Woroc & Dissput

Es war chaotisch. Eigentlich hatten sich zum Interview Woroc & Dissput sowie die VS Mafia Zöglinge Conna & Doem angekündigt, als wir am verabredeten Treffpunkt in Kreuzberg ankamen, war nur Dissput zugegen. Ein Interview, das auf vier Personen angelegt war, nur mit einer zu führen empfanden wir als witzlos und so fand sich nach einigem Hin und Her schließlich eine Lösung um auch Woroc präsent zu machen – per Lautsprecher am Telefon auf dem Küchentisch liegend. Auch Doem tauchte noch auf, Conna hingegen, auch Jungschauspieler, war wegen Dreharbeiten verhindert. Und obwohl man bei der ein oder anderen Frage nicht auf einen Nenner kam und die Situation etwas abstrus blieb, kam ein amüsantes Gespräch zustande, welches ihr hier abgetippt lesen könnt. Anlass und Thema dieses Gesprächs war natürlich das aktuelle Album “Manisch Depressiv“ von Woroc &  Dissput, es wurden aber auch die französische HipHop-Szene und die gute alte Vorbildfunktion von Rappern diskutiert.

rap.de: Woroc, du warst ja bereits im März 2007 bei uns im Interview anlässlich deines Albums “Inferno“. Was ist seitdem passiert, was hast du in der Zwischenzeit gemacht?

Woroc: Ich war an verschiedenen Projekten beteiligt, Massiv, Colos, Dissput Soloalbum, jetzt eben “Manisch Depressiv“ das am 7. März erschienen ist, dann das Conna & Doem Album welches am 14. März veröffentlicht wurde. Dann Jonesmann, ach, alles Mögliche noch, wenn ich alles aufzähle dauert es übelst lange.
rap.de: Dissput, dann ist dein Soloalbum also schon fertig und wird demnächst veröffentlicht?

Dissput: Ja, dieses Jahr. Der genaue Termin steht noch nicht fest, wird aber auf jeden Fall dieses Jahr sein.
rap.de: Ursprünglich kennt man dich ja als Duo, oder?

Dissput: Zu den Anfangszeiten von Dissput waren wir mehrere Leute, das stimmt. Aber mit der Zeit hat sich alles gelockert und bin jetzt sozusagen alleine übrig geblieben.
rap.de: Im Pressetext steht “Woroc, der Chef der VS Mafia“. wie sieht denn die Hierarchie bei euch im Label aus, bist du der Diktator oder wie kann man sich das vorstellen?

Woroc: Niemals! Ich weiß auch gar nicht warum das so da steht. Ich bin gar nicht der Boss bei VS Mafia, wenn es überhaupt Bosse gibt, dann sind das Colos und Woroc. Und eigentlich wird bei uns niemand tief gehalten. Colos und ich bestimmen halt die Sachen größtenteils, aber sonst habe ich alleine nichts zu sagen.
rap.de: Wie arbeitest du denn derzeit mit Colos zusammen? Da er ja momentan gar nicht in Deutschland ist, oder?

Woroc: Ja, der ist nicht in Deutschland. Aber Gott sei Dank haben wir ja das Medienzeitalter und das Internet und Telefon, das ja heute auch nicht mehr so teuer ist wie es früher einmal war. Wir sind also ständig in Kontakt und da laufen die Sachen nebenbei noch. Natürlich ist es nicht mehr so wie wenn er in Berlin wäre, aber das wird sich auch ändern. Ich denke in zwei Monaten haben wir ihn wieder hier und dann schauen wir mal, ne?

rap.de: Also ihr macht die ganze Labelarbeit?

Woroc: Ja.
rap.de: Was muss man haben bzw. machen um zu VS Records zu kommen? Nach welchen Kriterien wählt ihr Künstler aus? Sind die aus eurem direkten Umfeld, seht ihr die irgendwo und findet die gut oder wie läuft das?

Woroc: Ja, also das ist meistens Zufall. Keiner der bei uns ist, ist irgendwie angerufen worden oder hat bei uns angerufen, sondern das sind meistens Freundschaften, Symphatien, Realness. So entsteht das dann, das wären die einzigen Kriterien.
rap.de: (An Doem gerichtet) Wie seid ihr dazu gekommen?

Doem: Aus den gleichen Umständen.
rap.de: Woroc, du bist seit ein paar Jahren als Produzent tätig, aber noch nicht ganz so lange als Rapper, oder?

Woroc: Ja, als Rapper will ich auch gar nicht tätig bleiben (lacht). Das ist aus so einer Not heraus entstanden, ich bin wirklich kein Rapper oder so. Es ist halt nur so entstanden, dass manchmal Leute nicht zu den Aufnahmen gekommen sind, warum auch immer, zugekifft waren und nicht aufstehen konnten oder ähnliches, dann habe ich eben die Rapparts für die Alben die fertig werden sollten übernommen und irgendwie hat mir das eine Zeit lang Spaß gemacht, ich werde das aber nicht mehr machen, konzentriere mich weiter auf das Produzieren weil es mir einfach besser liegt. Rappen ist echt nicht mein Ding.
rap.de: Das hast du jetzt also im Laufe der Albumfertigstellung festgestellt?

Woroc: Ja, dazu fehlt mir auch die Zeit, weil ich halt nebenbei noch sehr viel tun muss und für ganz viele Leute produzieren möchte und das nicht schaffe wenn ich zwei Tage an einem Text, einem Sechzehner rumschreiben muss weil ich ja kein Rapper bin, weißt du? Es lohnt sich auch nicht für mich, weil, Rappen macht Spaß, es ist eine coole Sache, aber es ist nicht mein Schwerpunkt, mein Schwerpunkt ist das Produzieren und das hört sich auch viel besser an als mein Rap (lacht).

rap.de: Kommen wir nun zum Album. “Manisch Depressiv“ heißt das gute Stück. Euer erstes Statement auf dem Album ist “HipHop ist tot“. Was ist denn mit HipHop passiert?

Dissput: Also, HipHop ist halt nicht mehr so wie früher. Das ist halt die Aussage. Für uns ist HipHop tot. Es hat sich viel verändert. Es wird nicht mehr so viel Wert auf Inhalt gelegt, eher mehr auf Image getrimmt, und irgendwie kann jetzt jeder HipHop machen und jeder ist ein Rapper und so, somit ist alles beschissen geworden und deswegen ist HipHop für uns Oldschooler, die eben schon länger dabei sind und HipHop in Berlin mit aufgebaut haben, für uns ist HipHop halt tot. Deswegen haben wir das Lied gemacht, um klarzustellen was wir denken.
rap.de: Was ist es dann, wenn es kein HipHop ist?

Dissput: Es wird alles als HipHop bezeichnet, ist ja klar.
rap.de: Dann meint ihr also den ursprünglichen HipHop?

Dissput: Ja, das Ursprüngliche ist für uns tot. Wir könnten in unseren Texten natürlich sagen “Der Ursprung des HipHops ist tot“, aber das geht natürlich nicht, das mögen wir einfach nicht. Wer es versteht, der versteht es. Und HipHop ist natürlich nicht tot in dieser Hinsicht.
Woroc: Nur für uns!
Dissput: Die Leute heulen ja immer so rum wenn wir so reden.
Woroc: Die rosarote Brille wird für die Fans angelassen. Ich schließe mich auf jeden Fall meinem Companiero Dissput an, also: ich werde sowieso keinen HipHop mehr machen, das war’s! (lacht)
rap.de: Habt ihr sonst noch einen Lieblingstrack auf dem Album der eine ganz besondere Aussage für euch hat?

Dissput: Also, der mit Fler zusammen, ist einer der besten Tracks, dann “HipHop Ist Tot“, dann mit Frauenarzt und Basstard, das wäre so die Top5.
rap.de: Die Gästeliste finde ich dafür dass es 15 Tracks sind ganz schön lang. Wie sind diese Konstruktionen zustande gekommen, warum so viele Gäste? Wenn es doch eigentlich ein Woroc & Dissput Album ist, dann gibt es letztlich nur 4 Tracks die ausschließlich von euch sind. Also hätte man es ja auch gleich" Woroc, Dissput und Friends" nennen können.

Woroc: Vielleicht werden wir das Album noch einmal herausbringen mit einem neuen Labelcode und werden es "Woroc, Dissput und Friends". Dann machen wir die fünf Lieder die wir zusammen gemacht haben mit noch mal mit 4 Features darauf, gar keine schlechte Idee.
rap.de: In der aktuellen Juice gibt es einen Bericht über euch zu lesen, indem ihr wie folgt zitiert werdet: “Wir stehen auf den harten Sound und dabei bleiben wir auch, aber ich will echt nicht Schuld daran sein, dass ein Jugendlicher wegen unserer Sachen raus geht und Leute abzieht oder ähnliches. Die Musik hat auch ihre Schuld an der Gewaltentwicklung, darum ist das Album auch ein bisschen anders geworden. Es hat eher einen düsteren Flair als ob es die ganze Zeit nur um Battle gehen würde.“ Was macht denn euer Album anders? Da es ja doch recht aggressiv ist.

Woroc: Ja, ist es auch, das ist ja unser Style. Wir sagen ja nicht dass wir Blümchenrap oder Blumentopfrap oder was weiß ich machen. Wenn man meine Sachen sieht die ich immer produziert habe, das war immer harter Shit, ich habe nie gesagt dass ich ein scheiß Gangster bin oder so, darum geht es ja auch gar nicht. Für Dissput kann ich das gleiche sagen, wir machen beide harte Musik und es wird auch immer so bleiben, das einzige was ich nicht machen würde, dass ich in meinen Liedern irgendwie etwas in meinen Liedern propagieren würde, dass die Jugendlichen dann die Kacke draußen machen. In der Politik ist es ja schon so weit gekommen, dass sie sagen dass HipHop daran Schuld ist, dass die Jugendlichen so abgehen. Deswegen sage ich, wenn schon hart, dann aber auch ein bisschen gucken dass man nicht zu krasse Sachen sagt damit die Jugendlichen das nicht umsetzen. Aber ich stehe zu der harten Musik und etwas Anderes gibt es auch nicht von mir. Ganz selten, dass ich mal was Anderes mache.

 

rap.de: Ihr seid euch also offensichtlich eurer Vorbildfunktion bewusst.

Woroc: Ja, natürlich. Ich meine wir sind auch keine 15 Jahre mehr. Wir haben schon so viele Sachen gemacht und ich alleine habe über 60 Alben mit-/produziert und herausgebracht, da muss man jetzt schon ein bisschen gucken. Vorher habe ich vielleicht ein bisschen weniger drauf geschaut aber die Entwicklung der Jugendlichen ist halt dementsprechend.
Dissput: Naja, man kann es ja eh nicht verhindern. Man kann so viel Vorbild sein wie man möchte, aber wenn die Leute es eben so sehen dann sehen sie es. Ich kann es nicht verhindern, dass die Jugendlichen mich jetzt hören und aggressiv raus gehen und Leute schlagen oder irgendwelche Überfälle machen. Das können wir nicht verhindern. Durch Texte kann man aber die Sachen so formulieren, dass so was nicht unterstützt wird. Aber die Jugendlichen machen eh was sie wollen. Wir wollen aber auf keinen Fall dass es negativ verstanden wird. Wir machen einfach unser Ding, deswegen kommt es so rüber als wäre es aggressiv. Aber auf keinen Fall haben wir extra durchdachte Sachen gemacht, so von wegen wir machen jetzt etwas für die Jugendlichen die rausgehen und Schlechtes tun.
rap.de: Na das wäre ja noch schöner.

Dissput: Ja, aber das gibt es doch. Es gibt genug Leute die gezielt auf so etwas hinausgehen.
Woroc: Das ist Musik. Guckma, es gibt Musik und es gibt Filme. Ein Hollywoodfilm kommt raus und da knallt einer 700 Leute innerhalb von 10 Minuten ab, das ist auch nicht die Realität. Manche Leute rappen eben auch über Dinge die nicht echt sind. Bloß die Jugendlichen denken eben, dass manche wirklich Gangster sind, wenn sie sagen ich bin Gangster und habe dies und das, diese Leute sagen in den Interviews selbst, also sehr viele die so etwas propagieren, sagen zeitgleich, dass sie nicht wirklich so sind wie sie es in den Texten sagen. Es ist eben Musik, ein Stück Entertainment. Das heißt nicht, dass wir das Entertainment machen, aber man muss einfach auch ein bisschen zurücktreten mit der ganzen Geschichte, darum geht es. Denen ist es nämlich scheißegal, die gucken nicht ob du echt bist oder nicht, die denken das ist echt und alles ernst gemeint.

rap.de: Gerade deswegen scheint es ja auch ein bisschen problematisch ein Album zu machen das harte Texte hat, weil es eben Jugendliche gibt, die das nicht unterscheiden können. Was tragt ihr denn dazu bei, dass sie es eben doch unterscheiden können oder distanziert ihr euch davon?

Dissput: Es ist ja auch gar nicht möglich ein Album zu machen das irgendeiner nicht in den falschen Hals bekommt, das geht ja gar nicht, da müssten wir Pop machen. Wenn wir authentisch sind, wenn wir real sind und sagen wir sind HipHop, wir sind Rapper und kein Image, dann müssen wir so rappen wie wir es eben fühlen. Und das kommt dann so raus, und wie die Leute es letztlich verstehen, das kann man dann nicht verhindern, das geht einfach nicht. Man muss eben darauf achten dass man in den Texten erwachsen ist, das man nicht von “Hurensöhnen“, “Fick deine Mutter“ und all so etwas erwähnt, das kann man uns nicht vorwerfen, das haben wir nie gemacht. Unser Style ist eben aggressiv, ich rappe schon seit 13, 14 Jahren so aggressiv, und das ist nicht mein Problem wie die anderen darüber denken. Woroc macht seine harten Beats auch seit zig Jahren. Wenn wir anfangen und sagen würden “Kommt, hört auf“ dann würden die uns auslachen. Keinen Jugendlichen interessiert Positives oder belehrt zu werden.
Woroc: Ich lebe diese Blümchenkacke gar nicht, dass heißt nicht, dass ich raus gehen und den ganzen Tag irgendwelche Kacke baue, aber ich lebe das nicht und wenn ich das nicht lebe, dann kann ich das auch nicht in den Liedern sagen. Mein Leben ist nun mal hart, vielleicht härter als von manch anderem, das sage ich alles gar nicht. Meine Musik kann ich nicht anders machen, wenn ich die hart fühle dann fühle ich mein Leben, von morgens bis abends dann muss ich das auch so machen. Ich kann nicht irgendeine andere Kacke machen, dann ist das keine echte Musik, dann scheiß ich drauf und fang an Briefmarken zu sammeln.
Dissput: Ich sehe das an meinem kleinen Bruder der 18 Jahre alt ist. Er gibt einen Scheiß drauf, er gibt einen Scheiß auf Frauen, er gibt einen Scheiß auf Respekt. Er hört nicht mal viel Musik, er hört einfach nur Amikram und von Woroc und mir, es ist eben nicht nur die Musik daran Schuld. Auch das Fernsehen und die Medien propagiert und es ist eben immer sehr einfach zu sagen “Die Rapper sind schuld daran, dass die Jugend im Arsch ist, Frauen vergewaltigen, sich schlagen“. Es ist sehr einfach einen Buhmann zu finden, dabei ist diese riesige Hollywood-, Medienmaschinerie genug daran Schuld, dass alles so schlecht ist. Und wenn wir anfangen und sagen “Hört auf damit!“, das bringt nichts, genau wie bei meinem Bruder, er macht trotzdem sein Ding.
rap.de: Aber man könnte ja statt den Zeigefinger zu heben, gerade weil ihr schon ein wenig älter seid und daher mehr Erfahrung habt als viele die jetzt so um die 20 Jahre alt sind, rappen und irgendeinen Mist erzählen, könntet ihr euch zum Beispiel hinstellen, erzählen was ihr erlebt habt, sagen, dass ihr auch schon Scheiße im Leben gebaut habt, aber dass ihr wisst, dass es Scheiße ist weil ihr es eben erlebt habt, Authenzitität eben.

Woroc: Deswegen gibt es ja die Interviews in den Printmedien, deswegen sind wir ja hier, damit die Jugendlichen genau das sehen, deswegen sagen wir das ja auch jedes Mal.
Dissput: Okay, du hast Recht, das kann man machen, man kann als Vaterfigur fungieren und sagen "Mach das nicht und hört auf damit." Das hören sie jedoch genug in ihrem Alltag und wenn ich noch mal komme und das noch mal sage, ist das vergeudete Energie. Wie oft haben wir das versucht, wie oft haben wir Projekte gemacht, ich selbst habe damals im Jugendfreizeitheim aufgelegt, habe Jugendliche gesehen, wie oft habe ich denen gesagt mach dies nicht, tu das nicht. Das interessiert die alle gar nicht. Die hauen ja von zu Hause ab um sich davon zu entfernen und ihr Leben zu leben. Die hören einfach nicht hin wenn man ihnen mit guten Ratschlägen kommt, dann sagt er “Okay, scheiß auf die, dann höre ich mir lieber den und den an“. Also, ich habe das Gefühl, dass die Jugend gar nicht bereit ist sich zu verbessern, die ist jetzt irgendwie so. Die ist ein Stück weit verloren. Aber das ist ja auch normal. Wer tut denn auch richtig was für sie, weißte was ich meine? Ich sehe es ja selber, die stecken in einer richtigen Zwickmühle, die werden überfordert, müssen dies und das machen, die stehen unter einem miesen Druck, den sie irgendwie raus lassen müssen. Ich finde es eben schlecht Musik genau an diese perspektivlose Gruppierung zu richten, deren Sprache sozusagen in die Musik übernehmen und an sie verkaufen wollen, da steh ich gar nicht drauf, das machen wir auch nicht. Wir versuchen eben mit Musik die Leute davon wegzubringen, die feiern das auch. Das Lied mit Fler zum Beispiel wird im Internet krass gepostet, die Leute, mein Brude,r die hören das Lied ständig. In der Musik sagen wir sie sollen klar kommen, niemals aber propagieren wir Gewalt. Es ist einfach unser Style, dafür können wir aber nichts. Wir sind auch schlecht aufgewachsen, sehr schlecht aufgewachsen, das wir so rappen ist schon gut. Wir hätten auch anders sein können. Okay, anfangs war Dissput auch anders. Wenn man die erste Platte hört, da war ich noch jung, da war ich 20, habe da so mit Ausdrücken angefangen, mittlerweile hat man sich geändert.

rap.de: Würdet ihr eueren eigenen Kindern erlauben eure Musik zu hören?

Woroc: Auf keinen Fall!
Dissput: Wenn ich Kinder habe bin ich bestimmt 40, dann machen wir bestimmt andere Musik.
Woroc: Letztens waren meine Nichten hier, das ist so ein Dreierpack gewesen, sie sind zwischen 4 und 12 Jahre alt, die haben nicht eine einzige CD von mir bekommen, die haben “Hauptstadtflows“ von mir bekommen, das ist so jugendfreie Musik, aber sonst kriegen die nichts von mir!

rap.de: (An Doem gerichtet) Sind Woroc & Dissput für euch eigentlich Vorbilder?

Doem: Ja, natürlich! Das sind eben auch ältere Leute, die haben ihr Leben in der Jugend schon hinter sich gelassen und dementsprechend hört man das auch in der Musik. Dass das Leben sie geprägt hat, auch die Aussagekraft ist stärker als bei Jugendlichen die einfach gar nicht die Erfahrungen gesammelt haben und schon gar nicht wissen diese zum Ausdruck zu bringen. Männer in dem Alter wissen schon was sie da sagen.
rap.de: Davon sollte man ausgehen.

(Gelächter)

Doem: Naja, das kann man ja nicht von jedem behaupten.

rap.de: In der Juice redet ihr auch von einer Amerikasackgasse, da werdet ihr mit “Alle laufen Amerika hinterher, wenn da etwas Neues passiert, dann wird das gefeiert, alle sind auf dem gleichen Film, wir sind in einer Sackgasse und müssen da raus“   zitiert.

Dissput: Ja, das war mein Kommentar. Es ging darum, dass die Leute zu Amerika aufschauen und wenn die etwas Neues rausbringen wird das krass gefeiert, wenn Deutschland etwas Neues, Innovatives herausbringt wird erstmal gefrontet, weil man da nachdenken muss, weil man die Sprache versteht. Bei den Amis hört man erstmal nur den Flow, der Beat ist cool, was die in ihren Texten sagen ist völlig egal, das interessiert die gar nicht. Meistens erzählen die Amis auch nur Müll, die sind auch nur auf Entertainment getrimmt, deswegen ist es in Deutschland schwerer mit neuen Sachen Fuß zu fassen als wenn die Amis was machen.
 
rap.de: Und woran liegt das deiner Meinung nach?

Dissput: Daran, dass die Amis schon vorher Musik gemacht haben, schön Gehirne gewaschen haben und weil die Wurzeln des Rap eben dort liegen. Deutschen Rap gibt es ja noch nicht so lange.
Woroc: Bling, Bling, Bitches und Cars.
Dissput: Die leben das richtig krass vor und das ist halt das Problem. Gegen die kannst du nicht ankämpfen, wenn dann musst du gleich so rüberkommen wie die, Videos wie sie machen und solche Sachen. Aber die haben es halt drauf zu manipulieren, keine Ahnung. Wenn man mal ehrlich ist, sind die Franzosen auch weiter als wir.
rap.de: Weil die auch viel mehr Sachen auf Französisch hören.

Dissput: Ich habe mir da auch schon Gedanken darüber gemacht, komme aber zu keiner Lösung. Warum die Franzosen sich selbst hören, die Deutschen aber nicht. Verstehe ich nicht. Frankreich hat später als wir mit dem ganzen HipHop-Ding angefangen und sind heute weiter.
rap.de: Ich persönlich könnte mir vorstellen, dass sie mehr Nationalstolz haben, die Deutschen eben nicht so und sich dadurch viel mehr beeinflussen lassen, weil sie sagen die deutschen Sachen sind sowieso nicht cool.

Dissput: Ja, das könnte sein.
Woroc: Obwohl in Frankreich ja gerade die Farbigen und die Algerier die Stars sind, gar nicht die Franzosen selbst. Wenn du dir so guten französischen HipHop anguckst der im Untergrund vorherrscht, dann sind das meistens Farbige oder irgendwelche Araber oder so. Was ja auch cool ist, aber letztendlich ist es gar kein richtiger Französischer HipHop. Bei denen ist es auch mehr Multikulti.
Dissput: HipHop hat ja in Deutschland mit friedlichen Sachen angefangen, eher so mit lustigen Inhalten. Und jetzt eben diese ganze Straßensache. Die Franzosen sind immer straight bei ihrem Straßending geblieben, immer nur so Straße, Straße, Straße. Und dann hat sich das krass aufgebaut, sie sind einer Linie treu geblieben, dadurch glaube ich sind sie vorangekommen, weil sie nicht immer so gesprungen sind. Da gibt’s vielleicht echte Ghettos die hier fehlen, kann sein dass das daran liegt.

 

rap.de: Würdet ihr hypothetisch mit jemandem Musik machen, den ihr persönlich nicht mögt, nur weil der gerade groß ist um besser zu verkaufen?

Dissput: Grundsätzlich: Nein, würden wir nie machen. Wir sind Leute, wir müssen uns verstehen, es ist halt Musik, es ist Kunst, seelische Verwandtschaft in dem Moment, da muss eine Synergie sein, es muss funktionieren. Da geht’ s um mehr als Fame.
Woroc: Ich kann dazu sagen, dass ich sehr viele Anfragen habe, auch von Leuten die viel verkaufen, sehr gut verkaufen, aber für die ich nichts mache, da scheiß ich auf Geld!
rap.de: Ihr als Mittdreißiger seid ja für deutsche HipHop -Verhältnisse recht alt, gibt es für euch eine Altersgrenze im Spiel?

Dissput: Es gibt wahrscheinlich eine persönliche Altersgrenze wenn man sagt, dass man zu alt dafür ist auf der Bühne zu stehen und rumzuhampeln, das kann sein. Die Frage ist nicht schlecht. Die Rapper sind alle jünger, das stimmt schon. Aber wir sind eben oldschool und wenn wir aufhören, dann haben wir das Gefühl, dass das alles irgendwie aus der Bahn läuft. Viele Rapper selbst sagen ja, “Ihr müsst am Ball bleiben“ und so, weil das wichtig ist. Damals zum Beispiel, da gab es Maxim, der umgebracht wurde, er war auch um die 30 Jahre alt und durch ihn ist HipHop auch gewachsen. Er hat Berlin zusammengehalten und wäre er heute noch unter uns, wäre alles richtig schön geworden. Es ist wirklich so. Seitdem er von uns gegangen ist hat sich alles krass verändert. Vielleicht ist das auch eine Einbildung, aber er war der Vater von HipHop und hat immer gesagt wir müssen das alles zusammenhalten blah sülz, dies und das. Und wenn wir jetzt auch aufhören sollten, oder andere Musik machen würden, dann weiß ich nicht, würden wir einen Teil dazu tun, man kann nichts dagegen tun, es wird sich immer so entwickeln, aber trotzdem würden wir einen Teil dazu beitragen. Seit meinem 12 Lebensjahr habe ich gesprüht, auch HipHop mitbegründet und geprägt in Berlin, es wäre traurig wenn ich sagen würde es geht nicht mehr, ich höre jetzt auf damit. Ich habe damals ein Versprechen geleistet und es ist eine Lebensphilosophie.
rap.de: Du siehst dich also noch mit 60 auf der Bühne?

Dissput: Vielleicht würde ich dann noch Nachwuchstalente produzieren, aber eine Altersgrenze sehe ich da nicht wirklich.

rap.de: Es gibt da ja aber auch verschiedene Möglichkeiten. In den USA zum Beispiel KRS One mit seinem “Stop The Violence“ Movement, dann mit Jugendlichen arbeitet, könntet ihr euch so was vorstellen?

Woroc: Da ich ja produziere kann ich sagen, dass ich das machen kann bis ich 80 bin, verstehst du? Ich muss mich ja nicht zeigen (lacht).
Dissput: Vielleicht werde ich später auch so keine Gewaltmäßig. Wobei KRS One’s erste Lieder waren ja auch schon brutal, wenn man sich die Mal anhört. Umso älter man wird, umso klüger wird man eben auch und fängt dann vielleicht auch an Verantwortung zu tragen. Es kann passieren, aber so lange ich so fühle, mühle, werde ich immer noch meine Sachen so aggressiv machen. Bis 36 werde ich sicher noch rappen.
rap.de: Wie alt bist du denn, wenn ich mal fragen darf?

Dissput: 31Jahre.
rap.de: Achso, weil hier eben Mittdreißiger steht, ich dachte jetzt du wärst jetzt schon so 35.

Dissput: Neeee.
Woroc: Was haben die denn geschrieben, Alter?
rap.de: Du siehst natürlich nicht so aus.

(Allgemeines Gelächter)

Dissput: Nene, ich bin gerade 31 geworden.
rap.de: Na dann haste ja noch genug Zeit. (An Doem gerichtet) Eure erste Singleauskopplung “Wenn Ich Falle“ von eurem Album “City Dreams“ ist auch auf “Manisch Depressiv“, wie kommt es denn dazu dass euer Song Conna & Doems Singleauskopplung ist?

Doem: Was heißt deren Song?! Es ist ja alles aus demselben Boot, von Woroc produziert und wir müssen irgendwie ja auch auf uns aufmerksam machen. Mich kennt zum Beispiel ja noch keiner, ich bin mehr oder weniger ein absoluter No-Name. Dass die Leute auf uns aufmerksam werden kommt ja mehr oder weniger durch Woroc & Dissput, die schon ihre Fanbase haben und Leute die sich für die Musik interessieren.
Woroc: Das Lied “Wenn Ich Falle“ ist so ein Ausnahmetrack, der ist genau für die Leute die sagen die Gewaltkacke blah blah, deswegen ist der eben auch auf beiden Alben drauf. Weil es so ein schönes, freundliches Lied ist, dass sich auch Papa mit Söhnchen und Mama reinziehen kann, auch das Video, ohne irgendwie negativ davon beeindruckt zu werden. Es hat mir eben so gut gefallen dass ich gesagt habe, okay, ich pack es auch auf unser Album obwohl es eigentlich nur für “City Dreams“ gedacht war. Ich dachte mir, es ist so ein gutes Lied geworden und da die beiden ja noch so Newcomer mäßig sind, pack ich sie mit auf unser Album, damit sie beide noch als Feature und auf einem sehr guten Track darauf vertreten sind.

 

rap.de: (An Doem gerichtet) Möchtest du dich/ euch mal der rap.de Welt vorstellen?

Doem: Ich bin Doem, mein Partner Conna kann heute leider nicht hier sein, weil er wieder mal mit dem Film beschäftigt ist, bin in Berlin aufgewachsen, in Schöneberg. Conna ist auch in Berlin aufgewachsen, hat schon viele Sachen gemacht was mit den Medien zu tun hat. Ich eher weniger weil ich mich zurückgehalten habe und noch nicht so viel Erfahrung gesammelt habe, weil ich eher so ein zurückgezogener Typ bin. Das hat sich als man mich vor ein paar Jahren zur VS Mafia gebracht hat, geändert. Da hat sich das alles bei mir gelockert und seitdem entwickelt sich auch meine Musik positiv.
rap.de: Hast du Conna dann über die VS Mafia kennen gelernt oder schon vorher?

Doem: Nein, Conna habe ich durch einen Zufall auf einer Party kennen gelernt. Da haben wir beide etwas lauter gequatscht, so wie es auf einer Party eben so ist. Er hat mich dann angesprochen, so “Sag mal, du hörst dich so an würdest du Musik machen, du bist so vorlauter“ usw. Dann sind wir ins Gespräch gekommen, wie Typen so sind, haben uns beschnuppert, dann ging es auch schon los, wir haben rumexperimentiert, haben uns näher kennen gelernt.
(Gekicher breitet sich aus)

Woroc: (Unterbricht) Ich hoffe ihr habt nicht körperliche herumexperimentiert.
(Allgemeines Gelächter)

Doem: Nein, so als Mensch haben wir uns eben kennen gelernt, so was dauert ja immer ein bisschen.
(Allgemeines Gelächter)

Dissput: Jaja, hört sich wichtig an, Alter.
(Allgemeines Gelächter)

Doem: Also, auf musikalischer Ebene.
Woroc: Dann sag aber jetzt ganz schnell, dass du auf Frauen stehst.
Doem: Ich steh’ auf Frauen.
rap.de: Okay das ist doch schön. Kannst du vielleicht noch kurz beschreiben was ihr für eine Art von Musik macht?

Doem: Facettenreich, würde ich sie beschreiben.
Woroc: Kein Gangstershit!
Doem: Also, wir haben versucht dass man uns gar nicht erst in diese Gangsterschublade stecken kann. So dass man zu uns sagen kann “Ihr seid Gangsterrapper wie alle anderen“, das wollten wir überhaupt nicht. Wir denken auch gar nicht so, dass wir jetzt irgendwie Gründe bei uns suchen Leute zu diskriminieren oder irgendetwas schlecht zu reden. Wenn uns etwas nicht gefällt, sagen wir das natürlich, aber wir drücken es nicht so aus, dass es primitiv klingt oder so was.
rap.de: Okay, dann bedanke ich mich recht herzlich für das Interview und wenn ich noch ein paar Worte an unsere Leser richten möchtet, bitte sehr:

Woroc: HipHop ist tot! Endgültig tot! Toter geht es nicht!
Dissput: Von mir genau das Gleiche.
Doem: Dito.