„HASS“ oder „NICHTS“ wären vielleicht noch treffendere Titel für „ANGST“ gewesen, aber das passt auch. Irgendein negatives Gefühl jedenfalls. Lance Butters lässt (im übertragenen Sinne) seine Maske fallen und zeigt sich menschlich, verletzlich und facettenreich.
Ab und an wird zwar noch immer auf der Rapszene herumgehackt, im Kontext von „ANGST“ fühlt sich das aber nicht mehr wie ein Lückenfüller an, weil eben kein besseres Thema parat ist und das ja immer geht, sondern fügt sich in den Charakter neuen, spannenden Lance ein – der ist nämlich wahnsinnig hasserfüllt. Auch auf sich selbst. Das Songwriting hat ohnehin einen enormen Sprung gemacht, etwa wenn auf „Kuchen“ gegen die Szene geschossen wird, in der jeder sein Stück vom namensgebenden Süßgebäck abhaben will und ebendieses Motiv sich durch den gesamten Song zieht.
„Doch hab den Kuchen dann probiert, der euch alle so verrückt macht – und dann erkannt, dass er beschissen schmeckt.“
Die wichtigen Momente liegen aber klar in den Songs, in denen Lance blank zieht. Aus dem arroganten Kerl, der fluchend und schimpfend über den Dingen schwebt, wird plötzlich ein zutiefst verletzter Mensch, der sich in Selbsthass, Misanthropie und Nihilismus flüchtet, die Einsamkeit genießt und Zwischenmenschlichkeiten nicht viel abgewinnen kann. Das ist aber kein einfacher Imagewechsel, sondern wird erschütternd nachvollziehbar erklärt.
Einen makaberen Höhepunkt stellt dabei „So Schön“ dar, auf dem Lance über die frühe Scheidung seiner Eltern, eigene Macken, die seine Mutter aufs Erbgut seines früh verstorbenen Vaters zurückführt, dem Lance gerne ins Licht folgen würde – ach, viel zu viel, um es mal eben zusammenzufassen. Der unbehagliche, eiskalte Beat und der nüchterne, distanzierte Vortrag tun ihr übriges, um eine brutal makabere und beklemmende Atmosphäre zu erzeugen. Ernsthaft: In 1000 Jahren hätte ich Lance nicht zugetraut, mich dermaßen zu packen.
Vielleicht ist es gerade diese gefühlskalte, apathische Präsentation, mit der Lance Butters dermaßen intime Dinge über sich selbst und seine abgestumpften Emotionen preisgibt, die „ANGST“ so spannend und irgendwie anders macht. Es könnten auch Ahzumjots treffsicher puristische Produktionen sein, die die Tristesse und das Unwohlsein so hervorragend einfangen. Oder der Überraschungseffekt, der einen so kalt erwischt, wenn Lance plötzlich hemmungslos ehrliche Einblicke in seine Psyche, das eigene Privatleben und menschliche Abgründe gibt, die einen völlig überrumpelt zurücklassen.
Dass hinter diesem abgebrühten, sexbesessenen Kiffer mit der Superheldenmaske aus dem Spielzeugladen und jeder Menge Hass auf die Rapszene ein derart vielschichtiger und interessanter Charakter steckt, wird auf „ANGST“ jedenfalls unmissverständlich klar.
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