Mit „808“ liefert Ufo361 ein polarisierendes Album. Auch unser Redakteur Skinny und Juri Andresen vom JUICE Magazin haben da unterschiedliche Standpunkte. Die Review von zwei Seiten.
Skinny: Ach Ufo361, mein Sorgenkind. Nachdem die vielversprechende „Ich bin X Berliner“-Trilogie von Teil zu Teil mehr Ermüdungserscheinungen zeigte, galt es mit „808“, die eigene Neuerfindung abzurunden und auf ein Album-würdiges Level zu hieven. Dabei ist es ihm zwar diesmal gelungen, kein wüstes Potpourri aus wahllosen Trap-Bangern mit diversen US-Anleihen zusammenzuzimmern, dafür plätschert „808“ als belangloser Bach voller Markenklamotten, Selbstmitleid und Plattitüden vor sich hin. Sehr schade.
Juri: Mir war schon klar, dass sich bei „808“ Kritiker unvermittelt auf die inhaltliche Monotonie stürzen und Ufo lyrische Eingleisigkeit vorwerfen. Denen sei zunächst gesagt: Hört euch das Album richtig an. In der Tat bilden Balenciaga und Braggadocio den Grundtenor, doch Ufo lässt an nicht wenigen Stellen die Fassade aus unkaputtbarem Selbstbewusstsein bröckeln. Wenn er beispielsweise auf „Alpträume“ von Existenzängsten und Suizidgedanken berichtet, klingt das für mich nicht nach priviligiertem Selbstmitleid, sondern nach authentischer Darbietung seiner inneren Zerrissenheit, die die orientierungslose Phase vor seinem Durchbruch beschreibt. Diese introspektiven Momente bleiben rar, weil Ufo sich nicht angreifbar machen will – was der Stimmung des Albums gut tut. Außerdem: die Kritik an monothematischen Inhalten bei kontemporären Deutschrap-Releases hängt mit einer grundsätzlichen Problematik zusammen: Wer kann nach dem Mixtape-Run der letzten zwei Jahre denn ernsthaft ein lyrisch durchdachtes Meisterwerk erwarten? Wer das Album mit diesem Anspruch hört, wird natürlich enttäuscht. Es ist ein Fehler, „808“ an konventionellen Qualitätskriterien zu messen.
Skinny: Ich bemängele hier keine prinzipielle Monothematik. Die herrschte auf den Mixtapes noch viel stärker vor. Der Wahnwitz, mit dem Ufo den winzigen Themenkosmos dort bearbeitete, wusste aber zu unterhalten. Von diesem eigensinnigen Humor sehe ich auf „808“ nicht mehr viel. Dass Ufo das Album stattdessen um eine introspektive Facette bereichern will, ist ja erstmal begrüßenswert. Dass diese derart oberflächlich und plakativ ausfällt, hingegen nicht. „Alpträume“ klingt für mich nach künstlich aufgebauschten Problemen, die nun in billigen Metaphern beweint werden, einfach um sich selbst als mehrdimensionalen Charakter zu inszenieren. Damals hatte Ufo mit seiner Musik keinen Erfolg, obwohl er sich den Arsch aufgerissen hat und deswegen ging es ihm scheiße. Freut mich ja für ihn, dass das seine größten Probleme sind, aber diese derart theatralisch zu dramatisieren und mit flachen Bildern von dunklen Zimmern und Schlaflosigkeit zu illustrieren, ist für mich ziemlich billig. Buzzwords wie „Angst“ und „Albträume“ sind reine Effekthascherei, machen aber lange noch keinen Seelenstriptease. Und so arbeitet Ufo sich in den vorgeblich so persönlichen Songs an erfolglosen Zeiten, falschen Freunden und Neidern ab, stets bemüht, zu wirken, als würde er blank ziehen und sein Visier fallen lassen, reiht aber doch nur Plattitüden und Tiermetaphern aneinander und suhlt sich in uninteressanten Suffering-from-Success Problemen, die ich ihm zu keiner Sekunde abkaufe.
Juri: Womöglich hätte es dem Album gut getan, wenn Ufo Unterstützung bei den Schreibprozessen bekommen hätte. Nicht immer schafft er es, seine Abhandlungen in Gänsehaut-Momente zu verwandeln. Und tatsächlich wirkt alles sehr theatralisch. Aber genau das macht die Stimmung auf dem Album aus. Seine Performance kann man wie du als langweiliges Gejammer und Effekthascherei abtun, oder es aber als konsequenten, für Deutschrap-Verhältnisse gewagten Kunstgriff ansehen. In „808“ kulminiert für mich alles, was auf dem Mixtape-Hattrick passiert ist – und wird dabei in eine dunkle Suppe aus Sinister-Trap, Größenwahn und verzerrten Adlibs getaucht. Der ganze, ja, Vibe holt mich komplett ab. Das Album wird von Ambivalenzen in Beats und Delivery getragen, Ufo krächzt mit heiserer Stimme wahnwitzige, teils verlorene Allmachts- und Paranoia-Fantasien auf unfassbar produzierte Instrumentals. Die dunkle Stimmung wird dabei nur an einigen Stellen aufgebrochen. Er verbindet den Hochglanz-Trap-Approach aus Übersee, der sich in den monumentalen Produktionen von u.a. AT Beatz, 808 Mafia und Ronny J widerspiegelt, mit der rotzigen Kotti-Attitüde, die er sich trotz seiner Metamorphose zum Rapstar immer beibehalten hat. Ufo schmückt sich im Jahre acht nach Money Boy nicht mit oberflächlichen Trap-Attributen, sondern lebt den zeitgeistigen Sound wie kein anderer in Deutschland.
Skinny: Dass Ufo den Film, den er darstellt, wirklich lebt und verkörpert, steht wohl ebenso außer Frage, wie die überragenden Produktionen. Wie Ufo all das umsetzt, steht aber auf einem anderen Blatt. Abseits der flachen Jammerlappen-Passagen hat „808“ ja durchaus seine Momente, lässt aber eben trotzdem den charismatischen Witz vermissen, der Ufo so spannend macht. Stattdessen gibt es megalomanische Schilderungen von vollen Taschen, ausverkauften Touren, teurem Essen und noch teureren Klamotten. Die aberwitzigen Drogeneskapaden etwa, die Ufo stets unterhaltsam und vielseitig zu inszenieren wusste, werden im Grunde nur noch auf „Ich fahre mir Substanz XY rein“ heruntergebrochen. Songs wie „Power“, die einzig und allein vom energiegeladenen Vortrag leben, sind da noch die absoluten Highlights. Aber mehr hat „808“ eben leider nicht zu bieten. Unterhaltung? Fehlanzeige. Attitude? Belanglos. Abwechslung? Nur in den Beats. Diese pseudo-verletzliche Seite hätte Ufo sich einfach sparen sollen. „Keiner will, dass du gewinnst“ und Konsorten sind einfach unverschämt bedeutungslose und langweilige Statements, besonders dann, wenn sie sich direkt an die nächste Markenklamotten-Laudatio schmiegen.
Juri: Ufo hat seine Dues gepayet und muss mir nichts mehr beweisen. Der Typ hat HipHop durchgespielt. Soll er doch auf 808-Geschossen jammern und weinen, den Hatern den Mittelfinger entgegenstrecken und Lean-geschwängerte Repetitionen ins Mikro leiern; er macht damit nichts anderes als seine musikalischen Ziehväter um Future & Co. auch. Trap-Musik ist Club-Musik und hebt sich genau durch diese Ignoranz von Conscious-Rap ab, den man von Ufo vier Jahre nach „Ihr seid nicht allein“ beileibe nicht mehr erwarten kann. Auch wenn der Vergleich aufgrund maximal verschiedener Lebensgeschichten und -realitäten hinkt: Trettmann drohte noch vor zwei Jahren ebenfalls mit mehr oder minder erfolgreicher Musik in Irrelevanz zu versinken, bis er Image und Sound umkrempelte und als Cloudtrap-Zuckerwatten-Rudebwoy durch die Decke ging. Ihm gönnt ganz Deutschraphausen seinen Erfolg nach der Reinkarnation – Ufo nur bedingt. Dabei ist „808“ die bis dato konsequenteste Jetzt-Rap-Interpretation mit sehr viel Charisma. Unterhaltung? Bombastische Produktionen, Video-Blockbuster, Hit-Hooks. Attitüde? „Fick auf alle, ich bin der Krasseste“ – mehr HipHop geht nicht. Abwechslung? Sowohl bei Beats, als auch bei Ufos Performance – siehe „Alpträume“ und „Stay High 2.0“. „808“ ist sicher nicht die erwartete Deutschrap-Blaupause, doch Ufo stellt mit einem energischen, düsteren Trap-Manifest erneut die Weichen für deutschen Rap, der wie immer ein paar Jahre hinterherhinkt.
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