Trettmann – Kitschkrieg 2 [Review]

Vom Dancehall-Ronny, der immer irgendwie am Rande der Szene rumgeisterte, zum Based-Trettmann und zur Galionsfigur eines HipHop-Subgenres in nur fünf Monaten. Seit Anfang des Jahres ist einiges anders bei dem gebürtigen Leipziger. In den Videos wird gedabbt, in den Songs über „Turn Up unter Palmen“ sinniert und auch der Twitter-Grind ist dem Zeitgeist angepasst. Nun könnte man dem guten Herren natürlich Berechnung vorwerfen und das sogar mit halbwegs gutem Grund. Hört man aber die beiden „Kitschkrieg„-EPs sollte jeder Verdacht von Auf-den-Zug-Springerei im Nu verflogen sein. Denn während der klassische Backpacker mit grimmigem Blick den Rucksack enger schnallt, macht Trettmann im Endeffekt vor allem eines: Sehr gute Musik.

Die musikalische Untermalung seines Produzenteams Kitschkrieg kommt bei dieser EP sehr viel sommerlicher und heller daher, als beim Vorgänger – vom schon lange bekannten „Raver“ mal abgesehen. Doch egal ob sommerlich oder düster und verspult, der Sound ist Trettmann erneut wie auf den Leib geschnitten. Die Drums werden dezent verwendet, aber drücken dafür umso mehr. Die Melodien sind einprägsam, aber lassen der Stimme dennoch mehr als genug Raum zur Entfaltung. Beispielhaft dafür steht der hervorragende Opener „Bukanier„, auf dem sich Trettmann mit den Freibeutern und Seefahrern des 17. Jahrhunderts vergleicht. Der Song braucht gerade einmal eine verträumte, klimpernde Melodiespur, gepaart mit einer organischen Bassline und spitzen Drums – den Rest erledigt der Protagonist mit der eigenen Stimme, die stets als eigenständiges Instrument eingesetzt wird. Weniger ist in diesem Falle nicht nur mehr, sondern ein lupenreiner Sommerhit.

Weg vom Sound, rein in die Lyrics. Denn auch hier bietet diese EP einiges. So lässt man mal eben politische Statements direkt auf Deutschtrap-Referenzen folgen: „Ich in der Crowd, bei Ignaz und Goony im Lido, Witness the Litness/ Wochenlang ausverkauft, Turn Up Hardcore im Moshpit zu Nasa im Blitzlicht/ (…) Nächster Tag, Taxifahrt, Alman-Boulevard, Unter den Linden/ Keine Liebe für schwarz, rot, Pussyhole Gold, hör mal auf, sonst muss ich erblinden/ Schau mir nicht ins Gesicht, Pussypimpf, ich werd‘ deine Hymne nie singen/ (..)„.

Auch bei der Wahl der Features macht Trettmann alles richtig. Zusammen mit Traps First Lady Haiyti aka Robbery wird auf „120 Jahre“ das Nacht- und Clubleben mit allen Facetten verehrt, während auf dem „Skyline“-Remix kurzerhand zwei Generationen deutschen Raps in Form von Ufo361 und Samy Deluxe zusammen gebracht werden. Vor allem letzterer gibt auf der Neuinterpretation des Winterhits eine sehr gute Figur ab, die Cuts von DJ Stylewarz geben dem Track den letzten Schliff.

Der heimliche Hit dieser EP ist dennoch „Raver„. Auf Songlänge wird mit eben jenen Leuten abgerechnet, die den Turn Up für den echten Raver zur Qual machen und der Ursprung des Wortes „Rave“ ein für alle Mal geklärt: „Mulligan’s, UK -Trompeter/ Album hieß „Raver’s“, der Originator/ Lange vor Love Parade, Heinrich dem Schäfer/ Mir aus den Augen, ihr seid keine Raver„. Was schnell nach gehobenem Zeigefinger samt strengen Blick in den Duden klingen könnte, wird von Trettmann tanzbar verpackt und club- sowie turnuptauglich gemacht. Spätestens wenn das Wort „Crossfader“ im Outro dieses Songs wie „Krossfehder“ ausgesprochen wird, ist der Swah auf dem Maximum.

Kitschkrieg 2“ ist die logische Fortführung des Sounds, der mit der ersten „Kitschkrieg“-EP eingeschlagen wurde. Zeitgenössische Instrumentals treffen auf sehr gut geschriebene Lyrics und sächsischen Gesang samt pointiertem New Gen-Vokabular. Trettmann ist in meinen Augen der vielleicht spannendste, weil ungewöhnlichste Künstler unserer Szene. Und seine Musik ein Paradebeispiel dafür, wie man sich angenehm und authentisch weiterentwickelt, ohne sich komplett einem Trend hinzugeben.