Imperator also. Nach Boss der Bosse und King ist das ja auch die logische Steigerung. Und eins ist klar: Kein Superlativ ist Kollegah auf Dauer genug. Weltmonarch, Pharao, Kaiseraura. Früher oder später muss ein neuer her, um den alten zu toppen. Mit dieser Schiene fährt er bereits seit Jahren – ausgesprochen erfolgreich – und hat sich mittlerweile seinen eigenen, stetig wachsenden Kosmos geschaffen.
Einer der Grundwerte dieses Kosmos‘ ist stetiges Wachstum. Wie das aber nun mal so ist: Ewig wachsen geht auf Dauer nicht. Irgendwann ist die Selbstüberhöhung ausgereizt, irgendwann geht es nicht mehr höher, schneller, weiter, irgendwann ist jeder Wie-Vergleich gezogen. Oder, um es in einer dem Titel angemessenen Sprache auszudrücken, irgendwann ist das eroberte Reich so groß, dass der Zerfall nur noch eine Frage der Zeit ist.
Und dieser Punkt scheint näher zu rücken. „Imperator“ steht womöglich am Ende einer Entwicklung Kollegahs, die aus zwei gegenläufigen Trends besteht: Während die Beats anfangs liebloser Synthie-Trash waren und sich vor allem seit „King“ stetig besser anhören, stagniert der Boss am Mic von Jahr zu Jahr mehr. Die Selbstbeweihräucherungen scheinen ihm selbst keinen allzu großen Spaß mehr zu bereiten, trotzdem rattert das Eigenlob natürlich wie gewohnt um die Ohren des Hörers.
Groß überraschend oder aufregend ist das allerdings schon seit längerem nicht mehr. Was fehlt, ist die aufreizende Dreistigkeit, mit der Kollegah seine Lobeshymnen aufs eigene Ego vorgetragen hat. Und die Sache mit den Teekesselchen ist langsam auch durch. Dazu kommt, dass Kollegah selbst in seiner einstigen Königsdisziplin, den Doubletime-Passagen, Schwächen und Unachtsamkeiten zeigt, die er sich früher nicht erlaubt hätte.
Das Problem ist: Abgesehen von technisch anspruchsvollem, inhaltlich aber ermüdend redundantem Eigenlob fällt Kollegah nicht so wahnsinnig viel ein. Die deeperen Songs „Zeit“ oder „Assassine“ sowie die Realtalk-Passage auf „Pharao“ hat man so oder ein bisschen anders auch schon von ihm gehört: Materialismus ist nicht das Wahre, innere Werte zählen, er hatte es früher nicht leicht etc. Nicht, dass man ihm das nicht abnimmt, ganz im Gegenteil. Aber es ist nun mal kaum ein Ersatz für die vor Übertreibung Funken sprühenden Punchlines, die Kollegah früher abgefeuert hat.
Überhaupt: What happened to the Punchlines? Hat man sich zu sehr an den Style von Kollegah gewöhnt oder sind die tatsächlich einfach nicht mehr so einprägsam und eingängig, so überdreht-krass wie einst? Gut, irgendwo ist das alles natürlich ein strukturelles Problem. Die Gnade der Anfangszeiten, wenn alles noch jung, brutal und gutaussehend ist, bleibt keinem Rapper in alle Ewigkeit erhalten. Alles nachvollziehbar und verständlich – ändert aber am Ergebnis rein gar nichts.
So lebt „Imperator“ hauptsächlich von den hervorragenden Beats. Konzessionen an den Zeitgeist wurden dabei keine gemacht, „Imperator“ enthält ziemlich genau 0% Trap, Cloud oder wie immer man es nennen will. David x Eli, die Beat Brothers, Undercover Molotov, Joshimixu & Juh-Dee, Hookbeats & Phil Fanatic leisten großartige Arbeit. Wuchtige Drums, satte Bässe, alles fein und mit Auge fürs Details ausproduziert. Nix mehr mit Kirmesbeats – bis auf bei „Siegerlächeln“, wo genau diese Kritik augenzwinkernd Falk und Staiger in den Mund gelegt wird.
Das ist dann auch einer der Glanzpunkte. So lässig und entspannt hört man den Boss auf „Imperator“ sonst eher selten. Entweder ist er etwas angestrengt damit beschäftigt, sich selbst mit allerlei bombastischen, comicartig übersteigerten Wie-Vergleichen anzupreisen oder er versucht im Vorbeigehen, die Frage nach den komplexen Problemen der Welt in ultravereinfachte Antworten wie „Bankensystem“ oder „Bilderberger“ zu pressen. Der offensichtliche Widerspruch dazwischen wiederum wird einfach weggelächelt – natürlich mit besagtem Siegerlächeln.