Lieber Bushido, Vattenfall hat dieses Jahr rund drei Milliarden Dollar Verlust gemacht. Es ist also nicht erstrebenswert, „Gewinne wie Vattenfall“ zu machen. Lieber Shindy, Vogelnester sind nicht fly. Die liegen nur auf Bäumen rum. Ist es denn so schwer, derart sinnlose Lines zu vermeiden? Das sind natürlich Härtefälle, man kann dennoch zum Einstieg konstatieren, dass die Texte der größte Schwachpunkt auf „Cla$$ic“ sind. So richtig hängen bleiben will nur eine Handvoll Lines, thematisch beschränkt sich das Album auf eine überspitzte Darstellungen der eigenen haushohen Überlegenheit gegenüber jedem und allem, die häufig durch Gegenüberstellung der Unterlegenheit der anderen á la „Ich sitz‘ auf paar Millionen und du sitzt auf einem Bahnsteig“ abgerundet werden.
„Der rote Faden ist Hype / Ist das Sklavenarbeit? / Der Shit ist wie Ich & Ich – jetzt ist der Adel am Mic“ („Adel„)
Lyrisch elegant, inhaltlich jedoch plätschert das Album recht ereignislos vor sich hin, aber weltbewegende Inhalte sind hier ohnehin nicht der Knackpunkt. Der unumstrittene Star des Albums sind die Hochglanz-Produktionen, die das Duo gemeinsam mit Djorkaeff und Beatzarre aus dem Boden gestampft hat. Jeder einzelne Beat strahlt nur so vor Highsociety-Glamour, klingt nach dem Soundtrack strenggeheimer Treffen einer okkulten Machtelite im Fackelschein, zu dick und pompös aufgetragen wird aber nie. Verschiedene wiederkehrende Versatzstücke geben „Cla$$ic“ einen homogenen, schlüssigen Anstrich. Sündhaft teuer klingende Pianos, bedrohlich verzerrte, verhallte Synthies, stilvoll-staubige Gesangs- und Bläsersamples und glasklare, unaufdringliche Drums prägen die Szenerie. Jedes Instrumental steht für sich und fügt sich dennoch schlüssig ins Gesamtbild ein. Die erzeugte Stimmung erinnert durchaus an „Watch The Throne“ von Kanye West und Jay Z.
Es wird also viel herablassendes, für mich eher uninteressantes Zeugs auf herausragend produzierten Instrumentalen geredet. All das passiert herrlich unangestrengt und in einer angemessen ignoranten Manier. Insbesondere Shindys über alles erhabene Attitüde schmiegt sich hervorragend an die polierten Instrumentale. Bushido hingegen klingt stellenweise, als strenge es ihn doch etwas an, gegen seine Gewohnheit so laid back zu rappen. Stimmlich kommen aber beide Protagonisten gut zur Geltung. Die Variabilität im Flow trägt der Abwechslung – konträr zur inhaltlichen Monotonie – einiges zu. So klingt „Cla$$ic“ sehr gefällig, geht angenehm ins Ohr, lässt echte Sternstunden jedoch größtenteils vermissen.
Wirklich keine Highlights? Nicht ganz. Abgesehen vom hervorragenden Marteria-Part und dem völlig überflüssigen Auftritt von Ali Bumaye wäre da noch eine erwähnenswerte Kleinigkeit. Nach Ende des letzten Bonustracks „Ist nicht alles“ folgt eine halbe Minute Stille. Das deutet für gewöhnlich auf einen Hidden Track hin. Eine weibliche Stimme erklingt. Dann ein düsterer Beat, der sich nicht so ganz ins Gesamtbild einfügen will. Eine weitere Stimme. „Yoyoyo! Es ist Money Boy – CEO der Glo Up Dinero Gang!“ – und es kommt, was niemand erwartet hatte. Money Boy und seine Protegés Hustensaft Jüngling und Medikamenten Manfred geben sich die Ehre. Letzterer droppt zwar keinen Part, scheint aber für die Adlibs verantwortlich gewesen zu sein. Warum? Vermutlich einfach, weil Bushido es kann.
So endet ein bis dato bei allem Größenwahn und extrem guten Beats ziemlich unspektakuläres Album doch mit einer Explosion. Der Auftritt der GUDG ist möglicherweise aber das einzige, wofür man „Cla$$ic“ in Erinnerung behalten wird, denn vom Klassiker ist der Langspieler leider meilenweit entfernt. Es ist einfach ein wohlklingendes Album, das einen erwähnenswert eigenständigen und hochwertigen Sound aufweist, nach einigen Malen des Hörens wird es bei mir aber wohl in der Versenkung verschwinden. Ab und zu herauskramen kann man „Cla$$ic“ dann sicherlich, aber ob es die versprochenen neuen Maßstäbe setzt? Abgesehen von den Beats: Mein lieber Scholli, sicher nicht.