Review: Bushido – Mythos

Wenn man aktuellen Pressemeldungen glaubt, macht Bushido wohl gerade eine bewegte Phase in seinem Leben durch. Neben Gossip über diverse gekappte Verbindungen sowohl geschäftlicher als auch privater Natur steht aber ein neues Album ins Haus.

„Mythos“ verzichtet auf munteres Namedropping, so bleibt es dem Hörer überlassen, die verschiedenen Puzzleteile zusammenzusetzen, dass sie eine stringente Erzählung, beinahe schon ein Konzeptalbum, ergeben. Wer die letzten Wochen nicht unter einem Stein verbracht hat, sollte damit allerdings keine Probleme haben – mit ein bisschen Hintergrundwissen sind die Metaphern und Analogien auf „Mythos“ ein vierteiliges Holzpuzzle ohne verschluckbare Kleinteile.

Nicht, dass die Texte plump wären, im Gegenteil: Es ist das wohl inhaltlichste und zusammenhängendste Bushido-Album überhaupt. Der seit heute 40-Jährige lässt sein Leben und seine Karriere Revue passieren, blickt optimistisch in die Zukunft und rechnet mit ehemaligen Weggefährten ab. Ein Befreiungsschlag, wie er im Buche steht. Statt aber wie gewohnt vulgär und ausfallend zu werden, gibt sich Bushido fast schon poetisch. Nicht derart abstrakt und literarisch wie auf dem viel zu hoch gestochenen „Mephisto“, aber eben doch erstaunlich freigeistig und unkonkret, zuweilen sogar verspielt.

So erwartet einen auf „Mythos“ ein halbes Zoologie-Lexikon: Arglistige Menschen sind Schlangen, Ratten und Hyänen, die verlieren ihren Goldesel, der sich ihnen nun als Löwe entgegenstellt – die Erzählung des Albums kompakt zusammengefasst. Das ist zwar recht unspektakulär, Überraschungsmomente bietet „Mythos“ tatsächlich nicht, die Abrechnung mit den Geistern der Vergangenheit fesselt aber durch ihre Ernsthaftigkeit und den deutlich spürbaren und glaubhaften Emotionen. Bushido hat etwas zu sagen und das muss raus – ein solcher Hunger ist eine Rarität bei Rappern, die auf eine derart lange Karriere zurückblicken können.

Eine Retrospektive, die Bushido selbst immer wieder gerne einnimmt. „Est. 1998“ widmet sich seinem momentanen Status Quo und dem steinigen Weg dahin. Auf „Das Leben“ befasst er sich mit den verschiedenen Aspekten und Kontrasten des… naja, des Lebens halt. Liebe und Hass, Leben und Tod, Lachen und Tränen – all das münzt er auf sich und sein eigenes Dasein um. Generell wirkt Bushido ausgeglichener und geerdeter denn je. Ob er liebevolle Worte an seine Kinder richtet oder Drohungen an Feinde ausstößt – selten hing man so gebannt an Bushidos Lippen, selten war sein Vortrag derart glaubwürdig und nie zuvor folgte Bushido einem derart griffigen Motiv über ein ganzes Album hinweg.

Den grimmigen Gangster gibt Sonny Black natürlich nach wie vor. Das fühlt sich zwar zuweilen etwas deplatziert an, aber was wäre ein Bushido-Album bitte ohne übellaunige Ansagen auf Streicher-Samples? Das passt schon alles. Das einzige, was auf „Mythos“ nicht so ganz ins Bild passen will, sind Capital Bras gelegentliche Singsang-Einlagen. Das ist auch kein spannender Stilbruch oder so etwas, sondern einfach vollkommen fehl am Platz. Samra macht da eine deutlich bessere Figur, die energiegeladene und kaltschnäuzige Delivery fügt dem Album sogar eine überaus spannende Komponente hinzu. Der Gastbeitrag von US-Star Akon und fällt nicht wirklich ins Gewicht. Ein nettes Gimmick halt, auch wenn er Bushido auf dem neumodischen Synthiegedudel voller Snarerolls und übersteuerter Bässe locker outperformt.

Ansonsten beschränkt Bushido sich aber glücklicherweise auf bodenständigere Beats, auf denen er sich hörbar wohl fühlt. Auch wenn es ab und an recht düster zugeht, klingt „Mythos“ in seiner Gesamtheit überraschend warm. Die Zuversicht, mit der Bushido in die Zukunft zu blicken scheint, schlägt sich auch in den Produktionen nieder, die zwar stellenweise nur so vor Pathos triefen, den Tenor des Albums aber hervorragend untermalen und handwerklich keine Wünsche offen lassen; das lasche Klapptstuhl-Instrumental von „Mephisto“ mal außen vor gelassen.

„Mythos“ ist nicht nur ein weiteres Bushido-Album in einer langen Liste. Es ist ein Paradigmenwechsel, der Anbruch einer neuen Ära im 20 jährigen Schaffen des Berliners. Das Rad wird zwar nicht neu erfunden und Bu bleibt seinem herkömmlichen Duktus treu, die Perspektive und der Mindstate sind aber wie ausgewechselt. Nie klang ein Bushido-Langspieler in seiner Gesamtheit bündiger und konsequenter, nie gab es derart viele authentische Einblicke und ein solch emotionales Narrativ. Über die wahren Hintergründe kann man zwar nur mutmaßen – am Ende gehen sie sowieso niemanden außer den Involvierten etwas an – aber eine kleine Neuerfindung des eigenen Seins stellt „Mythos“ ohne Frage dar. Eine Neuerfindung ohne Kehrtwende, Experimente oder große Aha-Momente.

Mythos (Ltd.Fanbox)
  • Audio-CD – Hörbuch
  • Bushido (Herausgeber)