Eunique wurde bereits im Vorfeld ihres Debüts „Gift“ mit zentnerweise Vorschusslorbeeren überhäuft. Nicht ganz zu Unrecht, die Singles waren verdammt vielversprechend und – ja – (E)unique. Der zeitgemäße, eigensinnige und charismatische Style der jungen Hamburgerin verhieß eine steile Karriere. Aber kann Euniques erstes Album den Erwartungen gerecht werden?
Im Grunde kann es das. Jeder einzelne Song sprüht nur so vor Extravaganz. Eunique spielt gekonnt mit ihrer Stimme, tänzelt lässig zwischen verschiedenen Sprachen umher und schwingt von anspruchsvollem Gesang nahtlos zu versiertem Rap oder eben irgendetwas dazwischen um. Die hervorragenden und abwechslungsreichen Michael Jackson-Produktionen schmiegen sich wie angegossen an Euniques durchdachte Arrangements und verleihen den Songs eine Vielzahl an Facetten, ohne dabei jemals willkürlich zu klingen oder aus dem großen Ganzen auszubrechen.
Neben dem musikalisch überaus spannenden Anteil besticht Eunique vor allem durch ihr selbstbewusstes und stilsicheres Auftreten, das irgendwo zwischen weird, überheblich und dennoch greifbar changiert und so keine Zeile belanglos klingen lässt. Ob es nun darum geht, dass schlichtweg niemand „so nice“ wie sie ist, oder dramatisch über den Einfluss von Karma und Glauben sinniert wird – man kauft der Hamburgerin jedes Wort ab. Selbst der stumpfe Kiffersong „Cannabis“ besitzt aus Euniques Mund überzeugende Schlagkraft. Zuweilen wird es durch die pompöse Inszenierung und die ständigen Tempo- und Flowvariationen zwar etwas schwierig zu folgen, nur berieselt wird lässt man dennoch nie.
Dafür ist die exzentrische Eunique ein viel zu spannender Charakter. Energisch, zielstrebig und durchsetzungsfähig, aber immer wieder bodenständig und sensibel. Abgerundet wird das ganze durch Gastbeiträge, die es zwar nicht gebraucht hätte, der Stringenz von „Gift“ aber auch keinen Abbruch tun. KC Rebell und Mert scheinen sich auf dem instrumentalen Parkett zwar nicht ganz so wohl zu fühlen, wie es etwa bei Veysel und Azzi Memo der Fall ist, dennoch liefern sie eine willkommene Abwechslung – denn ein bisschen anstrengend wird das Album auf Dauer dann doch.
Das liegt wohl zuletzt am enormen Umfang von 19 Anspielstationen. Etwas weniger hätte „Gift“ durchaus gut getan, auch wenn es schwer zu sagen ist, welcher Tracks man sich hätte entledigen sollen. Das mag einerseits der Tatsache geschuldet sein, dass jeder Track verdammt hochwertig ist und quasi keinerlei Angriffsfläche bietet, aber andererseits leider auch daran, dass Euniques Debüt sich letztlich doch eher wie ein Mixtape anfühlt. Zwar ist jeder Song wirklich stark, richtige Highlights bleiben aber aus. Die Refrains etwa, die allesamt wohlklingend, hervorragend umgesetzt und ziemlich eingängig sind, entlassen mich trotz der musikalischen Finesse gänzlich ohne Ohrwurm (wofür ich zugegebenermaßen ein bisschen dankbar bin).
Wenn ich jemandem Eunique vorstellen sollte, wüsste ich nicht, welchen Song ich als erstes anzuspielen hätte. Die sind halt alle richtig krass, aber den einen Hit oder die absoluten Banger gibt es trotz haufenweise zitierfähiger Zeilen eben nicht. Das ist zwar schade, nimmt es „Gift“ als Gesamtprodukt doch einiges an Drive, tut aber der Tatsache, dass Eunique hier 19 in jeder Hinsicht überragende Songs gedroppt hat, keinerlei Abbruch.
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