Review: Neunfünf – NORD s

Es gibt Musik, für die man eine besondere Stimmung braucht, um sie wirklich fühlen zu können. Und es gibt Musik, die eine eigene, besondere Stimmung erzeugt, sobald man sie hört, ob man will oder nicht. Und zu letzterem zählt Neunfünf, Gründer des Kollektivs Nugod Cloud, mit – ja mit eigentlich allem was er bisher veröffentlicht hat und so auch mit seinem neuen Werk „NORD s“. Sein Vorgänger-Tape „Trunkshop Stories“ wurde erst im Juni dieses Jahres veröffentlicht und hat spätestens da das Alleinstellungsmerkmal Neunfünfs herausgearbeitet, für das er mit „About Parks and Clouds“ die Grundpfeiler gesetzt hat und mit seiner aktuellen EP nun weiter komplettiert. Das wahrscheinlich erstaunlichste der Atmosphäre, die er auf einigen Tracks schafft: Es schwingt oft ein traurige Stimmung mit, die jedoch statt Trauer zu erzeugen, für den Moment alle negativen Gefühle auflöst.

Bei „NORD s“ ist das allerdings etwas anders, denn es vermittelt von Anfang an nur Positivität und gute Laune. Dieses Mal gibt es zwar nur vier Tracks, aber mehr braucht es auch nicht, um in der Zeit, in der sie stattfinden, alles zu vergessen, was man bis kurz vor Hören des Werkes noch getan hat und den Hörer so schnell, wie sie ihn in seinen Bann gezogen haben, auch wieder in den Alltag zurück zu entlassen – aber mit Nachwirkungen, im positiven Sinne.

Mit dem Zweiteiler „LiebeFürDieJungs“ braucht Neunfünf nicht viele Worte, um zu sagen, was für ihn im Leben wirklich zählt: die Jungs, eben, was sich thematisch durch die gesamte EP zieht und was er auch ziemlich simpel ausdrückt. Allgemein lässt sich zu den Lyrics auch nicht so viel sagen, da sie zum Großteil sehr minimalistisch eingesetzt werden, was den langjährigen Raphörer stören könnte. Aber oft braucht es ja nicht viele Worte, um etwas zu sagen.

Nachdem der erste Part einer ruhigen Ballade gleicht, ist der zweite Teil viel aufgewühlter und auf eine ganz andere Weise emotional, als der erste, vermittelt aber trotzdem die gleiche Message. Außerdem ist „LiebeFürDieJungs2“ der einzige Track, der nicht von Neunfünf selbst, sondern von Nugod Cloud-Kollege Box Film Father produziert wurde. Dieser hinterlässt mit seinem Instrumental zwar eine eigene Handschrift, hält sich allerdings im Stil weiterhin in dem von Neunfünf kreierten Soundbild auf.

Der Titel „NORD s“ klingt nach Fernweh und Heimat zugleich, zwei Themen, die sich in den anderen beiden Tracks, „asot500“ und „Auenland“, auch wiederfinden. Beides sind sehr hellklingende Songs, unterscheiden sich dennoch wesentlich in ihrem Sound. Ein Gefühl, welches sich thematisch zusätzlich in diese beiden eben erwähnten Bereiche einordnet, ist Sehnsucht. Dieses kommt zum Beispiel in dem Vocal-Sample, welches wohl dem polnischen Lied „Italiam Italiam“ von Niemen entnommen wurde, des ersten Tracks der EP zutrage. Aufgrund der polnischen Wurzeln Neunfünfs kann man Heimatgefühle und Fernweh aber genauso gut damit verbinden. Das Sample hätte man zwischendurch allerdings noch etwas mehr in den Hintergrund stellen können, da es den Track an manchen Stellen fast überlastet. Das fällt aber auch erst nach mehrmaligem Hören auf und ist demnach schon Jammern auf hohem Niveau.

Die Wortkombination fröhlich-ruhig beschreibt Neunfünfs Flow auf „asot500“ wohl am besten und dieser Track kann schon mit Beginn der Melodie nur für ein wohltuendes Gefühl beim Zuhörer sorgen. Musik, die man unterwegs während diesem regnerischen, kalten und windigen Herbstwetter hören kann, ohne direkt wieder ins warme Zuhause zu wollen. Dieses Wohlbefinden kann der Hörer direkt mit zum (bzw. in das) darauffolgenden „Auenland“ hinüber nehmen. Dieser Song löst die Aufregung auf, die sich im vorherigen Track durch seine Schnelligkeit gebildet haben könnte, und lädt zum gedankenverlorenen Entspannen ein.

Mit seinen bisherigen Werken hat Neunfünf im übertragenen Sinne nicht nur eine eigene, neue Farbe geschaffen, die in der bunten Musiklandschaft heraussticht, sondern gleich eine eigene Farbgruppe, da kein Song den anderen einfach ersetzen könnte, auch wenn sie alle auf ihre Weise zusammenpassen. Die Soundästhetik könnte für den ein oder anderen noch sehr gewöhnungsbedürftig sein, lässt man sich jedoch erstmal darauf ein, erkennt man, was Neunfünf mit seiner Musik vermitteln will, ohne dass man jedes Wort verstehen muss.

„NORD s“ kann auf SoundCloud gestreamt oder hier (Direktlink) kostenlos heruntergeladen werden.

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