Machen wir es kurz: „Orsons Island“ ist der helle Wahnsinn! Egal, was du bisher von den Orsons gehalten hast – hör es! Keine Ausreden! Lass dich nicht von den Singles irritieren, hör es von Anfang bis Ende und urteile dann. Tu dir selbst den Gefallen.
Wow, das war überschwänglich. Warum? Weil „Orsons Island“ ein rundum einnehmender Trip ist. Ein wundervoll produziertes Album, das einen mit seinen inhaltlichen Höhen und Tiefen, lustigen und intimen Momenten und haufenweise absurd eingängigen Ohrwürmern – aber denen der hochwertigen, angenehmen Art – nicht mehr loslässt. Das Album liegt mir schon seit geraumer Zeit vor und läuft neben Tyler, the Creators „Igor“ seit Wochen rauf und runter. Das ist eines dieser Alben, die einen stellenweise so mitreißen, dass man es körperlich fühlt und kaum in Worte fassen kann, was da mit einem passiert. Eines dieser Alben, die mich zu einer Review aus Ich-Perspektive nötigen, weil es mich komplett aus meiner professionell-reservierten Distanz lockt.
Aus einem erfrischend experimentellen Guss
„Orsons Island“ beginnt mit mehr oder weniger gewohnter Orsons-Kost. Leicht albern, ziemlich überdreht und gut gelaunt. Mit „Hin und Her“ schließt das erste Kapitel mit einem Wahnsinns-Ohrwurm. Ja, das erste Kapitel – der Langspieler erzählt von einer Art Reise. Einer Entwicklung, die in vier Kapitel unterteilt bei ausgelassener Feierei beginnt und in einer Art Selbstfindung mündet. Die über apathische Katerstimmung, introspektive Verlorenheit, schmerzhaften Streit und schlichtweg Verliebtheit in diversen Stationen ein buntes Gefühlsfeuerwerk vom Stapel lässt. Dennoch geht ein Song nahtlos in den nächsten über. „Orsons Island“ stammt, nicht zuletzt dank Tuas Schirmherrschaft über die Produktion, aus einem erfrischend experimentellen Guss, der gerne mal auf klassische Drum-Arrangements und 16er-Hook-Strukturen pfeift.
Balanceakt zwischen Kitsch und Romantik
Wenn man auf Teufel komm raus Kritik anbringen muss (und das muss ich immer), dann könnte man sich über die kleinen Kalauer ärgern, die stellenweise nicht so ganz reinpassen wollen. Ich schaue dich an, Bartek. Die Englisch-Wortspiele á la „A whole new Level – hol ’nen neuen Löffel“ könnte man sich mal langsam abgewöhnen, aber ansonsten sind selbst Zeilen wie „Ernährung umgestellt – jetzt steht der Kuchen rechts von mir“ in dem Kontext, in dem sie dann fallen, nicht wirklich störend. Außerdem steuert Bartek mit seinem Solosong „Das Geschenk“ einen der stärksten Momente des Albums bei und liefert eine Ballade, die wie kaum ein Deutschrap-Song zuvor den Balanceakt zwischen Kitsch und Romantik meistert. Auch die Bandkollegen spielen ihre Stärken absolut perfekt aus – seien es Kaas‘ poppige Wohlfühl-Hooks, Maeckes kluge Beobachtungen, Tuas geschickte Produktions-Spielereien – alles ist genau da, wo es hin muss. Aber nicht auf die pedantisch-perfektionistische Art, sondern rein intuitiv.
10/10
„Orsons Island“ klingt so frei, und unbeschwert wie kein Orsons-Werk zuvor, schafft es aber gleichzeitig, anzumuten wie das erste Release des Quartetts, das überhaupt für die Ohren der Öffentlichkeit bestimmt ist. Die albernen Insider und Running Gags werden zurückgelassen, die Verspieltheit und künstlerische Vision beibehalten und treffsicher zugespitzt, sodass es zu viele besondere Momente gibt, um sich in einer Review auf bestimmte festzulegen – „Orsons Island“ ist dieses einmal-in-zehn-Jahren-Album, die sechs Kronen in der JUICE, die glatte 10/10 und das sollte sich wirklich niemand entgehen lassen. Ernsthaft.
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