IWAIKN – Ich will, aber ich kann nicht: Antifuchs, Maske, Wolfpack, Rooq, eine stabile erste EP und eine FRAU. Da können die Punkte, über die man fernab vom Geschlecht sprechen könnte, noch so einen großen Schatten werfen… Am Ende werde auch ich nicht um das Gendering herumkommen. Doch obwohl sie es auch noch in fast jedem Track, mal mehr und mal weniger, zum Thema macht, ist es mir in ihrem Fall schlichtweg egal – so viel vorweg.
Inhaltlich geht „Stola“ direkt in die Vollen. Ähnlich wie Lakmann auf „Aus dem Schoss der Psychose“ packt Antifuchs ihre ernstesten Zeilen an den Anfang:
„Aufgewachsen zwischen „Digga“, kaltem Wind und bisschen Platt
Russisch fluchenden Verwandten, ‚Idi nahui cyka bljad!‘
In der Schule Außenseiter, weil die Baggy auf halb acht
Jeden Sonntag aufm Platz, trotzdem Abitur geschafft.“
Das war es aber auch schon mit den wirklich intimen Einblicken. Anders gesagt: Ein Debüt-Album ist für alle zumeist eine große Sache und dementsprechend ist der Themenkosmos auch zu oft der gleiche und oft gehört.
Inhaltlich bricht „Stola“ nie so wirklich daraus aus. Anti fürs Leben, gepflegter Battlerap und jede Menge Kush. Gesellschaftskritik beschränkt sich hier auf den Wunsch, immer die Sorte zu haben, die man will. Trotzdem schafft Antifuchs es, durch ihren Style das Album interessant zu halten.
Geht es um den viel diskutierten roten Faden, hat sie es eher losgelöst als zusammenhängend gehalten – wie es sich für ein Debütalbum nun einmal gehört. Es wurden die passenden Instrumentals gepickt/gebaut, die das jeweilige Thema mit der richtigen Stimmung untermalen oder bei Battletracks drücken müssen. Dank Rooq als Executive Producer gibt es den klassischen 90s-Boom-Bap-Flavor, wenn man ihn braucht und wie man ihn von von Witten Untouchable gewohnt ist, und dank Newcomer-Standing durfte er auch vereinzelte Experimente und Innovationspunkte setzen.
Antifuchs selbst steht mit „Stola“ in direkter Tradition irgendwo zwischen ihrem Produzenten und ihrem Label – Rooq und Wolfpack – wobei die Waage stärker zu Ersterem tendiert. „Deutsche Rapper sind nur Hunde / Kein Deut besser als ’n Bulle“, rappt sie berlinerisch kaltschnäuzig im Video zu „Beef“, aber gleichzeitig gibt es auch genug Fuchs-Metaphern und Lines, die in einem klassischen Representer- und Battletrack nicht fehlen dürfen. Gerade die smoothen „Lauter“, „Alter Hase, Junger Fuchs“ und der für mich stärkste Track „Preach“ zeigen, dass True School kein Mindestalter besitzt. Natürlich wirkt schnörkelloser, technisch guter Rap über Rap gleich ganz anders, wenn er von einer zierlichen Frau kommt.
Props kann man trotzdem oder gerade deshalb genug geben: Antifuchs kann ohne erkennbare Mühe amtliche Flowpatterns raushauen wie auf „High Class White Trash“ oder „Beiseite“, ohne dass sich ihre Stimme überschlägt oder penetrant wirkt und dabei trotzdem einen mindestens genauso intensiven Brief an ihre Mutter verfassen („Mama“). Im Allgemeinen hat sie ihre Stimme perfekt unter Kontrolle, „schreit“ an den richtigen Momenten („Joints und Jordans“), um im nächsten Moment in sanften, aber unpoppigen Singsang zu verfallen. Letzteres ist in „Lauter“ und „Preach“ das Salz in der Suppe!
Antifuchs auf Albumlänge ist eine ganz spannende und vielversprechende Sache. Eine Mischung aus Arroganz, Selbstsicherheit und Rap, mit der ich mich schnell angefreundet habe. Für Album Nummer zwei kann dann inhaltlich gerne weiter ausholt werden, aber manchmal reicht guter Rap, um zu gefallen. Zudem erklingt ein Outro, das wirkt wie ein Intro – und den Hörer in Cliffhanger-Manier mit jeder Menge Vorfreude zurücklässt.