Dexter legt nach „The Jazz Files“ und „The Trip“ sein drittes Soloalbum vor und dieses Mal ist alles anders. Waren die beiden Vorgänger abgesehen von diversen Vocalsamples noch rein instrumental gehalten, so gibt es dieses Mal „richtige“ Rapsongs, mit richtigen Rappern, und mit, und das ist die eigentlich sensationelle Nachricht, Dexter selbst am Mikrofon. Damit war nicht unbedingt zu rechnen, doch wer Menschen fragt, die sich in der Wortsport-History auskennen, der weiß, dass der gute Dexter auch schon früher gerne zum Mic gegriffen hat, wenn er in der Cypher stand.
Und Cypher ist das Stichwort: „Palmen und Freunde“ klingt ziemlich genau so, wie wenn du mit deinen Kumpels in deinem Dorf oder deiner Kleinstadt oder deiner Großstadt in einem kühlen Kellerraum abhängst, staubige Platten auflegst und neben der Sportzigarette auch das Mic kreist. Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass hier Dexters 1a-Qualitäts-Beats die Grundlage bieten und am Mic neben dem Produzenten selbst Meister ihres Fachs wie Morlockk Dilemma, Döll, Audio88, Yassin, Fatoni, Mädness, Sonne Ra oder Chefket aktiv sind. Und, nix gegen dich oder deine Kumpels, aber die machen das halt alle schon bisschen was länger und dementsprechend auch besser.
Über Dexters Beats muss man ohnehin nicht mehr viele Worte verlieren. Dass der Heilbronner auf satte Drums steht, darf als Grundwissen mittlerweile vorausgesetzt werden. Seine Samples bezieht er dieses Mal weniger aus dem Psychedelic Rock wie noch beim Vorgänger, dafür finden vermehrt sommerliche Synthieklänge und warmen, beinahe poppig anmutende Jazz-Samples aus den 80ern ihren Weg auf „Palmen und Freunde„. Es handelt sich im übrigen keineswegs um ein puristisches BoomBap-Album, auch Einflüsse aus dem Pre-Trap-Südstaatenrap oder dem guten alten Westcoast-Sound finden sich durchaus wieder. Das alles ändert dann auch überhaupt nichts daran, dass jede Sekunde auf dem Album HipHop in seiner reinen und ursprünglichen Form atmet. Sei es in den Skits, die aus ausgesprochen random anmutenden Szenen aus dem Backstage sowie ebenso random anmutenden Freestyles bestehen oder in den Songs, die nichts von der kalkulierten Langweiligkeit haben, an denen doch zuletzt diverse größere Deutschrap-Release krankten.
Hier ist alles unverkrampft und natürlich, hier ist man einfach spontan, und die Tatsache, dass Dexter nicht der beste Rapper der Welt ist, fällt einfach mal null ins Gewicht. Zum einen, weil auf derart guten Beats ohnehin fast jeder Rapper glänzt, und zum anderen, weil das hier kein Schwanzvergleich-Scheiß ist. Also doch, aber halt mit ’nem entspannten Augenzwinkern. Etwa, wenn Dexter gleich im Opener „Orbit“ seinen Platinerfolg mit Cro vor sich herträgt. Oder wenn er jemand kennt, der jemand kennt, der einen kennt, der angeblich besser als er selbst rappt – und dafür in seinem „Scheiß Bauch“ nun ein Messerset hat. Battle wird hier durchaus großgeschrieben, auch der omnipräsente Jaques Shure beleidigt gerne imaginäre Gegner, aber alles relaxt und sportlich, ohne Wut oder Verbitterung.
Überhaupt ist die Welt von Dexter und seinen Palmen, äh, Freunden irgendwie schwer in Ordnung – ohne, dass hier kitschige Heile-Welt-Szenarien ausgebreitet werden. Ein Blick für die schönen Dinge im Leben reicht manchmal eben aus. Da werden Käse und Oliven vom Buffet genascht, da wird ständig gegrillt, gekifft sowieso, da wird kühler Chardonnay und Whiskey pur gesippt (natürlich kein Jim Beam, sondern edle Tropfen). Redcups braucht hier kein Mensch. Und wie bei jeder Party bringen die Gäste den nötigen Schwung rein: Audio88 und Yassin etwa, die ich zugegebenermaßen bisher sträflich unterschätzt hatte, zerlegen Savas‚ berühmt-berüchtigte Zeile „Ich tu dies, das/ einfach so verschiedene Dinge“ in „Dies das“ in ihre Einzelteile, irgendwo zwischen Verarschung und Hommage – ein großartiger Song. „Dinge tun ist bausshaft/ keine Dinge tun ist grauenhaft„, weiß auch Dexter. Sonne Ras Hook auf „Kraut im Papier“ indes fräst sich so zäh wie Karamellbonbons in den Gehörgang und bleibt dort erstmal ein paar Stunden kleben.
So ist „Palmen und Freunde“ ein richtiger Spaß, der von Dexter, seinen Beats, seinem Kumpel Jaques Shure, den stilsicher ausgewählten Gästen und einer lockeren, familiären Stimmung getragen wird. HipHop abseits von durchkalkulierten Promoplänen auf der einen und selbstzweckhafter Totalverweigerung auf der anderen Seite, ehrlich und gut gemeint und vor allem: gut. Sehr gut, sogar.