt sich: Nix. Es gibt nicht mal einen gleichnamigen Song.
Auch seinem Rapstil bleibt der selbsternannte Harlekin treu. Hier wird eine halbe Snarelänge überzogen, da wird mitten in der Line nachgeatmet. Dadurch entsteht ein roughes und schmutziges Gesamtbild, das Favs Kein-Fick-Attitüde untermauert. Und wenn sich mal Monotonie in Favs abwechslungsarmen Flowschemata anbahnt, wird mal eben zu einem schiefen, aber durchaus charmanten Singsang gewechselt – trotz des sattsam bekannten Flows wird es also selten zäh oder langweilig.
Gewollt provokanter Inhalt hin, Rapstyle her: Favs viertes Soloalbum hat ein großes, nein, ein riesiges Manko: Die unfassbar anstrengenden Beats. Dass „Neues von Gott“ einen penetranten Sound haben würde, deutete sich ja schon durch die Singles und Snippets an. Das Endergebnis ist noch schlimmer als befürchtet: Durchweg synthetische Beats, deren Loops sich fast ausnahmslos in unangenehm hohen Frequenzbereichen bewegen. „Boomshakkalakka“ von den 257ers (die übrigens eines der sehr rar gesäten Features darstellen) mutet im Vergleich mit „Neues von Gott“ wie gefälliger, chilliger Boombap an. Ob schrille 16-Bit Sounds in der Hollywood Hank-Referenz „Hardcore Entertainment“ oder synthetische E-Orgel-Sounds in mindestens ebenso schwindelerregenden Höhen – jeder Ton klingt wie einem Magix Music Maker-Starter Plugin entsprungen – und das obwohl die Arrangements an sich alles andere als schlecht sind. Hier waren keine Amateure am Werk – das soll so klingen. Es gibt sicherlich Leute, die das zu würdigen wissen, ich gehöre definitiv nicht dazu.
Ja, Fav ist tatsächlich back. So wie man ihn kennt – nur noch ein bisschen krasser. In jeder Hinsicht. Die Lines sind heftiger, der Flow klingt betrunkener – und der Sound ist anstrengender. Hm. Wenn der letztgenannte Punkt nicht wäre, würde ich diese Ansammlung von wahlloser Maß- und Respektlosigkeit feiern. So aber fühle ich mich von „Neues von Gott“ etwas überfahren, um nicht zu sagen überfordert.