Kommentar: Zensur für Rap?

Kommt die Zensur für Rap? Gestern fand die ohnehin schon wenig produktive Debatte über den Echo-Eklat rund um Kollegah und Farid Bang einen neuen, traurigen Tiefpunkt. Der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kündigt an, er wolle prüfen lassen, ob man das Netzwerkdurchsuchungsgesetz, kurz Hate-Speech-Gesetz, nicht auch auf Rap-Texte anwenden könne.

Muss man nun also bald damit rechnen, dass Rap-Texte zensiert werden?

Nein, muss man nicht. Und das hat gleich mehrere Gründe. Zum ersten wäre es auch mit heutigen Gesetzen schon möglich, Textinhalte, die nicht von der Kunstfreiheit gedeckt sind, weil sie Hetze gegen Minderheiten, Aufruf zum Mord oder ähnliches beinhalten, zu verbieten oder ihre Verbreitung stark einzuschränken.

Es ist also reiner Populismus,wenn Dobrindt jetzt den Eindruck erweckt, dafür müssten neue Gesetze her.

Populismus rules everything around me

Und da sind wir beim zweiten springenden Punkt: Die CSU befindet sich mitten im Wahlkampf. Im Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Momentan sagen die Umfragen der Partei, die den Freistaat seit gefühlt tausend Jahren regiert, keine absolute Mehrheit voraus.

Das erklärt, warum CSU-Politiker in jüngster Zeit mit schroffen bis grob dämlichen Aussagen auffallen. In diese Reihe passt auch Dobrindts Aussage: Sie richtet sich vor allem an rechtskonservative Wählerinnen und Wähler und will vor allem eins: Ausgrenzen, abgrenzen, wir gegen die, Deutschland gegen Deutschrap, klare Fronten, nur nicht nachdenken.

Hetze allein genügt nicht

Dem zugrunde liegt das Gefühl, auf das die CSU unter Anleitung der AfD schon länger baut: Hol‘ dir deine Heimat zurück. Es kann nicht angehen, dass so junge Typen, die so gar nicht richtig deutsch aussehen, womöglich auch noch Muslime sind, hier einfach herumhetzen. Das erledigen wir doch lieber selbst.

Um es an dieser Stelle nochmal klar zu sagen: Dass die CSU so ein Haufen von Heuchlern und widerlich verlogenen Moralaposteln ist, macht bestimmte Textzeilen absolut nicht besser. Eine Diskussion über die Grenzen, die Tabus, innerhalb derer Raptexte sich bewegen dürfen, ist überfällig. Allerdings bitte nicht mit Leuten, die davon erstens keine Ahnung haben und zweitens selbst nicht davor zurückschrecken, menschenfeindliche Hetze zu Wahlkampfzwecken einzusetzen.

We ourselves

Deutschrap kann niemand von außen heilen oder retten – schon gar nicht die CSU. Das muss und das wird von ganz alleine passieren. Denn sehen wir es mal realistisch: „JBG 3“ ist das letzte Aufbäumen einer Ära, die zu ende geht. Künstler wie Bausa, RAF, Rin, Eunique, Haiyti und so weiter brauchen diese Art der Provokation, diese Pose des ewigen Tabubruchs nicht. Selbst ein Bushido hat offensichtlich keinen Bock mehr darauf, ständig wie ein pubertärer 13-jähriger herumzufluchen.

Was dennoch weitergehen muss: Klare Kante gegen Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Islamhass – alles Ansichten, die im Deutschrap-Kosmos unter Künstlern wie Fans herumschwirren, meistens verkappt und nicht offen, oft von denen, die sie haben, nicht bemerkt. Aber aus jeder Kommentarspalte deutlich und klar herauslesbar. Das muss man angehen – ohne CSU, „Bild“, RTL, Campino, Westernhagen und wie sie alle heißen mögen.

Eine Zensur findet nicht statt

Um den Vorschlag oder die Gedankenspiele von Dobrindt jedenfalls muss man sich keine Sorgen machen. Sobald das Echo-Thema und seine Nachwehen vom nächsten Skandal abgelöst wird, wird da sehr schnell Ruhe einkehren. Die CSU wird sich wieder auf ihre bewährten Feindbilder stürzen – Deutschrap spielt da nur am Rande ab und zu mal eine Rolle, wohl aufgrund des hohen Anteils von Menschen, die von CSU-Wählern nicht als deutsch empfunden werden. Eine Zensur von Raptexten aber wird es in absehbarer Zeit nicht geben.

PS. Politik und Rap geht auch anders: