Zu sagen, dass die Zukunft der Musik digital ist, schockt niemanden mehr. Auch ist die Aussage in Punkto „Zukunft“ nicht mehr ganz richtig, denn global gesehen hat der digitale den physischen Markt 2015 bereits überholt. Den entscheidenden Faktor dabei spielt das Streaming. Auch in Deutschland ist das ‚Mieten der der Musik‘ auf dem Vormarsch. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2015 nahm es 2016 um 88 Prozent zu und liegt nun bei einem Marktanteil von 24,4 Prozent. Der Bundesverband Musikindustrie schätzt, das 2020 der Anteil weiter auf 45 Prozent steigt, mit der Tendenz die Zahl nach oben zu korrigieren.
Für die Künstler ist Streaming eine Medaille mit zwei Seiten. Nie zuvor konnten sie so viele Menschen erreichen – grade jene, die sich kein ganzes Album kaufen würden. Wenn es den Musikern nur darum ginge, möglichst viele Zuhörer zu gewinnen, wäre Streaming wohl die ideale Form der Musikveröffentlichung. Jedoch ernähren sich Musiker auch nicht von Luft und Liebe. Und obwohl viele Rezipienten Musik legal, teilweise mit Premium-Abos, streamen, anstatt sie illegal herunterzuladen, profitieren finanziell am meisten die Streaming-Dienste wie Spotify, Apple Music und co.
Aber auch hier scheint sich ein Wandel zu vollziehen. In den USA sind exklusive Streaming-Deals bereits seit einigen Jahren Standard. Zumindest für die ersten Wochen sind Releases zuerst nur auf einer bestimmten Plattform abzurufen. Besonders Tidal versuchte auf diese Weise, zum Beispiel mit Kanye Wests „The Life of Pablo“ und Beyonces „Lemonade“, Kunden zu gewinnen. Auch wenn der Musikhörer dadurch Einschränkungen erfährt, sind die Exclusives für den Künstler am profitabelsten. Nach Deutschland könnte dieser Trend ebenfalls überschwappen. Das aktuelle Album „Vibe“ von Fler ist nur auf Apple Music streambar und war dort noch vor der Veröffentlichung des physischen Tonträgers zu hören. Flers Aussagen zufolge scheint sich der Deal auch finanziell zu lohnen.
Die Alben der Rapper Marteria und Kollegah brachen zu ihrer Zeit Rekorde auf Spotify. MoTrips „So wie du bist“ mit der Sängerin Larry landete auf Platz neun der deutschen Streamingcharts 2015, Sido mit „Astronaut“ auf 14. Auch sonst läuft bei Deutschrap: In den Top 25 Album-Jahrescharts standen mit Kollegah (10), Cro (11), Bushido und Shindy (20), K.I.Z. (24) und Sido (25) gleich fünf HipHop-Releases. Mit 8,6 Prozent Marktanteil am Gesamtumsatz hat HipHop seinen höchsten Wert seit der Erfassung 2005.
Gleichzeitig mit dem Erfolg der kommerziellen Erscheinungen steigt auch die Anzahl und Qualität der Alben, EPs und Mixtapes, die zum kostenlosen Download veröffentlicht werden. In den USA werden Mixtapes wie Tweets gedroppt. Lil Wayne überflutete den Markt mit Releases, andere Rapper wie Gucci Mane übernahmen das Modell und schlagen mittlerweile mit über 60 Veröffentlichungen zu Buche. Das Internet ermöglicht die schnelle Verbreitung der Musik. Natürlich ist dabei auch eine Menge Dropout, was aber unwichtig ist, da es bei Mixtapes nicht (mehr) unbedingt um ein rundes Produkt, sondern um die Präsentation einer Ansammlung von spontaneren Ideen geht, von denen ein oder zwei Songs zum Hit werden könnten. Den Ausleseprozess, der eigentlich nach einer Produktionssession ansteht, wird ins Internet verlagert und von den Hörern übernommen.
Hierzulande findet man vor allem von Newcomern Musik für Umme. Etablierte Künstler greifen noch eher selten zu kostenlosen Geschichten. Die US-Rapper verdienen halt auch entsprechend mehr mit einem Album und haben im besten Fall mit dem zweiten ausgesorgt, was das Geschenkeverteilen natürlich einfacher macht. Doch manche größere Namen wie Ahzumjot, Megaloh oder Hiob und Morlokk Dilemma beschenken ebenfalls ihre Fans. Die ersten, die in heimischen Gefilden aber wirklich vorzeigbare Erfolge mit diesem Geschäftsmodell erzielten, waren wohl die Mitglieder der Glo Up Dinero Gang rund um YSL Know Plug aka Money Boy.
Auch wenn es noch keine Mixtape-Inflation wie in den Staaten gibt, steigt die Zahl beständig, dank auch den Cloud/Trap/wie auch immer-Rappern. Denn diese haben sich nicht nur von der Musik eines Future und co. inspirieren lassen, sondern anscheinend auch von deren Veröffentlichungsstil. Das schöne Mula kommt in Form von Auftritten und Merchandise. So rentiert sich dieser Weg bei vielen Rappern viel eher als der ‚klassische‘. Gerade wenn keine gut vernetzten Vertriebsstrukturen zur Verfügung stehen, um die kauffaule Kundschaft zu erreichen.
Musikindustrie goes digital und so auch Rap. In den USA und weltweit ein bisschen schneller, aber das ist man ja gewohnt. Weltweit sind legale Downloads und Streaming den physischen Verkäufen bereits ebenbürtig und werden auch in Deutschland schnell immer wichtiger. Die Künstler bzw. ihre Labels finden bereits Wege, trotz den neuen Umständen mit ihrer Musik ihr Leben zu finanzieren. Das bedeutet für den Hörer tolle Musik for free, aber auch Verständnis zu zeigen, zukünftig vermehrt für einen Streaming-Dienste zu bezahlen. Each One Feed One.