Autor: Sebastian Weigelt
Die Videos im deutschen Rap werden immer aufwendiger und auch facettenreicher. Der Fokus der Videos wird immer mehr an das Soundbild und das Image des Artists angepasst. Dadurch wirken die Videos oft als große Kunstwerke in Form des Zusammenspiels von Bild und Ton. Ich finde es in letzter Zeit immer wieder beeindruckend, was im deutschen Rap für visuelle Kunstwerke entstehen. Und das gilt für alle möglichen Bereiche des Genres – was ich an ein paar Beispielen belegen möchte.
Besonders bei Basstard waren die ersten beiden Auskopplungen seines Albums im Hinblick auf das aufwändig produzierte Video, sowie auf den Inhalt und die vermittelte Stimmung beeindruckend. Man kommt nicht umher, das Gesamtwerk als solches zu bewundern. Die aufgebaute Atmosphäre, die Spannungsbögen und die Thematik ziehen einen geradezu in das Video hinein. Basstard, der sich als den „Meister der Zeremonie“ inszeniert, spielt mit einer gewisse Mystik und deren Ästhetik – es werden Kelche voller Wein, Frauen, Insekten, Zepter, Tiere, rituelle Orgien und andere okkulte Elemente verwendet, um die mystische Aura des Meisters der Zeremonie greifbar darzustellen.
Als krassen Gegensatz zu dieser Bildgewalt findet man die letzten Auskopplungen von Lance Butters, der mit seinem Hausproduzenten Bennett On das Album „Blaow“ über Four Music veröffentlichte. Als Vorgeschmack dienten die Auskopplungen „Es zieht/Ich zieh„, „Deal with it/Raw“ und „Auf Deutschrap„. Während „Deal with it“ mit einem technisch aufwendigem Video dem überheblichen Grundtenor des Songs Raum bietet und Lance Butters in abstrakten Räumen mit Monitoren und pulsierend ausgeleuchteten Gängen zeigt, kommt „Raw“ getreu dem Namens daher. Ein marode wirkendes Video mit bewusst eingesetzten, angestaubten Effekten und Elementen, die dem ganzen einen 80er-Jahre Flair verleihen. Verzerrte Bilder, Farben und Bildrauschen führen eine beabsichtigt schlechte Bildqualität herbei. Ganz im Sinne des Tracks – das Video ist „Raw„.
Der letzte Streich: Bei „Es zieht / Ich zieh“ finden wir einen Lance Butters, der beschreibt, wie das Kiffen eine Existenz herunter zieht, gar ruiniert. Passend zum Track sieht man eine Kiffer-Wohnung, die immer weiter verranzt, nachdem der Konsument bereits verstorben ist. Eine Wohnung, die immer weiter verdreckt, während der Kadaver von den Maden zerfressen wird. Die Stimmung des Tracks spiegelt sich hierbei auf wunderbare Weise im Video wieder. Die Pizza-Reste verschimmeln, die Fische sterben, Spinnen breiten ihre Netze aus. Das Leben in der Wohnung geht weiter – „Es zieht“ am Protagonisten vorbei. Eine weitere Hochglanzproduktion, die mit metaphorischer Bildsprache brilliert.
Im Bereich Straßen-, bzw. Gangsterrap findet man diese Art der Inszenierung seltener und wenn, dann auf eine andere Art. Hier möchte ich auf Haftbefehls Video“Ich roll mit meim Besten“ mit Marteria verweisen. Der Fokus liegt weniger auf Spannungsbögen und Atmosphäre, da die kräftigeren, knallenden Beats diese Art der Inszenierung einfach erschweren und zuweilen obsolet machen. Stattdessen wird darauf geachtet, den Status des Protagonisten zu betonen. Sieht man bei Haftbefehl Frauen, Autos und anderen Dingen, die auf die selbst geschneiderte Rolle als Babo verweisen, liegt der Fokus bei Lance Butters und MC Basstard mehr auf dem Drumherum: Die Objekte und die Szenerie rücken stärker in den Vordergrund und fungieren beinahe schon als Hauptdarsteller.
Ein weiterer Vertreter des Gangsta-Raps, der durch seine Videos Standards setzt, ist Xatar. Bei seinen unglaublich hochwertig produzierten Hochglanzvideos „Original“ und „IZ DA“ liegt der Fokus klar auf der Inszenierung seiner Person. Xatar setzt sich, wie es sich für einen original Qazax gehört, mit Autos, Luxus und anderen Statussymbolen Szene. Er verknüpft dies mit seinen Texten, die von seinem Goldraub, seinem Gefängnisaufenthalt und seiner Rolle in der Rapszene handeln. Spannungsaufbau sowie Spannungsbögen findet man hier wenig, sie sind aber auch nicht nötig. Die Person selbst und die Inszenierung des Images von einem Paten, einem „Baba aller Babas„, wie ihn die deutsche Rapszene vorher nicht gesehen hat, steht im Vordergrund. Der Charakter Xatar, der gezielt provokante Einsatz von Gold-Symbolik – darauf liegt der Fokus.
Wie man sieht: Die Kunst, ein stimmiges Video, das den Song unterstreicht und nicht nur als Beiwerk dient, anzufertigen ist anspruchsvoll. Das Video darf nicht zum Selbstzweck werden, es muss den Song logisch weiterspinnen – ihn aufwerten. Doch es gibt mittlerweile genug Protagonisten in Deutschland, denen das mit Bravour gelingt. Ob das Erzählen einer Geschichte, die superlative Selbstinszenierung oder lediglich das Intensivieren der Atmosphäre – alles geht.