Kurdo hat eine abwechslungsreiche Karriere im Deutschrap hinter sich. Sein Einstieg mit „Nike Kappe umgekehrt“ war fulminant, das dazugehörige Mixtape „11ta Stock Sound“ ein Klassiker. Mit seinem Debütalbum „Slum Dog Millionaer“ konnte er sogar nochmal einen draufsetzen: Atmosphärisch unglaublich dichter Straßenrap, präzise auf den Punkt gebrachtes Storytelling.
Die Nachfolger „Almaz“, „Verbrecher aus der Wüste“ und „Vision“ konnten das Niveau zwar größtenteils halten, ließen aber zunehmend den Hunger und die in knappe Zeilen gepresst Wut des Debüts vermissen. Mit „Ya Salam“ hatte Kurdo schließlich seinen – gemessen an Klicks – größten Hit. Ich erinnere mich noch gut, wie ich ihn im Sommer 2017 vor der Küste Kuşadasıs von einem gutbesetzten Partyboot dröhnen hörte.
Letztes Jahr folgte schließlich „Blanco“, ein Kollaboalbum mit Majoe. Ich bin vermutlich nicht der Einzige, der das als absoluten Tiefpunkt in Kurdos Karriere empfand. Offenbar hat der Emmertsgrunder die Review gelesen – im Intro seines neuen Releases gibt es entsprechend nette Grüße.
Zurück zu alter Härte – und Stärke?
Nun geht es also mit „11ta Stock Sound 2“ zum Bordstein zurück. Die Rückkehr zu alter Härte (und Stärke?) wurde groß angekündigt – und tatsächlich hält das Album dieses Versprechen. Dabei begeht Kurdo nicht den naheliegenden Fehler, sein altes Ich und den damaligen Sound einfach zu kopieren.
Seine Fähigkeit, Geschichten vom sogenannten Rand der Gesellschaft in dichte, knappe Zeilen zu packen, hat er nicht verloren:
„Es geht los oder doch nicht, Hände hoch, Kopffick
Paranoia, Optik, Fenster hoch am Stoppschild
Wir riskier’n lebenslänglich und Gerichtsverfahr’n
Damit wir Papas Gesicht bewahr’n
Aber Mama darf nix erfahr’n
Denn vielleicht landen wir mit dem Gesicht im Grab“ („Alles hat ein Ende“)
Kein Sommer, keine Hits
Afro-Trap, Sommerhits, Autotune – all das sucht man auf „11ta Stock Sound 2“ vergeblich. Egal ob auf „Ich rappe nicht aus Spaß“, „Emmertsgrund“ oder „Stimme aus Benzin“: Die Formel lautet wieder düsterer, reduzierter Beat, gerne mit Streichersample, allesamt von Zinobeatz (bei einem war Tengobeatz beteiligt), dazu harte, geradlinige Raps. „Zino macht die Snare und dann tropft der Regen“ – so einfach kann das sein.
Und siehe da, das Gänsehaut-Feeling, dass seine früheren Releases immer ausgezeichnet hat, ist wieder da. Gerade in den ruhigeren Tracks wie „Einfache Jungs“, das ohne großen Pathos oder Soziologensprech Perspektivlosigkeit und Rassismus in Worte fasst:
„Was ich mal werden will? Ach, ich bin eh Kanake!
Guck dir mein’n Block an, die Jungs sind der Beweis
Der Staat macht dich arm, die Straße macht dich reich
Sie versprechen: Was sie sind, könn’n wir mal selber sein
Doch sie stell’n uns ein für ihre Drecksarbeit“
Alles wieder gut? Fast
Alles wieder gut also? Fast. Ein Wermutstropfen sind Zeilen wie „Ich hab‘ niemals einer Frau vertraut, die in die Disco geht“, aus denen eine anstrengende Doppelmoral spricht. Nein, Rap ist kein „Frauenmagazin“, wie Kurdo launig im Intro zu Protokoll gibt, aber dieses konservative Rollenbild (das ich früher bedenkenlos durchgewunken habe), geht mir mittlerweile gehörig auf den Sack.
Unter’m Strich haben wir also einen Künstler, der sich wieder auf seine Stärken besinnt und eine glaubwürdige Rückkehr zu seinen Wurzeln verbuchen kann – und hier und da ein etwas fader Beigeschmack angesichts der besagten Zeilen.
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