„Und jede Art von Presse hab ich lebenslang gefressen / Die kennen keinen Reim auf Haus und erzählen mir ein‘ von Texten.“ („Fhug life„)
Ähm, okay. Hört sich nach ziemlich anmaßenden Kollegen an, die 3Plusss da beschreibt. Können eigentlich nur wir mit gemeint sein. Aber mal im Ernst, nach mehrmaligem Hören der „Auf der Stelle“ -EP würde mir eher nicht einfallen, ihm was vom Texten und Reimen zu erzählen.
Betonung auf ‚mehrmaligem‘ – mein erster Eindruck der EP war nämlich: Zu weinerlich das Ganze, viel Drama um die eigene Existenz, höchster Grad an Melancholie. Aber: Nach mehrmaligem Hören in Bahn, Bus, auf dem Weg zum Späti ist 3Plusss voll in meiner Playlist angekommen. Die ironisch umgesetzte Nachdenklichkeit der Lyrics trifft nicht immer die eigene Laune, der Soundteppich ist aber durch und durch großartig. Die von Bennett On und Peet aka We Do Drums produzierte EP klingt sehr synthetisch, die Beats auf allen sieben Tracks sind unheimlich stark.
Inzwischen sind drei Songs als Video ausgekoppelt worden, „Fhug life“ und „Schweigen“ waren schon die Vorboten dafür, dass sich der Sound des gebürtigen Esseners düsterer und nachdenklicher anhört, als auf seinen vorangegangenen Veröffentlichungen „Kindskopf“ und „Mehr“. Die Ironie ist immer noch vorhanden, haben sich aber schon fast in Zynismus verwandelt. Den kann auch die Pinguin-Affinität des Künstlers nicht aushebeln, die sich durch das ganze Album zieht.
Der rote Faden rund um den unerträglich leichten Hustle der Generation Y, die sich in erster Linie durch Tweets, Instagrambilder und Snapchat-Müll ihrer Individualität versichern will, zieht sich komplett durch den Extended Player. Wenn 3Plusss nicht gerade von seinen eigenen schlechten Tagen rappt, an denen er sich nicht mal beim Zahnarzt ein Lächeln abringen kann, pisst er kurzerhand all jenen Künstlern ans Bein, die mehr durch Web-Promo als durch ehrliche Punchlines ihren Fame bekommen: „Jeder Hinz macht jetzt Kunst / Labert oberflächlich deep und wird dann von kleinen Kinder gepumpt / Gute Dinge brauchen Zeit, schlechte Dingen brauchen Hype“ („Fhug life„)
Die Arrangements sind durchweg ausgefeilter als das übliche Hook-Strophe-Hook-Strophe-Schema. Die Tracks laufen zum Teil instrumental aus und steigen auch so ein. „Hey Pinguin“, das als dritte Video-Auskopplung erschienen ist, mit seiner fast schon richtig poppigen Hook auf stumpfem Synthi-Sound, könnte sogar fast eine gewisse Chart-Tauglichkeit unterstellt werden – um Gottes willen.
„Auf der Stelle“ ist ein lyrisch schwermütiges Werk, durch die Beat-Produktion unterscheiden sich die einzelnen Tracks aber soweit voneinander, dass es nicht eintönig oder langweilig wird. Aus dem ruhigen Flow („Irgendwie so“ ) wird man bei „Fhug life“ gerissen, wenn die Scratches gepaart mit verzerrten Synthesizereffekten einsetzen.
Der Song „Schweigen“ bildet den Schluss, die melodische Vielfältigkeit mit künstlichen Pausen und wuchtigen Beats ist mein persönliches Highlight und rundet die EP ab. 3Plusss rappt hier etwas abstrahierter über zwischenmenschliche Beziehungen und die Abturns des Lebens. Es lohnt sich auch in das dazugehörige Video zu schauen, dass in einem Take gedreht wurde und unter dem der 24jährige einen kurzen Text verfasst hat, der mit den Worten endet: „Und alles wofür es sich zu kämpfen lohnt, ist es nicht mal wert duschen zu gehen“ Trifft die Stimmung der EP ziemlich exakt.