Nach der peinlichen Posse der ARD, die Xavier Naidoo erst zum Eurovision Songcontest schicken wollte (schlecht), es sich dann nach massivem öffentlichem Protest plötzlich anders überlegte (noch schlechter), ist sich Deutschrap mal wieder einig: Armer Xaver, böse Medien, dummes Volk. Diese Aussagen des Sängers spielen dabei anscheinend überhaupt keine Rolle, es gibt nur einen Schuldigen: Die Presse.
„Eine Schande wie die Medien abgehen“ ist Fler überzeugt, und auch PA Sports wittert Verrat. „Richtig lächerlich was die Presse da mit Xavier abzieht. Immer wenn ein Artist nicht in euer Klischee passt, wollt ihr denjenigen ficken.“ Massiv schlägt in dieselbe Kerbe, „Typisch deutsche Medien nie zufrieden und stolz auf eine Person sein die soviel gutes musikalisches geleistet hat.“
Und ausgerechnet Celo & Abdi liefern in diesem Battle um das fragwürdigste Statement den traurigen Höhepunkt: Die beiden Frankfurter erklären jedwede abweichende Meinung von vornherein für unerwünscht: „Jeder der behauptet Xavier sei rechts oder sonst was ist ciao im Kopf und wird gesperrt, ist uns scheissegal was ihr davon haltet!“ Ernsthaft jetzt?
Fehlt eigentlich nur noch der Hinweis, der Sänger spreche „verbotene Wahrheiten“ aus – denn das ist ein Fehlschluss, dem offenbar auch im Deutschrap viele unterliegen. Das Gegenteil ist der Fall: Er spricht erlaubte Unwahrheiten aus. Zum Beispiel, dass Deutschland ein „besetztes Land“ ohne Souveränität sei – was ihn mit den rechtsesoterischen Reichsbürgern verbindet, auf deren Veranstaltung er konsequenterweise aufgetreten ist. Sein gutes Recht, sicher, aber eben auch das gute Recht aller anderen, das höchst gefährlich zu finden. Denn selbstverständlich macht der Besuch eines prominenten Musikers solche radikalen Spinner salonfähiger – auch wenn er sich im Nachhinein von denen distanziert.
Und das ist das Problem – nicht die angeblichen Nazivorwürfe, die niemand erhoben hat. Als Untermauerung ihres oben zitierten Zensur-Bekenntnisses posten C & A das Video, das den meisten als Beweis für Naidoos Erhabenheit über jegliche Zweifel genügt: „Adriano“ von den Brothers Keepers. Geht am Thema vorbei – niemand hat Naidoo vorgeworfen, er sei ein Nazi. Dass er aber eine beunruhigende Nähe zu verschwörungsideologischen Denkmustern aufweist, ist eine Tatsache.
Das auszusprechen und es zu kritisieren, ist keine „Medienkampagne“ und auch keine „Hetzjagd“ oder gleich „Hexenjagd“. Selbstverständlich kann man die Musik Naidoos unabhängig von seinen (ohnehin nicht wirklich klaren) politischen Ansichten hören und gut oder schlecht oder egal finden. Aber man sollte es aushalten können, dass viele diese Aussagen nicht gut finden und dieser Meinung Ausdruck verleihen, ohne gleich Verschwörungen herbeizuphantasieren.
Klar ist es erstmal verständlich, wenn Künstler, genauer Rapper, mit einem Sänger, der öffentliche Kritik erfährt, Solidarität zeigen. Schließlich gab und gibt es immer wieder Fälle, in denen Teile der Gesellschaft mit einer ekelhaften Doppelmoral gerade auf Rapper reagieren. Dieses Einer-von-uns-Denken darf aber nicht in bedingungslose Solidarität münden. Naidoo hat fragwürdige Aussagen getroffen, über die man offen reden muss, und zwar nicht auf dem Niveau von „Der ist selber schwarz, der kann nicht rechts sein und basta!“ Äußerungen wie „Warum liebst du keine Möse? Weil jeder Mensch doch aus einer ist“ oder „Baron Totschild gibt den Ton an, und er scheißt auf euch Gockel/ Der Schmock ist’n Fuchs und ihr seid nur Trottel“ sind nicht gerade unproblematisch und enthalten, ob bewusst oder unbewusst, schwulenfeindliche und antisemitische Denkmuster. Und darüber muss diskutiert werden können!
Leider zeigt die deutsche Rapszene bzw. einige ihrer bedeutsameren Teile wieder mal, dass ihnen jegliche Kritikfähigkeit abgeht, dass es ihnen zu anstrengend oder unübersichtlich ist, zwischen dem Talent eines Musikers und seinen politischen Ansichten zu unterscheiden. Denn: Dass der Kerl singen kann, bestreitet niemand. Über seine Ansichten aber kann und muss gestritten werden.
Parallel dazu bleibt Xavier der Baba
Posted by Ćelo & Abdï on Saturday, 21 November 2015
Xaviar ist im Pop-Bereich der grösste Künstler den Deutschland je gehabt hat. Eine Schande wie die Medien abgehen! #dasallesistdeutschland
— Frank White (@FLER) November 21, 2015
Richtig lächerlich was die Presse da mit Xavier abzieht. Immer wenn ein Artist nicht in euer Klischee passt, wollt ihr…
Posted by Pa Sports on Saturday, 21 November 2015
Xavier NaidooDas beste was Deutschland zu bieten hat wird einfach mal medial ungerecht behandelt typisch deutsche…
Posted by Massiv on Saturday, 21 November 2015