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People Under The Stairs

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Ohne Videorotation auf MTV, ohne großmäulige Sprüche, ohne Titelbilder in der einschlägigen Presse… Die LP "The Next Step" von Double K und ThesOne – zusammen die "People Under The Stairs" – gehört mit Sicherheit zu einem der musikalischen Highlights dieses Winters, und so lohnt es sich, ein wenig genauer zu sehen, was sich unter der Treppe verbirgt. Sechs Jahre ist es her, seit sich ThesOne und Double K klassisch in LA im Plattenladen trafen. ThesOne: "Wir waren ja beide notorische Beatbastler in unserer Nachbarschaft. Also waren wir natürlich gespannt darauf, rauszufinden was der andere so drauf hat. Als wir uns dann trafen, hat es sofort geklickt, und der Rest ist HipHop-Geschichte." Nach ein paar Jahren hatten sich in ThesOne´s Schlafzimmer über 50 Titel angesammelt, und man fing an, sich nach einer Veröffentlichungsmöglichkeit umzusehen. Allerdings stellte sich die Suche nach einem geeigneten Label als nicht sehr einfach heraus. Frustriert von ungünstigen Angeboten und schlechten Vertragsvorlagen beschlossen ThesOne und Double K schließlich, ein eigenes Label zu gründen und so ihren Titeln den Weg auf den Markt zu ermöglichen. PUTS Records wurde ins Leben gerufen und mit dem Vibe des Creed Taylor Labels CTI, dessen Logo als optisches Vorbild fungierte, schafften sich People Under the Stairs ihre eigene Plattform.
Warum gerade CTI als Vorbild?
TheOne: "CTI-Sachen sind zwar vielleicht nicht das exklusivste und rarste was Du im Bereich Jazz und Funk bekommen kannst, aber es gehört zur Grundlage einer jeden B- Boy Geschichte. Wenn man zurückblickt auf Wildstyle oder alte D-Jay Sachen, dann kann man immer die beiden gelben Label auf den PLattenspielern rotieren sehen. Wir wollten den Spirit von CTI auffangen."
1000 Stück ihres Albums pressten PUTS auf dem eigenen Label, dazu 1000 Maxis der Single "The Next Step II".
ThesOne: "Ich gebe zu, wir wußten rein garnichts über die Musikindustrie und mußten das meiste auf die harte Tour lernen. Aber das geht wohl den meisten Independents so. Immerhin hat es uns eine Menge Erfahrung gebracht, was den ganzen Prozess, die Maschinerie des Plattenverkaufens, das ganze Buisness und die beschissene Politik darum angeht. Am Schluß landeten wir bei Om, und das war auch gut so." Om-records, ursprünglich nur an einem Track für eine Compilation interessiert, witterte das große Potential. Chris, der Besitzer des Labels, fragte PUTS nach ihrem Vertragsinteresse, und nur eine Woche später kam von Om genau der Vertrag, mit dem sich PUTS einverstanden erklären konnten. Die komplette künstlerische Freiheit inklusive Artwork etc blieb bei PUTS, Om versprach, sich "lediglich" um den ebenso lästigen wie nötigen Krempel wie Pressung, Vertrieb etc. zu kümmern. Erste Handlung von Om: die internationale Wiederveröffentlichung von "The Next Step". Oberste Priorität für ThesOne und Double K ist es, in keiner Art und Weise einen Teil der Stücke in fremde Hände zu geben. Etwas, was laut ThesOne im aktuellen HipHop gänzlich verloren gegangen ist:
"Wir haben versucht, die Songs mit ganzem Herz zu machen, ganz im Gegensatz zu all den HipHop- Selbstdarstellern und Scherenschnitten. Wenn man sich ein PUTS-Album anhört, dann ist es wie ein Gespräch mit uns. Das Album ist ein großes Ganzen, da kann ich nicht einfach einen Teil der Arbeit weggeben."

ThesOne produzierte die Titel, während Double K alle Scratches machte. Das Songwriting fand zusammen statt, ebenso wie das MCing. ThesOne: "Wir haben uns nie gestritten oder waren uneinig über unsere musikalische Richtung. Wir haben niemanden bei unseren Produktionen hinzugezogen, denn wir sind zwei Minds, die an einem musikalischen Strang ziehen. Wir sind sehr eng befreundet und das hilft uns auch bei der Umsetzung unserer Ideen. Wenn wir im Studio sind, ist es niemals Arbeit, eher Gelächter und High Fives. Wir sind uns so nah wie Brüder. Musikalisch und persönlich." Die Frage nach den Dingen, die PUTS beeinflußt haben, ist bei einem so starken Anspruch an Authentizität nicht uninteressant. ThesOne:
"Beeinflußt haben uns sehr viele verschiedene Dinge. Jazz, Funk und Rock aus den Jahren 68-75 zum Beispiel. Oder HipHop so zwischen 90 und 94. Oldschool-Sachen natürlich… aber natürlich auch nur einfach gute Musik! Wir lieben alles, was aus dem Herz kommt und Verstand hat, alles was Funk hat – ganz egal ob Kinderplatte oder Countrymusik. Ich persönlich bin sehr, sehr stark von Stereolab beeinflußt worden. Sie haben meine Herangehensweise an das Musikmachen grundlegend verändert, und ich werde mich ihnen deshalb immer verpflichtet fühlen.."
Und Kalifornien, die HipHop-Szene in der Nachbarschaft? In Amerika?
ThesOne: "Cali hat so gut wie keinen Einfluß auf uns. Wir sind zwar LA- Muppets, aber beeinflußt hat uns – wenn überhaupt – mehr das New York der 90er, 80er und 70er. Und die ganzen Leute, die hier an der Westcoast aktiv sind… die meisten wissen nicht einmal wo sie musikalisch herkommen. Was immer unser No. 1 Klassiker bleiben wird sind die beiden Alben von Freestyle Fellowship. Madkap, Pharcyde, Heiro, NWA, CMW, King Tee und alle anderen waren natürlich auch bis zu einem gewissen Grad ein Einfluß, aber wenn´s um die Leute geht, die momentan in der Szene aktiv sind, dann fühlen wir uns mit keinem irgendwie verbunden. Wahrscheinlich sind wir einfach nur ALT. Alte Schule: New York, LA was auch immer, alt eben." Mit der Einschätzung, PUTS wären fremdelnde Autisten, liegt man aber falsch. Eine Band gibt es allerdings schon, mit der sich PUTS in gewisser Weise verbunden fühlt, und mit der auch Dinge in Planung sind:
ThesOne: "Ugly Duckling. Das sind unsere Homies! Wir hoffen auch, daß wir in Zukunft mehr mit ihnen arbeiten werden!" Mehr deshalb, weil schon in Kürze eine Maxi von Captain Kid Lexus in Zusammenarbeit mit Ugly Duckling auf PUTSrecords erscheinen wird. Ebenso kommt demnächst das (diesmal wirklich) neue Album von Double K und Thesone auf den Markt. ThesOne:"Das neue Album heißt ‚Question in the form of an answer‘ und erscheint im Frühling, die erste 12" ‚Youth Explosion‘ sollte demnächst erscheinen." Die Plätze unter der Treppe bleiben also interessant, und man darf gespannt sein, wie sich die Dinge entwickeln. ThesOne hat bezüglich HipHop nur ein Anliegen: "Hört alle auf, Euch so verdammt ernst zu nehmen und lernt mal wieder Spaß zu haben! HipHop – lighten the fuck up!!!"

Nico Suave

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Sein Video zur ersten Single „Vergesslich“ (steht ab dem 05.03. in den Läden) ist bereits auf allen einschlägigen Videokanälen zu sehen und darin am Schlagzeug auch ein alter Bekannter: „der schreckliche Sven“ a.k.a. „Sven Franzisko“ – a former member of Fischmob. Sven hat die Single zwar musikalisch nicht im Sinne von Komposition oder Text beeinflusst, „war aber von der ersten bis zur letzten Minute an den Knöpfen dabei, hat halt aufgenommen und hat die ganze Entstehung begleitet“, wie Nico erzählte. Das war für Nicoschon etwas besonderes“ und so sollte Sven dann im Video am Schlagzeug sitzen. Diese Anekdote hat deshalb Symbolgehalt, weil auch die angenehm wenigen Features auf Nicos Album (gefeatured werden nur Buddy von Deichkind, Dabru Tack sowie Mutter Natur mit Manuva) in vergleichbarer Weise natürlich entstanden sind und sich deshalb auch nicht als businessorientierte Entscheidungen darstellen. Angesprochen auf den Solotrack „Suave“, den Dabru Tack auf der Platte einnimmt, erklärt Nico z.B.: „Dabru Tack – den kenn´ ich halt schon aus der Grundschule. Mit dem hab ich angefangen Musik zu machen und für mich war das einfach wichtig. Wir haben halt damals die Gruppe „Provinzaroma“ gehabt und uns dann aber ´97 getrennt. Die Band ist dann erstmal auseinandergegangen und jeder hat so seinen Kram gemacht und die Sachen, die er heute macht finde ich halt derbe und ich wollte, dass er auf dem Album auftaucht und wollte auch, dass er was besonderes hat, weil er halt eine ganz besondere Rolle in meiner HipHop-Laufbahn spielt. Und da hab´ich halt gesagt, ich hab Bock, dass du ´nen Solotrack auf meinem Album machst. Er sollte nicht nur ´nen typischen Feature-Track machen, so dass er den Refrain schreibt oder die Hälfte des Textes und so ist halt der Solotrack entstanden. Und der handelt ja auch von uns beiden – wie wir uns halt kennengelernt haben, was wir zusammen gemacht haben.“ Völlig zwanglos ist auch die Zusammenarbeit mit Esther Adams zustande gekommen, die die Hook in „Kennst Du das?“ singt, einem Song der Nico auch text- und rapmäßig sehr am Herzen liegt. „Esther ist ´ne Jazzsängerin aus München. Die ham Will und ich kennengelernt, als wir in München einen Track aufgenommen haben – in so ´nem Jazzcafé hat sie halt gesungen mit so ´ner Band und da hab´ ich mir gedacht, die passt bestimmt gut auf den Beat irgendwie und so hat sich das ergeben.“ Nicos Album wird durch langsamere, relaxte Beats dominiert, zu denen es überwiegend entspannte Samples und Melodien gibt, wobei letztere auffällig häufig durch Musiker eingespielt wurden. Auch das ist jedoch nicht Folge eines geplanten Konzepts, sondern hat sich eben so ergeben: „Ich hatte halt Bock irgendwie was mit ´n paar Livemusikern zu machen, d.h. was sehr musikalisches und ich hatte auch einfach Bock, so smoothe Beats zu nehmen – ich hab´mich nicht irgendwie hingesetzt und gesagt, so das Album muss so und so aussehen, das Ding muss sich so und so anhören – ich hab´einfach Tracks gemacht und hab´ gerade bei den Beats so nach meinem Geschmack ausgewählt – wenn mich einer gekickt hat, dann habe ich den reserviert.“ Rapmäßig überwiegt ganz klar Storytelling, was man…

ab dem 02.04. (Album-VÖ) u.a. auf den Tracks "Briefträger-Styles“ (großes Tennis), „Lauf der Dinge“ oder „Barkeeper 2“ bestens auschecken kann. Auf die Frage, ob er schon immer bevorzugt Geschichten erzählt hat, antwortet Nico: „Also das Ding ist, dass Battle ja was super traditionelles ist, gehört auf jeden dazu – ich schreib jetzt seit sechs, sieben Jahren Texte und hab´ auch die ersten drei, vier Jahre fast nur Battle-Lyrics geschrieben. Aber für mich war es jetzt einfach eine Herausforderung, ´nen Schritt weiterzugehen, weil es für mich als Texteschreiber einfach ein geileres Gefühl ist, wenn ich ´ne coole Story hab und die mit guten Reimen und auch ´nem guten Flow zusammenbringe. Wenn ich so ´nen Text schreibe kann ich halt besser einschlafen so, weil ich find´ halt Battle … es gibt halt Leute, die ham das in Deutschland perfektioniert – ein Tone aus Frankfurt, auch ein Sam Deluxe, auch ein Savas und ich finde halt einfach, dass es Leute gibt, die dass cool machen. Für mich is´es aber einfach ´ne größere Herausforderung, ´ne Geschichte zu erzählen und insofern ist so halt der größte Teil meines Albums.“ Und die Geschichten, die er erzählt sind ausschließlich autobiografisch, auch dort, wo – wie in Briefträger Styles – 80-jährige Damen strippen oder Leichen die Postzustellung erschweren: „Ich hab´halt so vier Monate mal als Briefträger gearbeitet, weil ich irgendwie auch meine Miete zahlen musste und keinen Bock hatte auf Fabrik. Es gab da so ´n paar Reihenhäuser und ich musste da halt immer anschellen, weil die Briefkästen drinnen waren und bei Haus Nummer … 42 war es, glaube ich – habe ich eben immer bei dieser einen Frau geschellt, weil ich halt wusste, die ist einfach da und die macht mir auch jeden Tag die Tür auf und das war auch eigentlich immer alles smooth. Irgendwann hat es dann mal ein bißchen länger gedauert, bis die Tür aufging und ich habe das erst gar nicht so richtig realisiert – sah halt erst nur so, dass sie ´n Handtuch um den Kopf hatte, was ja nicht weiter wild ist. Und ich so nur kurz „Moin“ gesacht, Post reingepackt und da hat sie halt noch irgendwas geantwortet und ich ging dann so in Richtung Tür .. und dann stand sie halt da und hatte nichts an, weißt du (einvernehmliche Heiterkeit an dieser Stelle)… Und die Frau is´ halt – keine Ahnung vielleicht war sie auch 75, aber ich hab´ sie echt schon so auf 80 geschätzt.“ … „Ein anderes mal komm ich wieder so an einer meiner Standardkurven an und seh´ schon von weitem so Krankenwagen, Leichenwagen und geh´dann mit meiner Karre an so ´ner kleinen Blutlache vorbei und stell mein Gerät da irgendwo ab. Ja – und dann kommt halt so ´n Bulle an, der dann so meinte, was ich da so wollte mit meiner Uniform und meiner Karre – weißt du – was soll ich da wollen? – und geb´ ihm dann halt die Post für das Haus und guck´ so rechts rüber und seh´ dann eben die Frau da in dem Türrahmen liegen.“ Auf den ständigen Vergleich mit Dende angesprochen meint Nico nur: „Es ist immer das Naheliegendste für den Zuhörer, der nicht wirklich zuhört und nur das Endprodukt in der Hand hält, zu sagen: „Nico Suave? Woher kenne ich den? Eins, Zwo – alles klar.“ Mehr Gemeinsamkeiten sieht er da schon in der Angewohnheit, Raps von anderen MCs zu analysieren: „Für mich zählt zwar erstmal was für ´n Vibe bei ´nem Stück rüberkommt. Kickt mich das Stück – berührt mich das Stück? Und dann fang´ ich aber natürlich auch an, zu analysieren. Beim deutschen HipHop ist es noch ein bißchen anders, weil man da ja alles auf Anhieb versteht – da reicht dann auch oft nur ein Satz und die Stoptaste wird gedrückt. Wenn du aber viele Reime, geile Reime in kurze Zeilen oder in kurze Sätze packst, dann ist es schon krass, wenn das auch alles Hand und Fuß hat. Das ist eben auch ´ne Entwicklung, die für mich auch sehr wichtig war – dass man halt auch irgendwann an ´nem Punkt angelangt ist, wo man es schafft, ´ne Story zu erzählen, die Hand und Fuß hat. Reime zu benutzen, die nicht die simpelsten sind oder Reime zu benutzen, die nicht schon jeder zweite benutzt hat und dann auch noch Flow zu haben. Aber das ist halt ´ne Entwicklung, die erstmal stattfinden muss. Die Leute vergessen gelegentlich, dass Talent alleine nicht ausreicht. Es ist zwar ganz wichtig, aber selbst jemand, der Talent hat, muss ja erstmal daran arbeiten, auch wenn er schneller lernt, Texte zu schreiben.“ Wie gesagt – das Album kommt am 02.04., im Mai gibt es eine (zunächst mal nur) deutschlandweite Tour mit Mr. Schnabel, wobei die Tourdates auf Nicos Homepage www.nicosuave.de abgefasst werden können. Wer mit Nico ´n Interview macht, der kann schnell feststellen, dass der Typ genauso relaxt ist, wie die Platte. Danach hört man zum Levelhalten am besten „The Essence Of J.Rawls“.

Deichkind

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Man nehme drei ambitionierte Köche (Malte, Buddy und Philipp), schicke sie in ein schalldichtes Kochstudio in Hamburg-Bergedorf und verschließe die Tür. Was dabei herauskommt, ist der erste Gang eines garantiert fetten Fischgerichts, das jeden Smutje vor Neid erblassen läßt. "Kabeljau Inferno" heißt die erlesene Kreation, und stillt als Amuse Geulle den Hunger bis nächstes Frühjahr, wo dann der Hauptgang serviert wird, dessen Fertigstellung nun einmal seine Zeit braucht. Gut Ding usw… Aber macht nichts, denn bekanntlich erhöht Vorfreude den Hunger, und bis es soweit ist, knabbern wir vergnügt die ersten Kabeljau-Happen und lauschen den Gesprächen der Köche Malte und Buddy, die wir unerwartet aufzeichnen konnten.
Wie lange gibt es Euch denn nun schon, und wie waren die berühmten Anfänge?
Malte: "Uns gibt´s jetzt schon über zwei Jahre in dieser Formation. Früher waren wir in einer richtigen "Liveband", wo wir mehr Jazz und Rare- Groove gemacht haben, dann wurden wir irgendwann zu Deichkind. So, wie wir´s jetzt immer noch sind. Aber wir wollen auch wieder mit richtiger Band autreten. Wenn die Aufnahmen durch sind, wollen wir das Ganze mit acht Leuten auf der Bühne umsetzen."
Nehmt ihr denn im Studio auch viel mit Live- Instrumenten auf?
Buddy: "Malte spielt sehr viele Instrumente, und die spielt er auch selber ein, aber der Hauptteil entsteht schon am Computer."
Und wie hat sich das von der Liveband am Anfang hinentwickelt zum HipHop?
Buddy: "Ich spiele Percussion und lege nebenbei auf. Da lege ich dann zwar hauptsächlich Funk und Rare-Groove Scheiben auf, die mich mit den Beats und Samples auch mehr ansprechen, aber seit über acht Jahren höre und spiele ich HipHop, früher auch schon in anderen Bands. Das war damals aber noch eine andere Szene, ein anderer Style. Es war ziemlich undergroundig, Hardcore-HipHop z.B. aus London, Silvah Bullet und die ganze Fraktion. Dann kam so die Reggae/Ragga-Zeit, dann kam wieder mehr die Rare Groove-Schiene – tja, und dann habe ich angefangen, mit den Jungs zu spielen."
Malte: "Als Buddy und ich das erste Mal zusammen auf der Bühne standen, wurden wir mit Tomaten beschmissen. Das war auf ´ner HipHop Jam in den Docks. Da bin ich frustriert nach Hause gefahren, und hatte keinen Bock mehr auf HipHop."
Buddy: "Das ist inzwischen schon angenehmer, publikumsmäßig. Nicht mehr nur die Reggae-Penner und Klischeekiddies, die dann auf den Agro-Film kommen."
Der Anspruch an die Musik ist schon gestiegen. Ihr wart ja auch in Chemnitz auf dem Splash-Festival…
Buddy: "…im Osten sind die Leute viel herzlicher geworden, es macht inzwischen mehr Spaß dort zu spielen."
Malte: "Wir haben mal in so´ner Disse gespielt, mit Lichtorgel und so, Leuchtfußboden… Wir haben unser Set das erste Mal durchgespielt, da saßen alle so auf den Stufen und haben uns beobachtet, aber niemand hat reagiert. Dann haben wir das Set nochmal gespielt, und plötzlich sind die Leute auf die Bühne gekommen und haben getanzt."
Habt ihr oft das Gefühl, daß die Message nicht ankommt?

Malte: "Das ist ganz furchtbar zum Teil. Wir haben mal in einer Großraumdiskothek in Saarbrücken gespielt. Wir sind auf die Bühne gegangen, und es haben uns Leute angeschaut, die mit uns rein garnix anfangen konnten. Das war ein Publikum, das DMX und den ganzen Kram gehört hat, und dazu voll abgegangen ist. Und… es war furchtbar."
Der harte Weg zum Erfolg führt ja auch oft über´s Arbeitsamt, wie wir auf eurer Maxi hören ist. (Leider nur auf der CD-Version, Anm. d. Red.) Wie ist eure Situation momentan?
Buddy: "Voll eingespannt mit Aufnahmen."
Malte: "Also ich war neulich auf´m Arbeitsamt, aber ich glaube…(grinst)…ich habe doch keinen Bock auf das alles…" (Gelächter)
Ihr seid also voll und ganz Deichkind?
Malte: "Ich bin vor allem auch Vater! Nix mit Party hier und abhängen! Ich glaube aber grundsätzlich schon, daß es inspirierend ist, nebenbei was anderes als Musik zu machen. Gerade wenn man durch so ein steiniges Gelände wie die Musikbranche muß."
War es denn steinig für euch bisher?
Buddy: "Steinig und vor allem langwierig. Mit der ganzen Umsetzung."
Malte: "Und die ganzen Gigs, das war auf jeden Fall steinig. Also die ersten Gigs waren sooo steinig…" (Gelächter)
Buddy: "Da sind wir durch den Süden gerockt, jedes Wochenende…"
Malte: "…haben auf Hundematten gepennt und Korn getrunken um einzuschlafen!"
Und jetzt mit dem Vertrag bei Showdown, wo auch das Album in der Mache ist, habt ihr da das Gefühl, daß es anspannungsmäßig leichter wird für euch, oder ist jetzt im Gegenteil eher mehr Druck da?
Buddy: "Leichter Druck ist da schon noch da. Man sitzt halt jeden Tag vor´m Computer oder Notizblock. Es ist nicht immer einfach, aber es ist auch gut, mal diesen Druck zu spüren. Die letzten 2 Jahre haben wir immer eher so nach Lust und Laune produziert, und wenn wir was hatten, na ja, dann haben wir eben mal geschaut…"
Malte: "Also ich fühle mich wesentlich besser als früher, obwohl ich viel mehr Stress habe."
Buddy: "Es ist einfach ein leichter Leistungsdruck, aber es ist okay!"
Habt ihr jetzt für das Album schon einen Plan, mit wem ihr was machen wollt? Remixe oder so?
Buddy: "Ja! Mit Doppelkopf haben wir was gemacht, vielleicht mit Dendemann, den haben wir gerade kennengelernt. Oder mit Ferris MC, man weiß es nicht. Der ist ja auch gerade dabei, seine LP aufzunehmen, aber da ergibt sich schon öfter was, die große Connection ist ja soweit da."
Inwieweit seid ihr denn mit Hamburg verwoben? Eimsbush, Mongoclikke?
Buddy: "Wir kennen alle vom Sehen, von Parties und zum Teil noch von früher. Man trifft sich und so, aber wir haben noch nichts mit ihnen produziert. Es ist aber auch kein Konkurrenz-Battle oder so. Mr. Schnabel ist eher mit den Eimsbush-Leuten unterwegs, ist öfters im Studio bei den Jungs draußen und macht auch Sachen mit ihnen, aber unsere Family sind eher die BoogiePark-Leute. Das Studio und die ganzen Leute drumrum."

Fazit: Egal, welche Family, Deichkind rockt das Haus auf jeden Fall bestens, und wenn die kommende LP hält, was "Kabeljau Inferno" verspricht, gibt es mit Sicherheit ein neues Highight am nordischen HipHop- Himmel. Denn was braucht es für ein gutes Gericht mehr, als die perfekten Zutaten, und Deichkind liefern diese mit Sicherheit. Also Fast-Food in den Mülleimer befördern, Rucolabouquets bei den Lifestyle-Homies abladen und selber reinbeißen in den dicken Fisch, den uns Deichkind liefert. Kabeljau Deluxe!

NoProp21

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Letzte Woche führten die Kids von der Westcoast mit dem HipHop an ihrer Seite einen Kampf gegen einen Gesetzesentwurf namens Prop21. Auch Stars wie Mos Def, Talib Kweli und Dead Prez gingen auf die Straße, denn eine Zustimmung der Bevölkerung zur Prop21 hat weitreichende Konsequenzen für die kalifornische Jugend, ihre Rechte, ihre Freiheit – sprich: Ihre Zukunft im weitesten Sinne. Ein Intro zu einer aktuellen politischen Debatte in Kalifornien, die besonders die HipHop Szene beschäftigt. In Kalifornien treibt ein Ex- Gouverneur namens Pete Wilson sein politisches Unwesen und hat mit seiner "Initiative zur Prävention von Jugendkriminalität" eine (zurecht) vor Wut tobende Jugendfront geschaffen, die in den letzten Tagen ihr größtmöglichstes getan hat, um, seinen Antrag abzuwenden. Am 7. März hat die Wahl stattgefunden, die darüber entscheidet, ob die Prop21 in Kraft tritt oder nicht. Zunächst Einiges zu den Inhalten der Prop21: Alle "Gang"-Delikte sollen stärker bestraft und mit Sexualdelikten auf eine Stufe gestellt werden. Die Definition von "Gang" wird dabei so weit gefaßt, dass alles eine Gang sein kann, sobald nur mehr als 2 Leute im Spiel sind. In vielen Fällen werden die Jugendlichen nach dem Erwachsenenrecht behandelt. Die Urteile fallen damit viel schärfer aus. Geringfügige Vergehen werden zu Verbrechen hochgestuft. Nicht-gewaltsame Delikte werden im Schweregrad wie Gewaltverbrechen behandelt. Die geringsten Auffälligkeiten werden im polizeilichen Führungszeugnis festgehalten. Die polizeilichen Führungszeugnisse sollen bei Bewerbungen am College oder an der Universität zugänglich gemacht werden. Hinfort die juristische Diskretion! Die Konsequenzen der Änderungen wären drastisch: Die Jugendlichen werden eingekerkert, weggesteckt, von den Straßen geholt Es müssen noch weitere Gefängnisse in Kalifornien errichtet werden, obwohl: Cali bereits das amerikanische Land mit den meisten Gefängnissen ist, aber nur an Stelle 41 auf dem "Education ranking" liegt. Die Jugendkriminalität in Cali in allen Bereichen deutlich abgenommen hat und weiterhin sinkt. Die Anzahl von Morden/Totschlägen ("homicides") ist zwischen 1994 und 1998 um 50%, die von Verbrechen ("felony") um 30% zurückgegangen. Es wird häufiger auf die Todesstrafe als Sanktionsmittel (!) zurückgegriffen. Die Macht der Richter wird zugunsten der Macht der Ankläger abgebaut. Die Errichtung der Gefängnisse und die "Haltung" bzw. Tötung der Jugendlichen in diesen wird Unmengen von Geld kosten, das natürlich vom Steuerzahler eingeholt wird. Man spricht von "Hundreds of Million Dollars" als anfängliche Einmalkosten und von ungefähr genausoviel an Folgeausgaben. Mr. Wilson scheint sich zu weigern, den Facts in die Augen zu sehen. Stattdessen guckt er lieber Channel Zero und verkauft den ängstlichen bis schwer paranoiden Eltern und Erwachsenen Kaliforniens ein Bild seiner Young Generation, in dem die Kiddos als kriminell und gemeingefährlich, quasi gesellschaftsschädlich erscheinen. Dass das nicht ganz stimmen kann, sieht man ja an den o.g. Statistiken.

Pete Wilson will den großen Teil der Wählerschaft zufriedenstellen, der auf ein härteres Durchgreifen bei Mördern und Vergewaltigern pocht. Das sanfte, moralapostelische Auf-die-Finger-Klopfen soll endlich ein Ende haben! Allerdings erfassen die angestrebten Maßnahmen weit mehr als nur Schwerstverbrecher. Ein kleiner Shoplifter kann für 180 Tage eingebuchtet werden. Wie viele andere Politiker (nicht nur in "The Land of the Free") nutzt der gnadenlose Ex-Gouverneur die menschlichen Bedürfnisse nach Sicherheit und Geborgenheit aus und pervertiert sie mit seiner Panikmache zu einem absurden Ausmaß. Die Einkerkerungspolitik trägt obendrein noch die euphemistische Etikette "Präventionspolitik". Die Prop21 kommt einer Steigerung der "3-strikes-Methode" gleich, die einem wirklichen Präventionsverfahren gegenübersteht. Statistiken haben gezeigt, dass sich Präventionsprogramme wie Belohnungen zum Schulabschluß oder schlicht und einfach die Förderung von Jugendmöglichkeiten bei gleichen Ausgaben viel stärker auf die Kriminalitätsrate auswirkt als die Abschrecktaktik des Einbuchtens. Den seit 1984 in Cali errichteten 21 Gefängnissen steht ein einziger neu hinzugekommener Campus gegenüber. Zum Glück sind die Kids aus Cali nicht auf den Mund gefallen und haben sich wirksam gegen die Prop21 gewehrt. Nach den Motti "No on Prop21" und "Schools not Jails" haben hauptsächlich Jugendliche überall in Kali protestiert, und zwar verbal wie durch Taten, auf der Straße wie im Internet. In der letzten Woche, der "Week of Rage", sowie am letzten Tag vor der Wahl, gab es unzählige Märsche, Rallyes und …Konzerte! Hier, aber nicht nur hier, tritt die HipHop-Bewegung auf den Plan. Mos Def, Talib Kweli und MeShell Ndegeocello haben am Wochenende ein "SchoolsNotJails"-Konzert gegeben. M-1 von Dead Prez hat in Oakland die "HipHop will prevail"-Show angeführt und sogar Lyrics über die Prop21-Gefahr verfaßt. Jugend und HipHop haben sich quasi zu einem "Bay Area Movement" zusammengeschlossen und den "War on youth", ausgerufen von Herrn Wilson und seiner Assistentin Prop21, verurteilt. In vielen Interviews kam heraus, dass die Kiddos mehr als dankbar sind über den Schulterschluß mit dem HipHop, da sie sich durch ihn verstanden fühlen. HipHop sei ein exzellentes Tool, um die Jugend zu organisieren. Mit dieser Szene könnten sich die meisten identifizieren, denn HipHop ist nunmal die Musikgenre Nummer Eins der Schulhöfe. HipHop Events seien unglaublich gut geeignet, um die Jugend zu versammeln und, einmal united, über politische Belange aufzuklären. Die Ergebnisse, die bei schoolsnotjails.com zu finden waren, sind erschreckend: 61,9 % haben sich für, 38,1 % gegen die Prop21 entschieden! Die Wahlbeteiligung lag mit über 98 % sehr hoch. What a shame! Dieses Ergebnis ist sehr enttäuschend und gibt ernsthaft Anlass zur Sorge um die Zukunft der Jugend an der Westcoast!

Boombap

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Deutschlandweit hat der geneigte HipHop-Liebhaber und rap.de-Leser schon die Lage gepeilt, kennt die Namen, weiß wer für Qualität steht, wo die Party steppt, die Boxen wackeln und der Tanzboden brennt. Doch als Mensch mit erweiterungsfähigem Horizont ist es nie zu spät, die HipHop-Allgemeinbildung zu erweitern, und wer jetzt am Ball bleibt, kann morgen behaupten alles schon gestern gewußt zu haben.
Es ist ja nichts Neues mehr, daß österreichischer HipHop momentan durch Deutschland weht wie die berühmte frische Brise und diverse Crews und DJs aus dem Alpenstaat sich endlich auch hier die verdiente Reputation erstellen. Die anfängliche Berührungsangst ist dem gewichen, was im HipHop (wie auch sonst in der Musik) die größte Rolle spielen sollte:
Der Anerkennung von Qualität. Wo man Anfang nur vereinzelt neue Namen irgendwo aufschnappte, zählen inzwischen viele österreichische Aktivisten zum festen Bestandteil der Szene. Namen wie Texta, Total Chaos, Waxolutionists oder Schönheitsfehler sollten zum festen Repertoire eines jeden HipHop-Freaks gehören und erfreulicherweise stellt man fest, daß dies auch immer öfter so ist. So ist es nun an der Zeit mal ein bißchen tiefer zu graben in der österreichischen HipHop-Mine.
Ja, ja! Licht ins Dunkel, denn wenn in Österreich eine Party brennt oder ein HipHop-Tonträger an den Start geht, dann hat oft die Boombap-Posse die Finger mit im Spiel. Was man hierzulande "nur" als Wiege von feinen Samplern kennt ist in Wirklichkeit ein brodelnder Haufen Headz, die eine Menge mehr machen, als nur Platten unters Volk zu bringen. Angefangen hatte alles mit der Gründung des Duck Squad Labels 1993.
Die Schönheitsfehler-Masterminds Burstup und Milo schafften damit eine Plattform, die es ermöglichte eigene Produktionen und die von Freunden und Die Boombap-Posse Bekannten aus der noch relativ kleinen österreichischen HipHop-Szene zu veröffentlichen. Da der Andrang von Künstlern stetig größer wurde, kam man bald auf die Idee, einen Sampler zusammenzustellen der letztendlich den Namen "Das Gelbe Vom Ei" erhielt. Als die Resonanz auf "Das Gelbe Vom Ei" sehr positiv ausfiel und außerdem das BMG-Sublabel GiG-Records für den Vertrieb sorgte, entstand kurze Zeit darauf ein zweiter Teil auf dem auch diverse deutsche Künstler wie zum Beispiel die Absoluten Beginner gefeaturet wurden. Das Labelgeschäft nahm inzwischen allerdings zu viel Platz ein, um auch noch Zeit für Veranstaltungen zu haben. Da es aber gute Parties brauchte, schloß man sich schließlich mit einem Wiener Veranstalter zusammen, der schon seit längerem in diesem Bereich tätig war: Georg Schneider. Die kleinen Meinungsverschiedenheiten, die sich im Vorfeld ergaben, wurden bei dem einen oder anderen Bierchen beigelegt und so formatierte sich die Basis, aus der später die Boombap-Posse entstehen sollte.
Zusammen mit Schönheitsfehler, CM Sushi (DJ) , Üz (DJ & Produzent), Uli (Promoter, DDG-Chef und Schönheitsfehler Manager) und Georg veranstaltete man am 23.12.96 die erste Party und gab dem Event den Namen Boombap. Gemeinsam setzte man sich zum Ziel, deutschsprachigen HipHop in Österreichs Clubs zu bringen und den Künstlern Auftritte zu verschaffen. Boombap wurde zum Duck Squad -Trademark für Veranstaltungen, und man fing an, auch mit amerikanischen und deutschen Crews zusammenzuarbeiten. So kamen z.B. Dynamite Deluxe, F.A.B., Hausmarke und Dike zum ersten mal durch Boombap nach Österreich.

Inzwischen ist die 25. Boombap Party mit Eminem, High&Mighty und dem österreichischen Support Die Symbiose und Kamp (watch out for Tapes!) gelaufen, erste finanzielle Sturzflüge sind überstanden, und der Boombap Sampler "Teil 3 vom Ei" knüpft an die Erfolge seiner beiden Vorgänger an. Auch alte Duck Squad Veröffentlichungen sind wieder zu haben, und wer sie damals verpaßt hat, bekommt nun die Möglichkeit, Klassiker wie "Naturwaach" vom Dampfenden Ei oder die erste Texta EP "Geschmeidig" nachzukaufen.
Der HipHop-Hype hat auch von Österreich Besitz ergriffen, und abgesehen davon, daß die Crews nun national mehr Aufmerksamkeit bekommen, hat sich das Selbstverständnis der österreichischen HipHop-Szene gefestigt. Kein deutscher Abklatsch, sondern eigenständiger Charakter war und ist angesagt. Wer genau hinhört, kann den Unterschied zu deutschen Produktionen nicht leugnen. Die Zusammenarbeit mit der deutschen Szene allerdings liegt noch etwas im Ungleichgewicht. So holt Boombap zwar deutsche Crews nach Österreich, umgekehrt läuft es aber noch etwas lau. Vorwiegend sind es immer noch die Jungs und Mädels aus dem Süden, die enger mit den Österreichern zusammenarbeiten, allerdings bleibt auch hier zu hoffen, daß sich die Connections ausweiten. Wo früher auch des öfteren finanzielle Schwierigkeiten dem Projekt die Luft zu nehmen drohten, hat sich heute ein mehr oder weniger solider Grundstock entwickelt, von dem aus sich die Dinge gut handlen lassen. Klar, eine goldene Nase hat sich noch keiner von den Jungs verdient, und ein größerer finanzieller Spielraum könnte es wahrscheinlich immer sein, aber eines haben sich die Duck Squads mit Sicherheit verdient: Unseren geballten Respect. Und wenn der Name Boombap auch weiterhin für die kreative Quelle in Österreich steht, dann können wir mit Sicherheit noch mit einer ganzen Menge Output rechnen. So sind schon diverse Projekte in der Einflugschneise und spätestens nächstes Jahr darf man wohl mit neuen Ergebnissen aus der Soundmeisterei rechen. We stay tuned!

Apani B Fly Emcee

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Wenn eine Frau rappt, sind meistens alle Ohren extra scharf gespitzt. Ein Sonderstatus, den man leicht zu seinem Vorteil biegen kann. Nicht dass Apani B Fly Emcee das nötig hätte. Sie ist sowieso ein guter MC. Aber mit verstärkter Aufmerksamkeit lässt sich einiges leichter Erreichen, was für die breite MC-Schwemme so nicht funktionieren würde.

"Manchmal sind die Leute so überrascht, eine Frau reimen zu hören. Sie wollen dann hören, was du sagst, weil du eine Frau bist. Ab und zu frage ich mich, ob die Leute wirklich das mögen, was ich sage, oder die Tatsache, dass ich es bin, die das sagt. Weil insbesondere wenn man weg ist und die Leute nicht genau verstehen, was man sagt; wie zur Hölle können sie dann wissen, ob es gut ist."

In Europa verkauft sie allerdings, wie auch ihre Kollegen, mit denen sie gerade auf Tour war, Mr. Complex, Rubix, L-Fudge und DJ Crossfader, mehr Platten als in den USA. Aber selbst wenn die Zuhörer vielleicht nicht alle Lyrics begreifen, verstehen sie doch das Wichtigste, meint
Apani
: "HipHop ist eine visuelle Sache, wie grafische Musik. Die einzige universelle Sprache, die es gibt, ist Mathematik. Und Musik ist essentiell Mathe: Rhythmus, Zeit, Nummern." Apani wohnt im New Yorker Stadtteil Queens, ist 26 Jahre alt und rappt seit Teenagerzeiten. Sie hat in den letzten Jahren ein paar Maxis veröffentlicht, u.a. auf ihrem eigenen Label Q-Boro, und ist zusammen mit DJ Spinna, Mr. Complex und Shabaam Shadeeq Teil der Polyrhythm Addicts. Zudem kann sie auf Gastraps bei AntiPopConsortium, Pharaohe Monch und anderen zurückblicken. Bevor sie Vollzeit-MC wurde, hatte sie eine Radio-Sendung in New York und war Promoterin bei Loud Records. Apani hat einen klaren Plan von dem, was sie machen will. Den kann sie recht umfangreich mit einer Menge ausschweifenden Situationsanalysen in Worte fassen.Und da sie nicht männlich ist, ergibt es sich von selber, dass sie eine weibliche Perspektive mit ins Rapspiel bringt. Diese Position auszudrücken, war bei ihren ersten Liedern auch ihr Hauptanliegen. Aber eigentlich geht es ihr nicht darum.

"Da ich eine Frau bin, kann ich nicht anders als mich selber zu repräsentieren. Ich würde mir selber schaden, wenn ich meine Meinung nicht klarstellen würde. Musik soll sicherlich unterhaltend sein. Aber als Künstler befriedigt es meine Seele nicht, Musik zu machen, die eigentlich nur ’shake your ass to this‘ ist. Für mich ist Musik etwas anderes. Meine Musik ist irgendwie auch meine Therapie, ich muss Sachen, die ich denke oder fühle, aufschreiben." Dabei ist ihr wichtig, dass ihre Musik persönlich und nicht artifiziell ist. Viele MCs könnten ihrer Meinung nach einiges besser machen: "Viele Künstler machen jiggy Musik, aber haben keinen Soul dabei. Sie versuchen einfach, gut auf Tracks zu klingen. Du kannst es nicht fühlen und kriegst keine Gänsehaut davon. Man muß persönlich werden. Das fehlt den meisten Künstlern. Und insbesondere Frauen machen das nicht. Die machen Fantasie-Scheiß. Das, wovon sie denken, das Männer wollen, was sie sein sollen. Das ist voll unreal und falsch. Wir brauchen das ganze Gewand an Emotionen. Entweder sie sind zu ruhig, zu ruff oder zu sexy. Man braucht von allem etwas." Denn Musik sollte trotz mathematischer Struktur nicht zur Formel verkommen: "Man kann leicht die Formel-Musik machen, die Sorte Puffy-Mainstream Musik. Musik, die dazu konzeptioniert ist, die Leute zum Tanzen zu bringen. So könntest du viele Platten verkaufen. Aber wenn Du ein Künstler bist, und das Ganze längerfristig machen möchtest, musst du deine Musik besser kennenlernen. Du musst lernen, wie man Songs formatiert. Wie man die Struktur so verbessert, dass die Leute am Ende deines Verses nicht zu müde sind, um den Hook zu hören. Die Wörter so einfach zu halten, dass die Leute mitkommen, aber gleichzeitig nicht platt oder ignorant zu werden."

Auch über ihre Bühnenpräsenz hat sich Apani einen Plan gemacht:

"Wenn ich auf die Bühne komme, versuche ich, sie zu killen. Gerade wegen den ganzen Typen, die um mich rum sind. Wenn ich da rausgehe versuche ich, den ganzen Ort plattzukrümeln. Wenn man das Mikro nimmt, muss man vom ersten Wort an alle Wörter so rüberbringen, als wenn man an jede einzelne Silbe von dem, was man sagt, fest glaubt. Als ob es das Realste wäre, was es gerade gibt und jeder dir zuhören muss. Weil wenn man den Leuten nicht glaubhaft rüberkommt, werden sie sich fragen, wieso sie gerade dir zuhören sollen. Es gibt eine Million Rapper da draußen." Rap ist auch zielstrebiger Wettkampf: "Viele der Erfahrungen, die ich gemacht habe, resultieren daraus, dass ich das Erlebnis angestrebt habe. Rausgegangen bin und dem hinterhergerannt bin. Zu sehen: ‚Ich will das, ich werde es bekommen, wie kann ich das für mich hinbiegen.’Mein hauptsächliches Ziel ist es, wenn Gelegenheiten nicht auf mich zukommen, muss ich sie für mich selber kreieren. Und egal, ob männlich oder weiblich, wenn du diese Einstellung hast, wirst du weit kommen. Und du musst dran bleiben, es machen, nicht bloß darüber reden."

Weibliche Tricks helfen Apani ab und an dabei, Sachen zu erreichen.

"Ab und zu benutze ich meine Weiblichkeit. Kleine Sachen wie der Ton meiner Stimme, bestimmte Arten von Augenkontakt, Leute anzulächeln, ihnen manchmal einen kleinen Seitenblick geben, das mache ich, die niedliche Nummer. Aber nicht zu dem Punkt, wo ich so tue, als ob ich schwach wäre. Manchmal ist es aber besser, so zu spielen. Insbesondere, wenn du Hilfe brauchst oder etwas wissen willst. Das Größte, was mir jemals geholfen hat, ist Information. Information ist genauso gut wie Geld. Weil Information wird dir Geld beschaffen. Man muss einen bestimmten Vibe rüberbringen. Manchmal bin ich etwas extra-femininer, als ich es normalerweise sein würde. Weil gleichzeitig bin ich mit lauter Typen unterwegs und kann nicht die ganze Zeit straight girly sein. Manchmal muss ich so "What the fuck" sein, weil sie sind halt Typen. Muss halt manchmal einer der Typen sein, aber nicht zu sehr, weil ich will nicht, dass da etwas verwechselt wird. Ich bin eine Frau, aber ich bin kein Sucker. Und ich hänge zwar mit Kerlen ab, aber ich bin keiner. Immer die feine Linie langlaufen." Und so kam sie zum Rappen: "Ich war wahrscheinlich vom ganzen Konzept von Hip Hop inspiriert. Ich habe immer Artikel, Geschichten, Poesie und so geschrieben. Also war es wohl so etwas wie eine natürliche Weiterentwicklung. Ich habe verschiedene Instrumente gelernt, Schlagzeug, Gitarre, Klarinette und so. Eigentlich wollte ich Journalistin werden, ein Schreiber sein. Meine Eltern haben mich immer dazu ermutigt, kreativ zu sein. Sie haben mich in dem, was ich gerne gemacht habe, wie malen oder schreiben, unterstützt. Sie haben mir beigebracht, ein Denker und ein Macher zu sein, das hat mich beeinflusst, ein Künstler zu werden." 

Momentan baut sich Apani ein Studio auf und bastelt an einem Album und an einem Kochbuch.

Bektas

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Was zum Teufel haben Doublerhymes mit Kapitalismus zu tun? Wie ist das Verhältnis von Inhalt zur Form in der Warenwelt? Und was setzt das sich befreiende Individuum dagegen? Fragen, an denen sich schon weise Geister die Großhirnrinde aufgeschliffen haben. Antworten hat der 25-jährige Kreuzberger MC Bektas. Lest und begreift die Strukturen, die auch euch prägen.

rap.de: Ich finde eher, dass du ein Erzähler bist. Du hast auf jeden Fall Doublerhymes, sparst dir aber diese Metaphern. Und bei diesem Fußballteil nimmst du ja eine andere Erzählerrolle an, eine die jeder kennt: den Fußballreporter, und nutzt ihn für deine Ziele… Erzähl´ mal etwas über deinen Stil.

Bektas: Also, einen bestimmten Stil habe ich eigentlich nicht. Der Inhalt darf nie unter dem Stil leiden. Ich kann jetzt nicht einen geilen Text schreiben, im Sinne von "ich hab jetzt geile Doublerhymes gefunden", nur um die zu zeigen, weil da einfach der Inhalt leidet. Jedes Lied entsteht auch anders. Ich war früher kein Erzähler. Ich habe angefangen über Themen zu rappen, über die jeder rappt, wenn er anfängt zu rappen. Mittlerweile hat es sich so entwickelt, dass ich mehr Geschichten erzähle und so meine Lieder mache. Das ist auch das Faszinierendste für mich, wenn ich mir die Lieder anhören kann, ohne davon abgeturnt zu sein oder mich dabei gut zu fühlen, wie bei einem guten Witz, den du immer wieder hören kannst. Und so hat sich das eben mehr in diese Richtung entwickelt, so wird auch der kommende Rest sein, auf dem zweiten Album sowieso – damit die Alben so ´ne Linie haben. Das erste Album ist halt eine Ansammlung von Liedern. Die Lieder selbst haben natürlich Sinn, aber ab dem zweiten Album wird jedes Lied miteinander zu tun haben. Du kannst einzelne Lieder nur verstehen oder mehr Hintergrundwissen haben, wenn du die anderen Lieder in Kombination dazu gehört hast.

 

rap.de: …Konzept-Album-mäßig …

Bektas: Ja, auf jeden Fall. Ich weiß nicht, ob es so weit kommen wird. Ich habe schon grob vier Alben im Kopf fertig. Ich muss die nur noch schreiben. Ich weiß nicht, ob die Alben miteinander zu tun haben werden. Auf jeden Fall weiß ich, dass das vierte Album mit dem ersten zu tun haben wird, dafür habe ich auch schon die Idee. Aber es wird auf jeden Fall wieder mit "Alis" zu tun haben. Das erste Album wird "Alis im Wunderland" heißen. Es ist also nicht nur Ali als Person im Sinne von Ali als Begriff für Türken in Deutschland, sondern Ali ist auch ein Lebensgefühl. Jeder kann ein Ali sein, so wie auch im Wunderland alles sein kann: Im Kapitalismus, im Kommerz oder im Materialismus untergegangene, verlorengegangene Menschen. Ist halt eine Einstellungssache. Und das werde ich auf jeden Fall auf dem vierten Album an den Start bringen. Da werde ich wieder ein Ali sein, und zwar Bektas a.k.a. Ali Barbar. Der Ali "Berber", der türkische Friseur, ich erzähle dann seine Story, und die ist noch heftiger als meine. Meine ist nur 25 Jahre alt, also das, was ich gesehen und erlebt habe. Aber Ali Berber ist einfach noch heftiger, noch mal 25 Jahre drauf, 50 Jahre alt, und hat ´ne andere Story zu erzählen, die auf jeden Fall auch politischer ist als meine. Ich benutze ihn eigentlich als Werkzeug, die Story ans Tageslicht zu bringen.
rap.de: Ich fand es ganz interessant, dass du gesagt hast, der Inhalt darf nicht unter dem Stil leiden. Ich hab‘ nämlich genau das Gegenteil in einem Samy Deluxe-Interview gelesen.

Bektas: Das ist, wie man sich eine Optik von der Welt macht. Für mich ist das Ganze mehr oder weniger gelenkt. Wir leben im Kapitalismus, und da ist es normal, dass die Form regiert. Dir wird ständig was geboten, du hast die geilsten Verpackungen und kommst gar nicht mehr auf die Idee, nach dem Inhalt zu fragen, weil die Verpackung schon so geil ist, dass es dich flasht. Das ist genau der Trick, den ich nicht anwende. Natürlich arbeite ich auch mit Doublerhymes. Ich habe Doublerhymes im Jahre `92 gelernt. Ein Kumpel aus der Schulzeit hatte mir das beigebracht, ein Pole, und das ist natürlich ein Werkzeug, das auch ich nutze.

Das ist die Entwicklungsform von Rhymes. Ich kann nicht wie Goethe schreiben, in dem sich nur die Endsilben reimen, das wäre zu einfach. Leute, die auf Doublerhymes rappen, haben auch einen anderen Wortschatz, sie reden kombiniert. Die Worte klingen ganz anders, weil sie ständig zwei, drei Silben miteinander kombinieren. Für mich ist das die weiterentwickelte Form von Rhymes. Ich rappe seit acht Jahren in Doublerhymes, aber das ist keine neue Erfindung. Es ist auch keine Erfindung der Deutschen, das gab es schon immer. Auf jeden Fall ist es aber verloren, wenn der Inhalt unter dem Stil leidet. Z.B. bei einer Deutsch-Leistungskurs-Klausur steht da: Inhalt: 6, Stil: 1, ergibt: 7. 7:2 = 3,5, gerundet vier, also ausreichend. Da habe ich lieber Stil: 2, Inhalt: 2, zusammen 2. Viel besser. Sind gleich zwei Unterschiede. Aber viel besser ist es natürlich, wenn du alles auf 1 bringen kannst oder wenn du zumindest versuchst, es besser zu machen. Aber wenn der Inhalt unter dem Stil leidet, bist du gebrainwasht von dem Kapitalismus, der dir sagt, wie du zu texten hast. Weil es halt eine Form ist. Genauso wie "Strophe…" – das ist Jahrhunderte alt. O.k., die Leute wollen das halt so hören, weil es eine Form gibt und bla… Regeln… blablabla…; aber das ist hunderte von Jahren alt. Ich habe teilweise gar keinen Bock mehr, so weiter zu machen, weil das für mich so keinen Sinn mehr gibt. Wenn ich, wie ich es in einem Lied tue, ein Fußballspiel moderiere, hat das nur dann Sinn, wenn ich zwei Halbzeiten habe, vielleicht noch eine Verlängerung, das könnte dann die dritte Halbzeit sein. Verlängerungen sind aber kürzer als eine Halbzeit, deswegen ist auch die Strophe kürzer. Wie die Idee vom Text ist, so sollte auch die Linie sein. Der Inhalt sollte dem auf jeden Fall gerecht werden. Und nicht, weil man nur geile Rhymes gefunden hat, diese präsentieren. Das ist auch eine Sache des Kapitalismus: zu zeigen was man hat. Für Doublerhymes gibt es keinen Finderlohn! Davon wirst du nicht satt. Und Doublerhymes nur um ihrer selbst wegen zu zeigen, ist ziemlich arm. Ich kenne Leute, die in Doublerhymes besser freestylen, als Leute, die in Doublerhymes Texte schreiben. Das ist für mich nicht mehr als Unterhaltung. Also: Stellt den Stil nicht vor den Inhalt! Schaut dem Gaul ins Maul! Nicht alles, was blinkt, ist Ice! Stay true to who you are und lasst euch vom Kapitalismus nicht verhuren, nur weil ihr ihn nicht abschaffen könnt. Geht aufrecht und erzählt uns was aus eurem Leben.

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HipHop ist einen weiten Weg gegangen: von den NewYorker Parks der 70er ausgehend, Anfang der 80er indie Welt getragen und seitdem wie die Aids-Epidemie in unaufhaltsamer Ausbreitung begriffen. Ein Grund für die rasante Verbreitung der Kultur ist ihre Attraktivität auf die Jugend, ein anderes die niedrige Zugangsschwelle. Jeder kann teilhaben, man muss bloß rappen, breaken oder sprühen gehen. Und man braucht kein teures Equipment, um Reime zu verfassen. HipHop ist erstmal von und für die Strasse. Inzwischen hat HipHop auch hierzulande in Form von Rap-Musik den Sprung in die öffentliche Aufmerksamkeit gemacht. Die Zeiten, in denen man die Nachmittage auf Pappkartons vor Einkaufszentren und in Fußgängerzonen verbrachte, sind seit langem Vergangenheit, ebenso jene Tage der Jams, zu denen eine Generation von Heads mit dem Tramperticket der Bundesbahn reiste und somit die Szene vernetzte. Heute spielen die Beginner bei Top of the Pops, Schüler geben ihr Taschengeld für Merchandise oder Konzerttickets aus, und die Spaltung der Szene in Künstler und Publikum scheint unvermeidbares Nebenprodukt der Professionalisierung im Rap-Biz. Viele derjenigen, die schon Anfang der 90er die Fanta 4 bekämpften wie Rastas Babylon – erinnert sei an die damals allgegenwärtige No-Sell-Out-Debatte – können mit dem, was heute im HipHop passiert, nicht mehr viel anfangen und zogen sich bereits vor Jahren zurück. Was war passiert? Dieser Frage gehen zwei Kölner Autoren nach. Der eine, Sascha Verlan, von einem eher sprachwissenschaftlichem Background aus und der andere, Hannes Loh, unter dem Namen LJ als Rapper der Anarchist Academy mit Aktivisten-Credibility ausgestattet. „20 Jahre HipHop in Deutschland“ heißt ihr Buch und schildert die Geschichte der Szene – intensiv wird auf die 80er Writer und Breaker eingegangen. Das Buch ist bemüht, diejenigen Aktivisten, welche inzwischen schon dem Vergessen anheim gefallen sind, ins Licht der ihnen zustehenden Aufmerksamkeit zu rücken. Verlan: „Es war uns wichtig, die Ursprünge darzustellen. Wann hat es angefangen, mit wem hat es angefangen, wer waren die wichtigen Leute der Anfangszeit? Wir haben festgestellt, dass da viele Immigranten-Jugendliche waren. Leute, die nicht „deutsch“ waren, und die sich dann mit Fanta 4 und dem DeutschRap Anfang der 90er nicht mehr repräsentiert fühlten und sich teilweise auch allein gelassen gefühlt haben.“
Ein sicherlich berechtigter Ansatz, wenn man bedenkt, dass ein Großteil des Publikums von Deutsch-Rap, wahrscheinlich erst in den letzten drei Jahren auf’s Genre gestoßen ist. Eben diese letzten drei, vier Jahre – lassen wir sie mal mit „ANNA“ von Freundeskreis beginnen – finden allerdings wenig Eingang in das Buch. Wird damit nicht ein wichtiger Abschnitt ausgeklammert?
Verlan: „Es ist schwierig, eine Sache die noch am Laufen ist, abschließend zu betrachten. Was wird Bestand haben, was wird man vergessen? Es wird sich in drei Jahren rausstellen, was übrig geblieben ist.“ Loh: „Wir sind der Meinung, dass man die aktuellen Entwicklungen der letzten zwei, drei Jahre gar nicht verstehen kann, ohne zu wissen, was in den frühen Achtzigern passiert ist. Es ist ja so, dass die Leute, die heute Erfolg haben – Eins Zwo, Absolute Beginner, die Massiven Töne oder Samy – nicht in einer Tradition mit den Fantastischen Vier stehen, sondern mit Torch und so. Die Entwicklung heute lässt sich nur verstehen, wenn wir mal zurückgucken, wie es am Anfang war.“ 

Auch wenn Eißfeldt mal in einem Interview betonte, dass man erst gut wurde, als man sich von der geistigen Vorherrschaft Torch’s und Konsorten befreite – dass eine Verbindung mit dem deutschen Chef-Zulu besteht, zeigte Eißfeldt zuletzt am Ende des neuen D-Flame Videos, als er ein paar Torch-Aufkleber aus dem Auto wirft (was definitiv als Hommage gemeint war und nicht als Diss, wie manche fälschlicherweise vermuteten). Die große Stärke von „20 Jahre HipHop“ ist die Reflexion. Es werden nicht einfach Szenen und Geschehnisse geschildert oder Akteure vorgestellt – dies wird natürlich auch geleistet – es werden vor allem Reflexionen geboten. Gedanken über Rap und Sexismus oder Schwulenfeindlichkeit, Nation, Machismo. Themen, die eh im Rap-Diskurs offen liegen, die aber seltsamerweise keiner so richtig aufnehmen will. Themen, vor denen man sich im Moment sogar eher zu fürchten scheint. Bloß nicht Stellung beziehen! Loh und Verlan hängen sich aus diesem Fenster. Ich hoffe, man begreift, dass sie dies für HipHop tun. Auch wenn sie manchmal ein bißchen weit gehen und etwa Afrob und Ferris empfehlen, sie sollten lieber über die letzte Bullen-Grass-Durchsuchung berichten, als scheinbar nichts-sagende Party-Texte zu schreiben. In diesem Fall ist das Gegenteil von Gut leider gut gemeint. Nur der Titel des ganzen Buches scheint mir noch unverständlich:
Wieso zum Teufel „20 Jahre HipHop in Deutschland“? Laut der im Buch befindlichen „Diskografie, die ersten 200 Platten“ erschien die erste Scheibe in Deutschland erst 1988!
Verlan: „20 Jahre HipHop in Deutschland heißt das Buch, weil wir klar machen wollen, dass HipHop in Deutschland eben so alt ist. Das heißt nicht, dass wir jedes Jahr gleich beschreiben wollten, sondern, dass es HipHop seit den ersten Aufnahmen gibt, also als Rappers Delight damals rüberkam und es hier anfing mit Sprechgesang-Experimenten, Breakdance und Grafitti. Das war eben Anfang der Achtziger Jahre und deswegen der Titel. Die meisten sind einfach über die Fantas daran gekommen.“ „20 Jahre HipHop“ schafft einen guten Überblick, vor allem über die Passagen der deutschen Rap-Geschichte, die man inzwischen eher vergessen hat. Insofern wird es als Buch unentbehrlich sein. Das ultimative Nachschlagewerk ist es aber deswegen nicht, weil eben das, was heute prominent ist, ein wenig zu kurz kommt. Ein weiteres Manko: Ost- Deutschland kommt zu kurz und Österreich beschränkt sich auf eine Schwulen-Diskussion mit Schöhnheitsfehler. Von diesen Wehrmutstropfen abgesehen: ein sattes, gut geschriebenes Lesevergnügen.

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