Vega – Kaos (Review)

Okay, okay. Ich habe jetzt schon zwei Review über Vegas neues Album „Kaos“ gelesen. Und beide Autoren haben offenbar nicht kapiert, was biten von einer Hommage unterscheidet. Mann, Mann, Mann. Höchste Zeit also, dass jemand über das Ding schreibt, der was von der Sache versteht. Hi.

Zunächst mal: Wenn Vega im Titeltrack „Kaos“ die altbekannte Prinz Porno-Line (ja, Porno. „Keine Liebe“ ist nicht von Prinz Pi. Da fängt es schon an) zitiert, dann weiß er natürlich, was er da tut. Dann ist das ein Zitat. Bumm, Ende, aus. Deshalb steht das auch nicht, wiederhole, nicht in einem Spannungsverhältnis zur Line „Und jeder deutsche Rapper, der Verse bitet, ein Schwein für mich„. Überhaupt nicht. Kein bisschen. Echt.

Hätten wir das auch geklärt. Abgesehen von diesem Missverständnis macht schon das Intro, also ebenjener Titeltrack, wohin die Reise geht. Klar, „Jeder deutscher Rapper, der Leggings trägt, ist ein Feind für mich„. Das Feindbild ist und bleibt dasselbe. Vor allem aber: „Willkommen in Hollywood, das hier ist ein Melodrama„. Denn daran hat sich trotz Gewichtsverlust und neuem Lebenswandel kein Deut verändert: Vega steht für Pathos, Drama, Tragödie. Die Frankfurter Schule eben, die vor ihm bereits Leute wie Moses Pelham und Azad geprägt haben. Passenderweise sind beide auf „Kaos“ mit Featureparts vertreten, im Falle von AZ noch dazu mit einem, der mehr brennt als dein Arsch nach einer ordentlichen Ladung Nr. 43 von deinem Lieblingsthai.

Und auch das: „Kaos wird einen wadendicken Schwanz in deine Kehle jagen„, verspricht Vega. Um dann auf den folgenden Tracks des neuen Albums genau das zu tun.

Frisch und befreit, gerade verglichen mit dem Vorgänger „Nero„, spielt der Hesse hier auf. „Wir sind die 1„, „1312“ und „HipHop & Rap“ dürfen als bekannt vorausgesetzt werden. Das gilt auch für den Höhepunkt des Albums, „Ich will raus mit dir„, das quasi den zweiten Teil von „Winter“ darstellt. Es ist genau diese Art von im Grunde einfachen Zeilen, die aber einer intensive Wirkung entfalten und für die vielzitierte Gänsehaut auf den Armen und Schultern des Hörers sorgen können. Können, weil man schon einen guten Sinn für Pathetisches braucht (ein paar Promille schaden dabei sicherlich auch nicht).

Denn ich fühl‘ mich wie aufstehen und zurückkommen!
Nein, ich fühl‘ mich wie rausgehen und das Glück wollen!
Nein, ich fühl‘ mich wie draufgehen für ein Stück Hoffnung!

Und hinter jeder Zeile hört man das dicke Ausrufezeichen. Gut, „Schieß“ fällt im Vergleich durchaus deutlich ab, die Hook ist sehr platt, und dass Vega auf die Bullen und den Staat nicht nur scheißt, sondern auch schießt, sagt er an anderer Stelle auf jeden Fall eleganter und weniger redundant. Viel Qualität gewinnt „Kaos“ dafür durch die Auftritte von Nea (seiner neuen Freundin), die sich angenehm von den immer noch leider weit im Deutschrap verbreiteten Amateursängerinnen abhebt, bei denen man sich unwillkürlich fragt, wer die verdammt nochma aufs Album gelassen hat. Und wer mit „Sag jetzt nichts“ feat. Moses Pelham und Peppa Singt nichts anfangen kann, darf zum Nachholen erstmal den gesamten Backkatalog des wortgewaltigen Rödelheimers studieren.

Vega hat sich auf „Kaos“ nicht neu erfunden oder so einen Scheiß. Er hat nur hier und da Ballast abgeworfen, klingt wieder frisch, hungrig und angriffsfreudig, wo sein markanter Ton auf dem letzten Album vielleicht ein bisschen zu sehr ins Klagende gerutscht war. Neu justiert, anvisiert und – Bumm. Nicht nur (aber schon auch) nach dem Genuss von drei bis vier Bembeln Äppelwoi der richtige Soundtrack.


Kaos (Ltd.Fan Edition) Box-Set
VÖ Datum: 2015-01-16
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