Die 257ers sind seit jeher als zweiseitige Medallie zu betrachten: Auf der einen Seite flach, eindimensional und leicht in die Schabernack-Schublade zu stecken. Andererseits handelt es sich bei Shneezin, Mike und Keule durchaus um talentierte MCs, die mit ihrem aktuellen Album „Boomshakkalakka“ problemlos die Chartspitze knackten und dessen Singleauskopplung „Baby du riechst“ die erfolgreichste Single ist, die jemals über Selfmade Records releast wurde. Auf ihre Weise sind die polarisierenden Trunkenbolde aus Kupferdreh auf jeden Fall ein Phänomen.
Großartige Überraschungen hat „Boomshakkalakka“ (bis auf Martin Klempnow aka Dennis aus Hürth im Intro) keine zu bieten – und das nicht nur, da bereits ein vollständiges- und zehn Mini-Snippets das meiste vorweg nahmen. Der Käufer des Albums erhält einfach genau das, was ohnehin zu erwarten war: Stumpfsinnige Thematiken, asoziale Phrasendrescherei, Catchy geträllerte Hooklines und laute, synthetische Beats aus den Maschinen des Wodka-exenden 257ers-Hausproduzenten Voddi. Zwar mögen diese Formulierungen durchaus negative Konnotationen mit sich bringen, sind in diesem Falle aber vollkommen wertungsfrei zu verstehen, denn die Musik der 257ers ist vor allem eines: Geschmackssache.
Natürlich, auch der Musikgeschmack ist beim Begriff Geschmackssache inbegriffen, aber was für das Hören „Boomshakkalakka“ weit mehr von Relevanz ist, ist der Rauschmittelgeschmack des potentiellen Hörers. Wer bevorzugt zum Sportzigarettchen greift, sollte lieber einen möglichst weiten Bogen um das Album machen. Hat man hingegen einige Promille zu verzeichnen, kann man getrost die „Boomshakkalakka„-CD einlegen. Beim Vorgänger „HRNSHN“ verhielt es sich ja bereits ähnlich, nun lässt sich dieser Schluss aber nicht mehr umgehen. Die geradezu gegrölten, aber dennoch melodiösen, Hooks muten nicht nur an wie, gemeinsam am Stammtisch zum besten gegebene Trinklieder, sie motivieren mindestens ebenso sehr dazu, an den schiefen Gesängen partizipieren – sofern der feuchtfröhliche Rahmen gewährleistet ist natürlich.
„Wir sind Piraten! Piraten! Piraten mit nem Schiff! / Piraten mit ner Hakenhand und Narben im gesicht // Piraten sind voll böse und Piraten trinken Rum / Piraten wollen feiern und sie schießen mit Kanonen“ („Piraten„)
Was mich beim nüchternen Hören massiv störte war, neben dem Lärm, dem infantilen Grundschulhumor und der Substanzlosigkeit, aber vor Allem eines: Der Hintergedanke, dass diese Selfmade-Records-Künstler zu so viel mehr in der Lage wären. Denn im Grunde sind die drei Essener begnadete MCs. Wagt man einen Blick hinter die Kulissen und ringt sich zum aufmerksamen Zuhören durch, so stellt man verwundert fest: Spektakuläre Flowabfahrten, technisch versierte Rhymepattern und durchdachte phonetische Abstimmung sind keine Seltenheit. Inhaltlich mag das dann zwar nicht das Gelbe vom Ei sein, aber das ist ja auch die Intention dahinter.
„Ey und wenn ich fernseh‘, du Nutte, bin ich Werbung am gucken / Was für Story? Filme sind doch eher was für Schwuchteln // Sag mir, wer will uns booken? Ein Veranstalter wagt es Und wir zerbersten den Schuppen / so, jetzt erstmal ’ne Suppe // Mit ’ner Erdbeere, guck, ich bin der stärkste Kaputte /Und wenn du herkommst, wirst du lecker erdnussgebuttert“ („Vergleiche a la Boss„)
Ein Album zum betrunkenen mitgrölen – nicht mehr und nicht weniger ist „Boomshakkalakka„. Shneezin, Mike und Keule haben sich ihre Nische gesucht (oder andersherum) und füllen diese stilsicher. Das Album mit herkömmlichen Rap-Alben zu vergleichen macht wenig Sinn, denn an ein 257ers Album wird lediglich eine Anforderung gestellt – und die wird voll und ganz erfüllt. Es mag ohrenbetäubender Lärm, gespickt mit Fäkalhumor und einfältigen Geistlosigkeiten sein – aber eine Existenzberechtigung ist dem nicht abzusprechen. Begrifflichkeiten wie „gut“ oder „schlecht“ greifen nunmal nicht bei einem 257ers Album. Kann man sich mit der Plattitüdendrescherei arrangieren und trinkt gerne mal einen über den Durst, dann kommt man um „Boomshakkalakka“ nicht herum. Erfüllt man diese beiden Aspekte aber nicht zu 100 Prozent, so kommt das Hören des Albums einer Folter nahe – wie eingangs erwähnt eine zweiseitige Medallie.