Review: Kool Savas – Essahdamus

Wenn im Hause Savas Mixtape-Zeit ist, dann weiß der geneigte Fan: Es wird sich locker gemacht und wild durch die Gegend gefeaturet. Obwohl, stimmt nicht ganz. Die handelsüblichen, schnellproduzierten Features sind über die Jahre Tracks gewichen, die lediglich aufgrund ihrer entkrampften Thematik keine Albumsongs sein könnten. Rap- und produktionstechnisch ist „Essahdamus“ ein Album, dessen Struktur dann doch einem typischen Mixtape gleicht. Auf den Instrumentals von unter anderem Abaz, Smoove und Kool Savas selbst gibt es weder thematische noch soundtechnische Eingrenzungen. Von den zu erwartenden knallharten Representern über ruhige tiefgründige Tracks bis zu Ausflügen in R’n’B und Country-Gefilde („Candyman“) ist alles vertreten. Letzteres mit der notwendigen Metaebene der Ernsthaftigkeit, wobei der Track fast schon zu authentisch klingt, um wirklich cheesy und somit unterhaltsam zu sein.

Manchmal wird auch alles wild durcheinander gemischt und es entstehen Tracks wie „Steinzeit“ – eine Ballade über die Wack MCs und mit einer Karen Firlej in der Hook, die es schafft, das Wort „Missgeburt“ wunderschön rüberzubringen. Doch Savas wäre nicht Savas, wenn er auf dem Großteil der Tracks seinen Status als King Of Rap nicht untermauern würde. Die Flowpattern, das Spielen mit der Stimmlage und die erzeugten mitunter absurden Bilder sind on point und zwingen den Hörer bereits nach den ersten anderthalb Minuten („Surrender“) zu einem kurzen Durchatmen.

Klar hat man das alles schon so oder so ähnlich gehört und mit Rap über Rap kann man das Rad auch nicht neu erfinden. Das Gute an der Sache: Battlerap lebt nun mal unweigerlich vom Hunger des Rappers, vom unbedingten Drang nach Ruhm und Anerkennung. Was man wenigen Songs bereits festhalten kann: Savas hat es noch! Mit den richtigen Beats („Ich bin fertig“, „Essahdamus“) oder Featuregästen („On & On“, „Wahre Liebe“) wird aus dem vermeintlichen Einheitsbrei ein Allerlei der Geschmacksexplosionen.

Was „Essahdamus“ noch zusätzlich von zum Beispiel „John Bello Story“ eins bis drei unterscheidet, ist Savas’ innerer Frieden – wohl auch dank der kommerziellen Erfolge von „Xavas“, „Aura“ und „Märtyrer“. Noch nie klang Sav trotz Hunger so unverbissen. Auf keinem Tape kommen die Rhymes derart aus der Hüfte geschossen. Ein nicht unwichtiges Detail des Kool Savas von heute. Da ist es ihm wohl auch etwas leichter gefallen, mit „Essah, Essah“ den wohl persönlichsten Track seiner Karriere zu veröffentlichen. Rein vom Hörgenuss krankt der Track leider daran, dass die inhaltliche Tiefe mit der Leichtigkeit des Beats und dem Mixtape-Feeling nicht zwingend zu vereinbaren ist und somit aus Savas ehrlichsten Strophen nicht zugleich der emotionalste Track seiner Karriere wird.

Kommen wir zu den Features: Die Gästeliste liest sich stellenweise wie ein buntes Stelldichein der deutschen Rapszene: KC Rebell, Sido, Azad, Samy Deluxe, Adesse, M.O.R., Olli Banjo, PA Sports, Laas Unltd., Milonair, Samson Jones, Remoe und Vega. Während die vorherigen Mixtapes auch in irgendeiner Form Labelsampler waren und deswegen stellenweise unfreiwillig komisch bis deplatzierte Parts darboten, die weder störten noch positiv heraus stachen, ist die Qualität auf „Essahdamus“ konstant hoch. Die eben erwähnte Lockerheit hat dafür gesorgt, dass sich Savas Feature-Möglichkeiten erweitert haben und daraus ein gewisser Facettenreichtum resultiert. Kool Savas gibt zwar immer die thematische Ausrichtung vor, aber lässt sie in ihren Paradedisziplinen antreten. Bestes Beispiel ist „Sneakers & Heels“, ein Track über Fußfetischismus. Und wer wäre dafür besser geeignet als „Long Island Ice Tea“Jonesmann und sein unehelicher Sohn Remoe. Der Tracks erinnert etwas an „Fick dich nicht“ oder „Myspace“, kommt aber weitaus vulgärer und somit positiv abstoßend rüber. Savas hat seine Herangehensweise an Features perfektioniert. Die daraus resultierenden Déjà-vu-Erlebnis wie bei „On&On“ („Feuer“ von „John Bello Story 2“) tun der Sache da keinen Abbruch – ganz im Gegenteil. Man freut sich als Hörer, dass die Potenziale der Tracks endlich ausgeschöpft wurden.

Der Rahmen des Releases ist wohl zudem noch ein gegebener Anlass dafür gewesen, dass sich Rapper wie Samy Deluxe und Olli Banjo wieder auf ihre Stärken besonnen haben und man wieder etwas Reminiszenz erzeugen konnte. Die alten M.O.R-Atzen machen richtig Spaß und erinnern nicht nur dank des sparsamen Beats und der passenden Hook tatsächlich ein wenig an die gute, alte, unordentliche Zeit. Wer nicht Teil dieser glorreichen alten Ära war, der ist wohl geneigt vorzuspulen – ganz im Sinne von Yassin, der in einem der vielen Outros zu Wort kommt. Zeichneten sich Mixtapes einst durch gescratchte Übergänge aus, gibt es auf „Essahdamus“ neben Skits und Interludes auch unterhaltsame Zwischensequenzen von Audio88 & Yassin, Montez, Cr7z oder DJ Eule. Eine nette Idee, die ich in der Form noch nie zuvor gehört habe, aber mehr als befürworte.

Es ist jedenfalls kein Gastpart dabei, den man aus rein objektiven Gründen am liebsten geskippt hätte. Für meinen Geschmack hätte man auf „Baby ich bin ein Rapper“ mit KC Rebell und „Steinzeit“ mit Laas Unltd. die Grenzen des guten Geschmacks etwas mehr austesten können und die Strophe von R.A. the Rugged Man auf „Wahre Liebe“ ist schlichtweg eine Geschmacksfrage. Gerade weil Kool Savas und Samy Deluxe ein solches Tempo vorlegen, sodass man sich einen Rapper wünscht, der mindestens mithalten kann oder mit einem großen Knall abschließt.

„Essahdamus“ bündelt nochmals alle Stärken von Savas‘ Ansprüchen an ein Mixtape und ist nicht nur aufgrund der exklusiven Beats kein Mixtape im klassischen Sinne. Man könnte es eher als ein kohärentes Feature-Album bezeichnen, dessen Gesamteindruck ein bis zwei Tracks weniger wohl gut getan hätte. Er selbst bleibt seiner bewährten Formel weitgehend treu, modifiziert sie aber in einigen Punkten, streut etwas Tiefgang ein und wirkt refresht ohne abzudriften oder sich selbst zu verraten.