Lakmann – Aus dem Schoß der Psychose [Review]

Schon der Albumtitel payed den alten Stuttgarter Haudegen der Kolchose Deuce – über Lakmanns Reputation im Rapgame, seinen Legendenstatus sowie seine unstreitbaren Skills am Mic muss man an dieser Stelle keinerlei Worte verlieren. Mit seinem neuen Album „Aus dem Schoß der Psychose“ bündelt Laki nun seine Erfahrung und nimmt das Magnus Opus seiner Karriere in Angriff – ganz ohne Industrie-Anbiederei oder Promo-Bollwerk im Rücken, versteht sich.

Lakmann steht für schnörkellosen, technisch versierten Rap auf straighten Beats –  so kompromisslos, wie sich das nun anhört, klingt auch „Aus dem Schoß der Psychose“ . Experimente, Innovation oder Gehversuche auf neuem Terrain? Fehlanzeige. Dennoch, oder gerade deswegen, schafft Lakmann es, die über einstündige Spielzeit durchgängig spannend zu gestalten. Der Wittener kennt seine Stärken ganz genau und weiß diese geschickter als je zuvor auszuspielen. Während die erste Hälfte des Langspielers von durchaus abwechlungsreichen Rap-über-Rap-Tracks durchzogen ist, schlägt Laki in der zweiten Hälfte persönlichere Töne an.

Dabei greift Lakmann zwar gelegentlich in eine längst verstaubte Trickkiste, etwa wenn er auf „Es gibt niemanden der singt in meiner Hood“ die vergilbte und zerknitterte Hook-darüber-dass-es-keine-Hook-gibt Karte zieht, aber die wird ebenso überzeugt und inbrünstig vorgetragen, wie der ein oder andere zweckmäßige wie-Vergleich. Lakmann erscheint hungriger als je zuvor, aber auch kontrollierter und besonnener. Die berechtigte Großmäuligkeit kommt ihm dabei natürlich nicht abhanden – die besten Punchlines sind die, die nur aus Lakis Mund funktionieren und von dessen markanter, rougher Delivery leben.

Okay, die Zeit läuft – gib mir nur knapp ’ne Minute / Zeig mir die Booth, ich brauch‘ nur zwei Versuche // Beim ersten wird gepegelt, der zweite fickt dein Leben / Soll ich noch doublen, oder hat sich das erledigt?“ („Wer hat Herz“ )

Allerdings geht Lakmann entgegen aller Roughness mit bemerkenswertem Fingerspitzengefühl zugange, wenn es an die kopflastigeren Songs geht. Ein absolutes Highlight stellt dabei „Unschärferelation“ dar, das sich zwar pathetisch, aber in keiner Silbe kitschig, mit Zeit und Vergänglichkeit beschäftigt. Das unmittelbar folgende „Kriegsberichte“ hat einen simplen, aber wirkungsvollen Ansatz: Beiläufig und unbekümmert trägt Lakmann eine Liste von Kriegen vor, die auf der Welt tobten – begonnen beim Afghanistankrieg, der in Lakis Geburtsjahr 1978 begann. Der erste Part deckt seine ersten zehn Lebensjahre ab – 16 Bars, eine Dekade voller Kriege. Die Kriege werden nicht theatralisch beschrieben, der Schrecken wird nicht aufgezeigt – das bleibt dem Hörer überlassen. Die Profanität der Aufzählung betreibt Effekthascherei mit umgekehrter Psychologie – was ganz hervorragend funktioniert. Solche Kunstgriffe sind neu in Lakmanns Repertoire – und glänzen dort.

Neunzehn’einundneunzig – Krieg in Slowenien / Zwar nur zehn Tage Mann, das wirkte ja wie Ferien“ („Kriegsberichte“ )

Ebenfalls glänzen kann Lakmanns zielsicheres Händchen für Beatpicks. Ein knappes Dutzend Produzenten war am samplelastigen Beatkonstrukt von „Aus dem Schoß der Psychose“ beteiligt – was kaum auffällt. Das liegt zum einen am durchdachten Tracklisting, das mit sinnvoll durchwechselnden BpM der jeweiligen Songs und einer thematischen sowie klanglichen Abstimmung eine tragende Rolle einnimmt. Auch aber daran, dass ein Großteil der Beats jeweils von einem kleinen, feinen Element seinen Reiz verliehen bekommt. Ob das tatsächlich ein Ziel in der Produktion war, oder eine zufällige Beobachtung meinerseits ist, kann ich natürlich nicht sagen – aber das sparsam eingesetzte blecherne Klappern im Hintergrund von erwähntem „Unschärferelation“ , die dezenten Hi-Hats in „Missverständnisse“ , das kurze Gesangssample in „Fast vergessen“ und unzählige weitere Kleinigkeiten sowie einige clever eingesetzte Cutz, verhindern, dass die, eigentlich stur geloopten, skizzenhaften Samplebeats Monotonie aufkommen lassen.

Und dann denkt er an Nirvana, an Kurt Kobain – ja, so stirbt sich’s / Er denkt an Club 27, bis er bemerkt: Yo, ich geh schon auf die 40“ („Unschärferelation“ )

Überhaupt wird „Aus dem Schoß der Psychose“ trotz der überdurchschnittlichen Spieldauer und ganzen 20 Anspielstationen kaum langweilig. Lediglich im Mittelteil vorm stilistischen Twist und vor Ende wird es kurz zäh. Ansonsten schafft Lakmann es mit Bravour, das gesamte Album zu tragen – auch mithilfe erfrischender Feature-Gäste. Eine besonders gute Figur machen Lakis ehemaliger Creutzfeld & Jakob-Partner Flipstar, Witten Untouchable-Kollege Al Kareem und Ruhrpott-Urgestein AphroeLakmann ist einfach kompromisslos ehrlich, setzt auf seine Stärken und scheint ein besonderes Augenmerk auf die Variabilität des Albums gelegt zu haben – was ihm das beste und sympathischste Album seiner langjährigen Karriere ermöglicht. Untouchable.