Zwischen den Zeilen: Moses Pelham – Adrenalin

Jeder Rapfan hat Lines, die ihm auch beim tausendsten Mal noch eine Gänsehaut garantieren. Unser Format „Zwischen den Zeilen“ nimmt genau solche Zeilen unter die Lupe. In der fünften Ausgabe erklärt Robin Schmidt, warum für ihn eine ganz bestimmte Zeile von Moses Pelham dazugehört. 

Wir schreiben das Jahr 2004. Aggro Berlin ist gerade angetreten, um deutschen Rap hart zu machen – allen voran Sido mimt den „Strassenjungen“ nahezu in Perfektion. Einer, der sich auf die Fahne schreiben darf, weit vor dieser Zeit schon harten Rap gemacht zu haben, ist Moses Pelham. Ich sage nur: „Wenn es nicht hart ist, dann ist es nicht das Projekt“. Die Älteren unter euch erinnern sich womöglich.

Auch wenn der Titel des von Moses Pelham releasten Albums „Geteiltes Leid 2“ lautet, lässt sich mit keiner Silbe behaupten, dass der Frankfurter Veteran im Jahr 2004 seine weiche Seite entdeckt hat. Eher setzt er sich mit dem tagtäglichen Hustle auseinander, der ihn umgibt. So findet sich auf der Platte der Track „Strugglin‘“  – ein Feature mit Kool Savas und Illmat!c. Moses Pelham reicht es aber nicht aus, diesen Song einfach bloß auszukoppeln. Er liefert gleich eine ganze EP unter der Prämisse: „77 Minutes of Strugglin‘“. Darauf erwarten den Hörer diverse Remixe von „Strugglin‘“ sowie die Fortsetzung „Still Strugglin‘“ und der Track „Adrenalin“. Auf den beiden neuen Songs unterstützen KKS und Spezi Illmat!c Moses ebenfalls. Und diese Dreier-Combo präsentiert sich verdammt punchlinelastig, wie die folgende Zeile  aus „Adrenalin“ belegt:

Ich bin Rap, Rhythm and Blues und hab fünfzehn Minuten / Ich tret‘ dir Depp mitten auf’n Fuß und du hast fünf Zehen am bluten

Beim Anhören dieser Zeile bzw. beim Durchlesen der Worte denke ich mir jedes Mal wieder: Wenn es die perfekte Punchline gibt, wäre diese hier ein geeigneter Kandidat dafür. Jedes einzelne Wort ist sorgfältig ausgewählt worden, hier reimt sich fast alles. Und das Schöne ist: Es ergibt auch noch Sinn. Wo heutzutage immer mal wieder ein Reim um des Reimens Willen – aber oft ohne wirkliche Aussage – hingebogen wird, markiert Moses Pelham einfach sein damaliges Standing in der Szene.

Diese Anerkennung bekommt er rund 13 Jahre später nicht mehr nur im Rap, sondern auch in der Gesellschaft. So wurde Moses Pelham im letzten Jahr als erster Rapper mit der Goetheplakette seiner Heimatstadt Frankfurt geehrt. Die Auszeichnung kann dabei an „Dichter, Schriftsteller, Künstler oder Wissenschaftler des kulturellen Lebens verliehen werden, die durch ihr schöpferisches Wirken einer dem Andenken Goethes gewidmeten Ehrung würdig sind“. Die Trophäe hätte er auch schon im Jahr 2004 verdient gehabt. Aber dafür musste er wohl noch ein paar Jahre strugglen.