Wie weit kann ein Rapper oder eine Rapperin gehen, ohne eine moralische Grenze zu überschreiten? Lässt sich Diskriminierung jeglicher Art durch die Kunstfreiheit rechtfertigen? Und wie antisemitisch ist die deutsche HipHop-Szene wirklich? Diese und vielen ähnliche Fragestellungen wurde am vergangenen Donnerstag im Berliner Bezirk Neukölln in einer von RigaRosa organisierten Podiumsdiskussion mit dem Titel „Diskriminierung im (Deutsch-)Rap“ thematisiert. Wir waren vor Ort.
Licht und Schatten
Es kommt nicht selten vor, dass Podiumsdiskussionen viel versprechen und dann doch recht wenig erhellende oder neue Erkenntnisse liefern. Im Fall der Rap-Debatte kann man das glücklicherweise nicht sagen. Dennoch offenbarte auch diese Diskussion Schwachstellen. So erwies es sich von vornherein als fragwürdig, das Streitgespräch nur auf Gangster-Rap zu beziehen. Natürlich kommt es nicht nur im Straßenrap, sondern auch in anderen Rap-Spielarten zur Diskriminierung, was die Gäste auch direkt zu Beginn richtigerweise anmerkten.
Schade ist zudem, dass die Stelle des Moderators offensichtlich mit einem HipHop-Laien besetzt wurde. Dies zeigte sich nicht zuletzt an merkwürdigen und in den meisten Fällen schlecht recherchierten Fragen des Moderators Konstantin Nowotny. Überhaupt brachte er zu oft seine persönliche und fast peinlich fachfremde Meinung mit ein, anstatt den Gästen der Debatte mit geschickten Fragestellungen Vorlagen zu geben. Ein andere Besetzung der Moderatoren-Position wäre deshalb mehr als wünschenswert gewesen.
Spannende Debatte
Dennoch konnte sich in den gut zwei Stunden des Gesprächs eine spannende Debatte entwickeln. Einen großen Verdienst daran hatten nicht zuletzt die drei Gäste, die sich deutlich besser auskannten und alleine schon deshalb deutlich passender ausgewählt waren. Zudem erwies sich die Zusammenstellung der Geladenen als sinnvoll. So waren mit den Wissenschaftlern Jakob Baier und Dr. Martin Seeliger sowie der Rapperin Haszcara sowohl Menschen mit theoretischem Background als auch eine Person direkt aus dem Rap-Game vor Ort.
Sexismus fest verankert
Trotz ihrem unterschiedlichen Hintergrund waren sich Baier und Haszcara in den allermeisten Standpunkten überraschend einig. So kritisierten beide, dass Diskriminierungsformen wie Sexismus im Rap fest verankert seien und es in den letzten Jahren zunehmend zu einem Bruch mit Tabus gekommen sei. Laut der Rapperin müsse es im Rap eigentlich vielmehr um Wertschätzung als um Ablehnung gehen. Gleichzeitig forderte die Künstlerin dazu auf, die Gründe für Diskriminierung zu suchen und HipHop nicht grundsätzlich zu verteufeln. Einer der Gründe für Diskriminierung sei beispielsweise, dass Rapper Angst vor dem Verlust ihrer Männlichkeit hätten und diese über beleidige Lines bekämpfen würden. Einig waren sich beide auch in dem Punkt, dass sich nicht nur Akademiker, sondern beispielsweise auch Jugendliche kritisch mit Rap auseinandersetzen.
Diese Erfahrung hat Haszcara laut eigenen Angaben vor allen Dingen im eigenen Umgang mit jungen Leuten gemacht. Sie gibt Workshops für Schüler, in denen sie den Kindern Rap näherbringt und dabei auch Kritik an dem ein oder anderen Missstand im HipHop äußert. Außerdem ging die Künstlerin in der Debatte auf Frauen im Rap-Game ein. Sie betonte, dass es auch vor einigen Jahren schon Rapperinnen gegeben habe. Deren ausbleibender Erfolg sei nicht zuletzt eine Schuld der Plattenlabels gewesen. Zudem erzählte sie, wie es sich als Frau in einer nach wie vor männlich dominierten Szene anfühlt.
„Kunst darf nicht alles“
Seeliger hingegen kritisierte, dass sich Rapper zu oft auf das lyrische Ich beriefen. Kunst dürfe eben doch nicht alles und schon gar diskriminieren. Darüber hinaus erkannte er im Kapitalismus das Übel, was Diskriminierung maßgeblich ermögliche. Hier und da versteifte sich der Wissenschaftler etwas zu sehr auf seine Kapitalismus-Kritik.
Nachdem sich die ersten anderthalb Stunden der Veranstaltung auf der Bühne abgespielt hatten, kam es im Anschluss zu Fragen und Meinungsäußerungen des Publikums. Zu recht wurde dabei von einem Zuschauer angemerkt, dass es durchaus auch gesellschaftspolitischen Rap gebe, der ohne Diskriminierung auskommt. Als treffendes Beispiel wurde hierbei Disarstar genannt. Der Zuschauer ergänzte, dass man sich diese Künstler als Vorbild nehmen müsse um in Zukunft eine Rap-Szene zu erschaffen, die möglichst frei von Diskriminierung ist.
Nicht alles gedankenlos abfeiern
Auch wenn sich viele Äußerungen in der Debatte auf eine sehr linke Sichtweise beschränkten und der ein oder andere Sachverhalt zu abstrakt vermittelt wurde, konnte man den Veranstaltungsort am Ende zweifelsohne mit einem guten Gefühl und neuen Erkenntnissen verlassen. Denn die Debatte konnte nicht zuletzt eines aufzeigen: Hin und wieder lohnt es sich Rap kritisch zu betrachten und nicht alles gedankenlos zu feiern, selbst wenn man der größte Fan aller Zeiten ist.