Ein neues Release aus dem Hause 187 Strassenbande heißt grob zusammengefasst: Authentische Tickergeschichten in Form von nahtlos geflowten Doppelreimketten auf bedrohlichen Bass-Teppichen. Mit dem Zauber, der das Fundament für die Sonderstellung der Strassenbande darstellt, habe ich mich in meiner Review vom „Sampler 3“ bereits zu Genüge befasst – kurz: Ich bin Fan. Die beiden 187-Geheimtipps LX und Maxwell geben sich nun also am „Obststand“ die Ehre, um ihre Naturalien an den Mann zu bringen. Worum genau es sich handelt, muss an dieser Stelle wohl nicht erklärt werden. Kiwis und Orangen sind es jedenfalls eher nicht.
Am „Obststand“ nimmt eigentlich alles den gewohnten Gang. „Aufwachen, abpacken, Schnapp machen“ – Business as usual also bei den Hamburgern. Treu folgen die Protagonisten dem immer-schön-auf-die-Fresse-Style, der die Bande auszeichnet. Die Beats knüpfen nahtlos an den letzten Sampler an, muten aber stellenweise etwas weniger düster an – keine Anbiederung an die sonnige Jahreszeit aber. Tracks wie Maxwells Solo „N.I.G.G.A.„, „Wieso?!“ oder „MI“ lassen sich zwar auf jeden Fall hervorragend mit einem Feierabendbier im Park vereinbaren – weichgespült wurde aber nichts. Haus- und Hofproduzent Jambeatz versteht es einfach, jedem Beat seinen eigenen Charakter einzuhauchen und dennoch die richtige Dosis Stringenz durch komplette Alben zu ziehen.
Auch die gewohnten Ausflüge Richtung Südstaaten fehlen nicht, wie „Wir gehen hoch!!“ zeigt. Da werden zwar eindrucksvolle Flowpattern präsentiert, aber die 187-Einzigartigkeit geht dabei leider verloren. Ansonsten hat man mit Brettern wie „Außer Kontrolle„, „Geschäfte„, „Krank!“ und „Haifisch Nikez“ gewohnt leckere Kost, wie man sie am „Obststand“ erwartet. Die markanten Hooks werden weiterhin druckvoll und charmant-schief ins Mic geblökt. Die die Schlagwort-gespickten Doppelreimketten sitzen nach wie vor perfekt und driften nicht zu sehr in zweckentfremdete Technikspielereien ab. Die dichte Atmosphäre catcht auf jedem Song und zieht einen in die kompromisslose Welt zwischen prall gefüllten Bauchtauschen, Grasdampf und Jägermeister-Exzessen auf den Straßen Hamburgs.
„Mit einem Bein im Knast, ist mir egal, ich hab wieder bis zur Frist nicht bezahlt“ (Maxwell -“ N.I.G.G.A.„)
Wenn die beiden auch nicht ganz an die punktgenaue Durchschlagskraft herankommen, die Bonez und Gzuz auf ihrem gemeinsamen Album „High & Hungrig“ vorlegten, so haben sie trotzdem die rohe Gewalt in ihrer Delivery, die jedem Beat standhält und eine drückende, gefährliche Atmosphäre erschafft. Auch der Balanceakt aus Reim- und Flow-Technik und lebendigen Formulierungen gelingt dem Duo. Authentische Alltagsimpressionen, die mit Insiderwissen und augenzwinkernder Tickermetaphorik daherkommen, verleihen den beiden eine eindringliche Glaubwürdigkeit. Von Monatskarte und Tütensuppen zu Lacoste Pullover und „Haifisch Nikez„.
LX und Maxwell harmonieren ganz hervorragend miteinander. Gerade der schnelle Schlagabtausch auf „Außer Kontrolle“ illustriert hervorragend, wie stimmig die beiden Stile ineinander greifen. Während Maxwell mit unverschämter Leichtigkeit über den Beat segelt, ohne dabei an Druck einzubüßen, geht LX brachial nach vorne und macht Kleinholz aus jeder Drum, die ihm in den Weg kommt. Auch die Feature-Gäste sind wohl dosiert eingesetzt und stilsicher platziert. Neben den Bandenmitgliedern Bonez, Gzuz und sa4 sind Bozza und Capuz an Bord, die man ebenfalls bereits mit dem Dunstkreis der Bande in Verbindung brachte.
Man könnte also höchstens kritisieren, dass es „Obststand“ an Progression fehlt, dass exakt die selbe Formel wie beim „Sampler 3“ zum Einsatz kommt, dass das thematische Spektrum außer Schnapp machen, Kiffen, Ticken, Weiber und Kleinverbrechen nicht viel zu bieten hat. Aber warum sollte man das tun? Noch wird es nicht langweilig, auch, weil die vorherrschenden Themen jedes Mal neu verpackt werden und die Protagonisten selbst zu keiner Sekunde gelangweilt erscheinen. Ewig kann man dieses Spielchen in der Form sicherlich nicht weiter spielen, aber noch haben die Hamburger nichts von ihrem Zauber eingebüßt und bringen weiterhin genau den frischen Wind, den Straßenrap braucht.