Bisher war Sylabil Spill eher ein Geheimtipp. Nun nimmt Xatar den gebürtigen Kongolesen unter seine Fittiche: Als zweiter Künstler auf dem Label Kopfticker des Bira werden Spill nun endlich Strukturen geboten, die es ihm ermöglichen, den Geheimtippstatus abzustreifen und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu werden. Ganz ohne ihm verhasste Promomoves oder Anbiederungen. In unserem letzten Interview beschrieb Spill sich mit dem Neologismus „promophob“, der nicht nur seine glaubhafte Attitüde auf den Punkt bringt, sondern auch seine elegante Art, mit Worten zu spielen.
Werfen wir doch mal einen genaueren Blick auf das neue Signing von Xatar:
2003 erschien Sylabil Spills Debütalbum „Sylabil Valley„, das mittlerweile auf dem Index steht. Fünf Jahre später veröffentlichte er die EP „Freunde? Nein!“ über das Label Planetpe, die aufgrund der Indizierung des Vorgängers häufig als Debüt angegeben wird und brachialen Battlerap auf sturen, samplelastigen Bummtschack-Loops mit sich brachte. Bereits das Cover zeigt eine Ohrfeige – der Geohrfeigte weist übrigens deutliche Ähnlichkeit mit Marvels Powerman auf – und die ist Programm. Da wird dann auch mal auf einem harmlosen James Brown-Sample „Hackfleisch“ gemacht. Gerade sein frühes Schaffen beschränkte sich auf ausführliche und inbrünstig gerappte Beschreibungen von Gewalttaten. Das 2009 folgende Album „Negative Energie“ schlug in dieselbe Kerbe. Der Song „Du nicht!“ ist dafür ein perfektes Beispiel:
Nach einigen Releases und Kollaborationen über ENTBS – etwa die im Untergrund legendären Die Beleidiger-Alben mit Huss und Hodn, bei denen Spill als der Radira auftrat, oder die 2013er „Roh.Kalt“ EP mit Morlockk Dilemma – erschien das hervorragende Album „Steine & Zwiebeln“ 2014 über Vinyl Digital bzw. Groove Attack, das auch den ein oder anderen gesellschaftskritischen Ton anschlug.
Im letzten Jahr erschienen die zusammengehörigen EPs „Fress.Orgie“ und „Okular„. Erstere kam mit gewohnt hartem Battlerap auf charmant scheppernden Eigenproduktionen daher, letztere mit differenzierten Beobachtungen und Statements zum westlichen Lebensmodell auf Beats von Ghanaian Stallion. Diese veröffentlichte Sylabil Spill über sein eigenes Label Lourd Records, bei dem sonst nur der Künstler MNero unter Vertrag steht.
Für April diesen Jahres wurde dann das Album „Hyper.Realität“ angekündigt, das sich mit der menschlichen Identität und deren Facettenreichtum befassen sollte. Es erschien aber bisher nicht. Der mutmaßliche Grund dafür ist nun klar: Sylabil Spill hat einen Vertrag bei Xatars Zweitlabel Kopfticker ergattert. Das Album wird vermutlich nun dort erscheinen.
Mit Spill und dem Plusmacher zeichnet sich nun langsam ab, wie der zukünftige Labelkader aufgestellt sein wird. Stilistisch passen die beiden jedenfalls hervorragend nebeneinander. Während Alles oder Nix also weiter die klare Straßenlinine fährt, kommen auf Kopfticker eher abseitigere, aber kein bisschen weniger geschmackssichere Künstler zu ihrem Recht.