Als ich das erste Mal von LGoony las und hörte, war ich mir unsicher, was von dem Jungen zu halten war. Er wurde angepriesen als der neue Geheimtipp, der deutsche Yung Lean, von dem, trotz mittelmäßiger nationaler Bekanntheit, sogar schon internationale Blogs Wind bekommen hatten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich vom sogenannten „Cloudrap“ noch nicht viel gehört – die erste Berührung war dementsprechend… gewöhnungsbedürftig. Irgendwie hatte es was, wie der Junge durch die verträumten Beats mit harten Kickdrums schwamm, als wären sie Wasser. Aber irgendwie war dieses gewollt dilletantische, dieses halb-ironische auch nur so halb-geil. Ich wusste nicht so richtig, ob ich es abfeiern oder verteufeln sollte, behielt den Goon aber auf dem Radar.
Mit Tracks wie „Wasser“ (die mittlerweile gelöschte Version) oder der 2015er-Version von „Füchse“ zusammen mit den Boys von Zugezogen Maskulin schaffte es LGoony dann erstmals in meine Favoriten-Playlist bei YouTube. Auf dem „Füchse“-Remake von Enaka war der Goon für mich der hungrigste der drei Rapper und auch der, der am besten mit dem Beat umzugehen wusste – „das ist Deutschrap-Armaggedon, Bitches / keiner wird verschont“. Trotzdem blieb es angesichts der Ästhetik, der oft noch etwas schwachen Stimme und den sehr begrenzten Themen in den Texten Musik, die ich nur mit einem leicht ironischen Unterton hören konnte.
Das, soviel sei schon mal gesagt, hat sich mit „Intergalactica“ geändert. Auf seinem neuen Release ist LGoony gereifter und professioneller geworden, bildsprachlich und soundästhetisch – das deuteten schon die ersten beiden Videoauskopplungen „Heilig“ und „Utopia“ an.
Was aber nicht heißen soll, dass der Kölner von seinem Representer-Film runter ist: Es wird immer noch sehr viel über Blingbling geredet, wahnsinnige Ausmaße von Reichtum berappt und ganze Luxus-Fuhrpacks in 16 Zeilen gepresst. Nichts Ungewöhnliches im Rap. Aber wie dieser ausufernde Konsumexzess und das Baden in Geld beschrieben werden, ist bei LGoony irgendwie anders als bei seinen Kollegen.
Wie… kein Anderer.
„Meine Diamonds dick und fett, sie können Sumo / Schwarzer Gürtel von Versace, Ich kann Judo“ („Babylon“)
LGoony treibt das Vergleichsgame gerne auf die Spitze: Nicht mit den krassesten um-die-Ecke-gedachten-Vergleichen oder Kollegah-esken Wortspielen, sondern mit einer manchmal fast kindlichen Einfachheit, die ziemlich feierliche sprachliche Parallelen aufzeigt. Es bringt die leichte, nicht immer bierernste Note in seine Musik, die vielen klassischen Show-offs fehlt. Die Delivery bleibt dabei aber so klar, die Beats so düster, dass LGoony sich nicht zum Comedian macht. Manchmal ziehen einen die Erzählungen so in den Bann, dass man ihm fast Glauben schenken möchte, er trage wirklich „Kronleuchter um den Hals“.
Durch seine Wortwahl schafft er es, eine gewisse Mystik und Ästhetik in seine Tracks zu pressen, die den teils oberflächlich erscheinenden Themen Tiefe verleihen und den Hörer in eine weit entfernte, futuristisch angehauchte Welt entführen. Und die ist mal zuckersüß und klebrig, voller Milch und Honig („Utopia“), und dann wieder erschwerlich, erdrückend und dystopisch („Blutmond“). Beides kann Goony gut rüberbringen, vor allem bei düsterem Setting aber, kommt sein manchmal ans Schreien grenzender Flow gut zur Geltung.
Der dafür ausgelegte Soundteppich, der u.a. von DJ Heroin, GEE Futuristic, Karol Tip und Nikki 3k bereitgestellt wurde, steht dem Album außerordentlich gut. Wie bei einem Release namens „Intergalactica“ zu erwarten, hört sich alles schön spacig und extraterrestrial an. Das orientiert sich natürlich alles am „state of the art“ des Cloudraps und macht keine Lichtsprünge in unbekannte Weiten – für das, was es sein will, ist es aber stark.
Innenleben voller Bling-Bling
„Hab so viel Ice auf mir, kühl wie die Arktis / Man, nenn mich Dezember“ („Hochhaus“)
Immer, wenn einen das Gefühl beschleicht, man dürfte endlich einen genaueren Blick auf den nachdenklichen, tiefgründigen LGoony werfen, wird einem wieder ein Clubbanger voller Ice, Waffen und Liebhaberinnen ins Gesicht geklatscht. „Intergalactica“ ist eine Reise durch LGoonys Gedanken, eine Reise durch prunkvolle Säle, in denen Kronleuchter und Versace-Tücher gleichermaßen von der Decke baumeln, in denen Turnup mehr als nur ein Anglizismus ist – unterbrochen von kurzen Sneak Peeks in kleine, düstere Abstellkammern, die vollgepackt sind mit Gedanken, Zweifeln, eigenen Weltansichten. Immer, wenn man es wagt, eine dieser Kammern zu betreten, um zu sehen, wer LGoony ist, klatscht einem der Hausherr die Tür vor der Nase zu und schubst einen unsanft in den nächsten glitzernden Salon.
Haute Cuisine oder Einheitsbrei?
Bei all den Stärken zeichnen sich über das Album hinweg auch zwei Mankos ab. Eines ist LGoonys Stimme – die kann, wie gesagt, richtig gut auf den Beat kommen, wenn der Goon ein bisschen sauer wird und aggressiv spittet. Tut er das nicht und fällt auch das Autotune weg, dann klingt sie aber ein wenig zu lasch, fast unsicher. Als wüsste er nicht, ob er jetzt richtig loslegen und das Game übernehmen soll, oder lieber noch ein bisschen warten.
Zweitens: Die einzelnen Tracks funktionieren für sich genommen gut („Verlieren“, „Gary Cooper“) oder sehr gut („Heilig“, „Für Immer“, „Utopia“), über 13 Tracks hinweg verlässt sich LGoony aber vielleicht zu oft aufs selbe Rezept. Autotune-Hooks, hart gerappte Parts, flashige Synthieflächen – es beschleicht einen das Gefühl, mehrmals das selbe Gericht leicht abgewandelt vorgesetzt zu bekommen. Um bei der Essens-Analogie zu bleiben: Man stelle sich vor, 13 Tage lang zum Abendessen immer in das selbe Restaurant zu gehen. Zu einem Italiener, der eine wirklich richtig geile Pasta macht. Jeden Abend kriegt man nun diese Pasta vorgesetzt, nur mit einer anderen Sauce. Für sich genommen schmeckt das jedes Mal echt lecker – am Ende hat man aber 13 mal hintereinander Nudeln gegessen.
Angesichts dessen ist es erfreulich, dass kurz vor Ende des Tapes nochmal Haiyti mit in die Küche springt, um mit ihrer schrillen Stimme noch ein paar Geschmacksexplosionen auf den Teller aka den Track „Kanye West“ zu zaubern. Tag zehn – Es gibt Steak!
Ziemlich fly, mit Luft nach oben
Auch wenn es zeitweise etwas an Abwechslung mangelt, schwebt man mit „Intergalactica“ durch ein 13 Track-langes Gooniversum, das sicher noch einige unentdeckte Planeten bereithält. Alles, was an LGoony von Beginn an interessant war, hat er sich auch auf diesem Release bewahrt. Den Wortwitz, das übertriebene Frönen des Konsums, die Angriffslustigkeit auf das Game. Nur: Der Blödsinn wurde ein bisschen beiseite geräumt, die Low Budget-Ästhetik zurückgefahren, an Flow und Lyrics geschliffen und ein hervorragender instrumentaler Unterbau besorgt, auf dem teils traumartig daherkommende Lyrics Platz finden – die neben all dem Prunk und Protz manchmal auch richtig philosophisch werden.