Tiervergleiche gehören irgendwie einfach zu Deutschrap. Gerade der König der Tiere ist da ein gerne verwendetes Motiv, verkörpert er doch all die rühmlichen Attribute, mit denen Rapper sich gerne schmücken. So ist Manuellsen „Der Löwe“. Tatsächlich ist der Ruhrpottler einer der wenigen, denen diese Rolle wirklich gut zu Gesicht steht. Einer der wenigen, die sich selbst komplett ernst nehmen, darin aber nie so verbissen wirken, dass es unsympathisch oder gar lächerlich wird. Ein Löwe halt.
Und der Löwe brüllt. Insbesondere die erste Hälfte des Albums lebt von nach vorne preschenden Bangern, Einblicken in den roughen Lifestyle des Einprozenters und authentischer Selbstdarstellung. Die stumpfen Wie-Vergleiche á la „Sie sind ungerade wie’n Hakenkreuz“ oder „Im Pott so wie Pisse“ hätte man sich zwar lieber gespart, ansonsten sind diese Songs aber rundum gelungen. Die unbändige Energie, die der charismatische Manuellsen mit sich bringt, lässt jedes Wort glaubhaft erscheinen. Da meint jemand ernst, was er sagt. Auch die gesungenen Hooks, die sich durchs gesamte Album ziehen, wirken hier nicht wie Beiwerk, sondern fügen sich hervorragend ein. Etwas mehr Experimentierfreude wäre aber schön gewesen. So sind Rapparts und Hooks klar voneinander getrennt, was man eleganter hätte lösen können.
Das Feuerwerk an bissigen Representern packt unweigerlich. An Manuellsen kann man nicht vorbeihören, selbst wenn einem noch so harte Basslines und fiese 808s um die Ohren fliegen. Es mag nicht sonderlich innovativ oder tiefsinnig sein, was Manu da von sich gibt, doch Zeilen wie „Ich bin ein Abi, wenn du zu mir Abi sagst“ hinterlassen doch einen bleibenden Eindruck. Selbst wenn Manuellsen von der Kanzel predigt, wie in „5eir inshallah“, hat das keinen so bitteren Beigeschmack wie bei vielen seiner Kollegen. Dafür klingt er einfach zu überzeugt von dem, was er sagt. Selbst wenn vielleicht zuweilen etwas Doppelmoral dahinterstecken mag…
Später wird „Der Löwe“ dann versöhnlicher. In Balladen wie „Schönste Lüge“ lässt er hinter die harte Fassade blicken, wobei er auch hier stets glaubhaft bleibt, allerdings etwas an Nachdruck einbüßt. Featuregäste gesellen sich dazu. Inbesondere Capo und Prinz Pi stechen durch hervorragende Parts vor, auch König im Schatten-Schützling KEZ liefert beeindruckend ab. Die Gastspiele sind gut platziert und lockern das Album zum Ende hin auf, dass die sich anbahnenden Übersättigungserscheinungen schnell ausgemerzt werden.
Manuellsen ist ein hervorragender Rapper, Sänger und Charakter. All das spielt er auf „Der Löwe“ gekonnt aus. Das treffsichere Beatpicking sowie ein durchdachtes Tracklistung verleihen dem Album den richtigen Drive und beugen potentieller Monotonie geschickt vor. Auch wenn auf erzählerische Innovation verzichtet wird, hat „Der Löwe“ dadurch einen enormen Wiederspielwert und ist schon auf rein musikalischer Basis rundum gelungen. Gut gebrüllt, Löwe!
- Audio-CD – Hörbuch
- König im Schatten (Chapter One/ Universal Music) (Herausgeber)
Manuellsen feat. Prinz Pi & Animus – Farbenblindes Strassenkind [Video]
„Euer Hass macht mich farbenblind“