Interview: Skinny
Transkription: Anna Schulze & JPK
Am 18. September hat Umse sein mittlerweile sechstes Album veröffentlicht. Das neue Werk trägt den Titel „Hawaiianischer Schnee“ und ist vor kurzem erschienen. Im Interview haben wir uns mit dem Ratinger ausführlich über die Entstehung seines neuen Albums, seine Rap-Einflüsse und die Kunst des Samplings unterhalten.
„Hawaiianischer Schnee“ ist ein ziemlich gelungener Balanceakt: Es hat einen oldschooligen Vibe, klingt aber nicht altbacken. Hast du genau darauf abgezielt oder ist das intuitiv passiert?
Es besteht schon die Gefahr, dass wir in die oldschoolige-Richtung abgedrängt werden. Allein aus dem Grund, dass wir Boom-Bap-Ansätze haben. Aber wir verfolgen natürlich auch was passiert und welche Wertung gegenüber oldschooligen MCs da ist. Uns schwebt nicht vor, da in irgendeiner Weise mit zu spielen, sondern das was uns in der damaligen Zeit inspiriert hat in die heutige Zeit zu übersetzen und unangenehme Sachen wie „Früher war alles besser“ außen vor zu lassen, weil das definitiv nicht unsere Denkweise ist. Aber wir versuchen einfach frische Beats raus zu holen, auch wenn wir Sample basiert arbeiten. Allein wenn man das schon tut, hat das direkt diesen Oldschool-Charakter. Ganz nach dem Motto: Da sitzt einer, nimmt sich ein Sample, zerhackt das und macht einen Beat daraus und das ist dann direkt Oldschool. Obwohl wir natürlich heute die Musik machen und der Antrieb mittlerweile ein ganz anderer ist, weil einfach die Zeit in der wir angefangen haben schon so weit zurück liegt. Aber da haben wir unsere Inspiration hergezogen. Es war das, was uns auch motiviert hat selber anzufangen.
Aber da habt ihr dennoch etwas eigenes draus gemacht. Mir fällt jetzt keine Schublade ein, in die man es einfach stecken könnte. Auch dieser weit gefasste „Neo-BoomBap“-Begriff, mit dem jeder um sich wirft, wenn er nicht weiß wie er etwas einordnen soll, passt ja nicht wirklich.
Man kann vielleicht lyrisch darauf zurück greifen, dass es aus dem Pott kommt. Man hört es ein bisschen an der Sprache, man hört es an der Herangehensweise an die Songs und an den Aufbauten, wie den Songtiteln und Techniken. Das ist schon das, was mich am meisten speziell geprägt hat und ich meine auch, dass man das in irgendeiner Form hört. Neo-Boom-Bap an sich ist ja undefiniert. Diesen Namen bekommen dann wahrscheinlich die Produktionen die genauso sind: boombapig, Sample basiert, aber dann halt nicht so klingen als wären sie wirklich aus den 90ern. Die irgendeine Note dadrin haben, die das 2015er Gefühl vermitteln.
Was dich außerdem ziemlich von der Neo-Boom-Bap Garde unterscheidet: Alle wirken ziemlich verbittert. Die Sichtexoten zum Beispiel, wie Retrogott, rappen alle sehr hasserfüllt. Ich feiere das zwar sehr, finde es aber sehr erfrischend, dass das bei dir überhaupt nicht der Fall ist.
Das stimmt! Das würde sich mit meiner Person auch so gar nicht vereinbaren lassen. Ich bin gar nicht so der ironische Typ, auch nicht in meinem Humor. Der Punkt ist auch einfach, dass relativ früh eine gute Resonanz erfolgt ist, auf das was wir gemacht haben. Wir sind immer schon zufrieden gewesen mit dieser Resonanz, die dann auch gekommen ist. Und dann gab es auch keinen Grund unseren Ton in irgendeiner Form zu ändern. Wir haben uns darauf verlassen, dass es sich, wenn man das, was man gut findet durchzieht, auch irgendwann rentiert. Es gab nie den Punkt, an dem wir gesagt haben „Komm, jetzt ändern wir was. Ellenbogen raus und jetzt kämpfen wir hier mit!“. Sondern wir haben früh gemerkt, dass das was wir machen auch zieht. Eine minimale Bestätigung reicht dann auch aus, um den nächsten Schritt zu machen. Wir haben diverse Schritte schon gemacht – von Bestätigung zu Bestätigung. Deswegen ist es immer noch die gleiche Einstellung wie zu Anfang.
Das heißt eine größere Bekanntheits- oder Aufmerksamkeits-Liga hast du nie angestrebt?
Irgendwo schon, aber nicht auf Teufel komm raus. Ich glaube man muss immer was großes an visieren, damit man überhaupt Schritte nach vorne macht. Ich habe es auch für unmöglich gehalten ganz oben in irgendeiner Form mitzuwirken. Den Königstitel, wie ihn viele andere anstreben haben wir zum Beispiel nie gehabt, dafür aber die Königsklasse, in der man respektiert und auch gemocht wird.
Die Musik an die Zielsetzung anzupassen kam auch nie in Frage?
Nein, weil wir dann doch schon überzeugt davon sind, wie wir es machen. Wir gucken halt selber und kritisieren uns auch selber sehr stark. Wir haben Spaß mit dem, was wir tun und es sollte auch nie passieren, dass man seine Musik anpasst um erfolgreicher zu werden – eher umgekehrt. Die Welt muss sich unserer Musik anpassen und mitwachsen. Alles andere wäre dann auch verkraftbar, Hauptsache man macht sein Ding. Je weiter man kommt, desto schöner lässt es sich aushalten.
Du arbeitest nach eigener Aussage darauf hin, dass deine Platte lange rotiert. Hast du dafür eine bestimmte Herangehensweise?
Ich versuche schon Musik zu machen, die mir auf Anhieb richtig gut gefällt. So, dass ich sie immer und immer wieder hören will. Wenn ich dann nach einer gewissen Zeit, nach zwei, drei, vier Wochen immer noch merke, dass mich die Musik immer noch auf eine gewisse Art und Weise wie am Anfang flashed, dann weiß ich, dass sich mein Geschmack jetzt wieder auf die Leute überträgt. Dann formuliere ich solche Sätze, weil ich einfach selber davon überzeugt bin und glaube, dass man das auch über längere Zeit hören kann. Das ist jetzt keine Musik, die nur genau dieser Zeit geschuldet ist. Es ist halt einfach irgendwo zeitlos. Es hätte vor 15 Jahren funktioniert und es würde auch, meiner Meinung nach, in 15 Jahren auch noch funktionieren.
Das Album klingt sehr warm und sommerlich, wieso wurde das Album-Release in den Herbst platziert?
Weil es früher nicht gegangen wäre, dann wäre nicht genug Vorlaufzeit gewesen. Wir wollten es aber trotzdem zeitnah, noch in diesem Jahr veröffentlichen. Jetzt auf nächstes Jahr zu warten, nur um im Sommer releasen zu können, dafür wäre ich einfach zu ungeduldig. Ich will die Sachen die ich habe dann auch schnellstmöglichst raus bringen, bevor bei mir selber irgendwelche Nörgeleien anfangen. Darum haben wir es in diesem Jahr raus gebracht. Es hätte mit Sicherheit im Sommer einen besseren Platz gehabt, weil es vom Sound her gut rein passt, aber so kann man auch mit einem positiven Album in den Winter starten.
Ist das nicht ein Widerspruch, wenn du einerseits Musik machen willst, die lange rotiert, aber andererseits sagst, die Sachen sollen schnell veröffentlicht werden, weil du Angst hast, dass dir daran dann irgendwas nicht mehr gefällt?
Da hast du recht. Also es kann sein, aber es war nicht der Hauptgrund, warum ich es jetzt direkt veröffentlicht haben wollte. Aber wenn zuviel Zeit da ist, in der nicht mehr effektiv gearbeitet wird, hast du entweder die Möglichkeit an neuen Sachen zu arbeiten, oder du nimmst deine alten Sachen und überlegst, was man hätte anders machen könne. Man will ja weitermachen und dann arbeitet man automatisch daran weiter. Das ist in manchen Fällen für das Projekt auch einfach nicht förderlich, wenn man irgendwas zerstückelt, nur weil man es nach ein paar Monaten wieder anders betrachtet. Das Projekt ist für mich in dem Moment abgehakt, wenn ich den letzten Song geschrieben habe und merke: das sitzt alles. Dann bin ich froh, wenn es schnell rauskommt, um dann auch direkt mit neuen Sachen weitermachen zu können und das aus dem Kopf zu haben.
Also bist du quasi das ganze Jahr über am Rappen?
Am Rappen nicht unbedingt, das tatsächlich nur wenn ich Konzerte spiele. Ich bin jetzt nicht zuhause und habe lasse einen Beat laufen, auf den ich die ganze Zeit rappe. Dieser ganze Prozess passiert bei mir im Kopf.
Du hast auf dem Album auf jeden Fall ein sehr sympathisches Auftreten. Inwieweit ist das deckungsgleich mit dir als Person und baust in deiner Musik gezielt darauf, dass du sympatisch wirkst?
Da baue ich auf jeden Fall drauf. Ich vermeide Sachen im musikalischen, die mir auch im privaten unangenehm wären. Das sind Punkte wie Arroganz, Überheblichkeit und Unreflektiertheit. Dass die Musik positiv rüberkommt ist aber nicht zwingend so gewollt. Ich versuche nicht, eine positive Platte zu machen, sondern versuche einfach einen Text zu schreiben, an dem ich möglichst wenig auszusetzen habe. Ich versuche die Sätze die ich sage zu durchdenken und da sollte dann all das, was man hinterher als negativ bezeichnen könnte, eigentlich schon ausgemerzt sein, weil ich eigentlich immer sehr kritisch bin.
Selbstkritik ist wichtig, aber wie gehst du mit Kritik von außen um?
Ich nehme mir Kritik schon zu Herzen. Ich überdenke auf jeden Fall, was gesagt wird und versuche da etwas raus zu ziehen. Wenn ich die Dinge ähnliche sehe, die da gesagt werden, dann wird das auch geändert. Wenn es Dinge sind, die ich nicht so sehe, wie zum Beispiel eine Abwertung, weil man nicht an die Zeit angepasst ist und man die neuen Strömungen einfach außen vor lässt, dann ist das eine Sache die ich nicht an mich ran lasse, da es eine sehr oberflächliche Kritik ist. Das bezieht sich dann auf generelle Sichtweisen. Man kann das so kritisieren, oder auch ganz anders angehen und diese ganze BoomBap Geschichte gar nicht so schlecht darstellen. Das ist nämlich auch eine eigene Sparte, die so sein soll, wie sie ist. Wenn heutzutage jemand ein Soul-Album macht, was in den 60ern, 70ern sehr präsent war, will ich ja auch, dass auch in dieser Zeit im Studio mit Musikern gearbeitet wird und nicht das da jemand mit einem Mini-Keyboard die Instrumente abspielt. Ich will dann ein Soul-Album haben das auf Soul im alten Sinne basiert und genauso ist es bei BoomBap und beim Sampling. Es soll so sein, wie es entstanden ist. Es gibt diese Art auf die die Musik entstanden ist und warum soll man die heute dann über Board werfen. Aber sobald man das dann macht, heißt es wieder Oldschool. Diese Kritik ist also einfach nicht durchdacht.
Es ist bestimmt auch gewissermaßen eine Übersättigung.
Genau, Übersättigung. Aber ich weiß nicht wieso das heutzutage so verpönt ist. Wieso soll man nicht diesen warmen Sound durch Samples kreieren? Was ja auch eine Kunst ist. Nicht jeder kann einen guten Sample-Beat bauen und das haben wir dann wieder in den Fokus gerückt. Es ist viel mehr, als mal eben in 10 Minuten ein Sample zu flippen und da Drums drunter zu setzen. Es ist schon mehr und es muss bei den Leuten mal wieder Klick machen. Deswegen gibt es auch Oldschool und Neo-Oldschool, sage ich jetzt mal so. Bei Oldschool machen sie es sich dann einfach, da wird das geloopt und einfach in lowquali rausgehauen. Wir zerschnippeln die Samples so penibel, dass hinterher was ganz neues ensteht. Das nimmt bei uns schon sehr viel Zeit in Anspruch, so das es auch einfach eine Kunst ist und nicht einfach „Hey wir basteln mal kurz einen Loop und rappen dadrüber!“.
Wie hast du mit Deckah zusammengearbeitet? Was du sagst klingt, als wärst du komplett in den Produktionsprozess involviert gewesen.
Also er hat damals ja auch gerappt und ich habe damals auch viel mehr Beats gebaut. Eigentlich haben wir beide immer beides gemacht. Irgendwann war er mit seinen Texten nicht mehr zufrieden und ich mit meine Beats nicht mehr. Dann haben wir uns dazu entschlossen, dass Deckah die Beats macht und ich die Texte. Aber dadurch, dass ich schon immer Beats gebaut habe, hat mich diese Lust am Sampling nie verlassen. Deswegen sitze ich auch sehr oft zuhause und höre und sammel Sachen. Für dieses Album sind wir auch zwei Mal nach Holland gefahren und haben uns da in einen Bungalow eingesperrt. Angefangen hat es dann so, dass jeder seinen Ordner mit Sampels geöffnet hat und wir uns die gegenseitig vorgespielt haben. Dann haben wir besprochen, was man damit machen kann, was gut harmoniert und dann ging das Step by Step voran.
Von eurer Holland-Geschichte kommt auch der Albumtitel, oder?
Ja, ganz genau! Da haben wir dieses Hawaiian Snow in Mengen gedampft. Das lag mir immer vor der Nase und ich habe da ein bisschen drüber nachgedacht, weil ich den Namen Hawaiian Snow schon toll fand und übersetzt kam dann die Idee das in einen Text zu bauen, dann war der Text aber schon fertig. Hinterher überlegt man dann, wenn man seine zehn Skizzen fertig hat, wie man das Ganze mit einem Überbegriff darstellen kann und dann war „Hawaiianischer Schnee“ direkt der Namensgeber, weil es auch die erste Skizze war, die ich geschrieben habe. Dahinter steckt auch dieser Qualitätsgedanke, du kriegst bei dem Weed wenig für dein Geld, aber das hat dann auch einen Effekt. Das war dann die Idee das auf die Musik zu übertragen. Nicht zu viele Songs, sondern ein paar, die es in sich haben.
Das Album ist inhaltlich sehr schlüssig und stringent. Wieso sollte es dann kein Titel sein, der das Ganze griffiger zusammenfasst?
Ich habe einfach den Titel als sinnvoll empfunden. Weil es die Zeit für uns auch sehr gut darstellt. Wenn wir das Wort hören, ist bei uns direkt dieser Holland-Aufenthalt präsent. Ich fand den Titel sehr reizvoll, dass man ihn hört und kurz drüber nachdenkt: „Koks? Ach ne, kein Koks. Ist ja Gras. Was steckt da noch hinter?“ Es ist auf jeden Fall kein Titel den man liest und direkt Bescheid weiß. Von daher fand ich ihn treffend. Vielleicht gibt es einen Titel, der das Album auf die Inhalte bezogen anders hätte beschreiben können. Ich finde ein Titel muss aber auch nicht immer verraten, was auf der Platte passiert.
Auf der Platte passiert wie erwähnt sehr viel positives. Für mich ist besonders „Menschen“ heraus gestochen . Es gibt viele Songs, die sich mit dem Thema befassen, wie Menschen sind, aber die sind immer sehr negativ. Bei dir ist das wertungsfrei und eher beobachtend. Aber außer in der Hook und im letzten Part hast du dich ja nie wertend geäußert.
Im dritten Part habe ich mich komplett auf meine Sicht beschränkt, wo ich sage wie ich versuche zu sein und wie ich mich darstellen möchte. Ich habe im ersten Part erstmal das Positive vom Menschen hervorgehoben, im zweiten Part das Negative, wie Menschen halt ticken und im dritten habe ich darauf zurück geführt, wer ich eigentlich bin. Im dritten Part sind dann auch schon gewisse wertende Sätze, auch wenn sie nie genau einen einzelnen Menschen in Frage stellen oder kritisieren. Versuch‘ negative Dinge am Menschen festzustellen und die nicht in dir hochkommen zu lassen. Ich glaube allein durch Nachdenken und Fragen ob das richtig oder falsch ist, kommt man schon sehr weit. Dann baut man auch ein Empathieempfinden auf, wenn man sich in Leute hineinversetzt. Oder wenn man anfängt, nachzudenken und sich die Leute anzugucken und nicht gleich sagt „Hey der hat Scheiße gebaut, der ist scheiße“, sondern sich zu fragen: Warum hat der das gemacht? Darum auch der Spruch in der Hook „Sie haben ihre Gründe„. Jeder verhält sich so oder so, weil er einen Grund dafür hat und nicht, weil er jetzt gerade Bock hat Scheiße zu bauen. Das ist in der Hinsicht auch besser, wenn man das fragend in der Hook darstellt, sodass die Leute sich auch wirklich selbst fragen.
Ich finde die Stilmittel, die du genutzt hast, sind auf jeden Fall onpoint. Das habe ich so vorher noch nicht gehört. Wie kamst du dazu, mit diesen fast schon kindlich naiven Fragen in der Hook zu arbeiten?
Ich hatte einfach einen einleitenden Satz „Es gibt so viele Menschen„. Der schwebte mir vor, damit wollte ich anfangen. Dann habe ich Lines über Menschen gesammelt und habe gemerkt, dass da welche positiv und welche negativ sind. So kam es zu der Aufteilung: erster Part positiv und zweiter Part negativ. Dann hatte ich auch erst nur diese beiden Parts, wollte das aber nicht so stehen lassen und auch schildern wo ich bei der ganzen Sache stehe. So kam es dann zum dritten Part, bei dem ich meine eigene Meinung reingebracht habe, um das Ganze abzurunden. Oft ist das dann so, dass aus einer einzelnen Line eine Gesamtidee entsteht. Ich hatte beim Schreiben auch immer im Hinterkopf, dass ich einen Song machen wollte, bei dem sich etwas oft wiederholt. Das habe ich dann darin gesehen und habe auch gemerkt, dass man mit dem Wort Mensch super viel reimen kann. Dann hat sich das Schritt für Schritt so ergeben.
Das Album passt sehr gut zusammen, weil es ein Mittelweg aus Intuition und Besonnenheit ist. Nimmst du diesen Vorgang selber an dir wahr?
Ich weiß ja selber, wie ich eine Platte beurteile. Ich weiß, was ich darin haben will, damit es für mich nicht langweilig wird. Ich will immer meistens ein Soundbild haben, was mir passt. So viele Beats wie möglich, die mir dann auch gefallen, wenn ich jetzt von anderen Alben rede. Bei meinen eigenen sollte natürlich alles stimmen. Dann versuche ich zu gucken, dass ich rhetorisch die Sachen nicht immer gleich mache, dass ich die Hooks nicht immer gleich mache. Ich fange oft an einfach eine Hook zu machen, träller die vor mich her und suche dann später die Sätze dazu. Wenn ich einen Track habe, gucke ich, dass ich den nächsten Track nicht genauso mache. Da habe ich zum Beispiel eine gerappte Hook, dann mache ich beim nächsten Track eine gesungene Hook und so weiter, dass einfach immer etwas anderes passiert. Das ist bei uns auch ganz wichtig. Wenn ich immer gleich da ran gehen würde, allein dass die Beats schon so ähnlich sind, muss ich dafür sorgen, dass sich irgendwann auch was verändert. Dann achte ich halt darauf, dass die Songs inhaltlich nicht zu gleich sind, auch wenn man immer mal wieder ähnliche Inhalte hat. Nicht nur die Aufbauten der Songs, sondern auch die Geschwindigkeit und Atmosphäre der Beats sorgen dann für die Abwechslung.
Ich glaube gerade bei dir ist das auch wichtig, weil du ja, wie gesagt, ziemlich deckungsgleich mit der Person hinter dem Künstler Umse bist. Und dadurch bist du für einen Rapper – ich nenne es mal profillos. Andere Rapper haben da ein großes Profil, aus dem sie schöpfen können – man nehme nur mal einen Farid Bang oder Karate Andi. Aber du hast halt diesen Fundus nicht, das heißt du musst sehr drauf achten das du nicht langweilig wirst.
Ja genau, und das ist halt auch nicht immer leicht. Das beurteilt ja auch jeder anders, wann etwas langweilig ist. Es gibt jetzt auch andere die würden vielleicht sogar sagen: das ist ein bisschen langweilig. Du siehst das jetzt glücklicherweise so. Ich hab kein Image, auf das ich mich beziehen und wo ich immer rausschöpfen kann. Deshalb guckt man halt, dass man schon trotzdem Inhalte transportiert, die so in irgendeiner Form jeden beschäftigen, auch wenn man mal dann zwischendurch einfach nur Tracks hat, wo man egomäßig von sich, seiner Persona und seinem jetzigen Standpunkt redet. Das ergibt sich dann halt einfach so. Ich fange dann an, merke irgendwann in welche Richtung das wandert und überlege „Findest du das jetzt selber geil?“. Ich versuche mich schon immer auch selbst zu kritisieren und halt damit auch nicht zurück. Ich habe halt gelernt, dass du irgendwann mit dir happy sein musst, auch wenn das immer schwierig ist. Man hat immer nochmal was, was man an sich vielleicht nicht perfekt findet. Inhalte ergeben sich dann einfach so. Das, was einen gerade generell beschäftigt, es gibt ja immer Sachen die einem durch den Kopf strömen und die versucht man dann in einen angenehmen Kontext zu pressen, dass sich Leute das auch anhören können.
Ich glaub es geht aber auch nicht nur um die Inhalte, sondern was du auch beschrieben hast, dass du switchst, dass du mit der Rhetorik spielst. Und ich glaub vieles geht auch über deinen Technikeinsatz hinaus, da bist du ja auf jeden Fall sehr versiert – was ja wahrscheinlich auch aus deiner Ruhrpottsozialisierung kommt. Ich höre auf jeden Fall viel Aphroe aus der Technik raus zum Beispiel.
Genau! Aphroe, Dendemann ist mit Sicherheit auch da drin. Max Herre hab ich auch immer sehr gut gefunden und die haben ja auch Parallelen. Wenn man die drei jetzt schon allein miteinander vergleicht, sind die auch nicht immer die Erfinder von einem komplett eigenen Stil, die haben sich ja auch gegenseitig gehört und gemerkt – alles klar, der macht das richtig gut und haben das selber bei sich einfließen lassen. Als Beispiel: Auf dem Freundeskreis-Album „Quadratur des Kreises“ hat Max Herre auch noch nicht die Technik gehabt, die er dann hinterher bei „Esperanto“ hatte und da hat man schon gemerkt, dass er auch zwischendurch Sachen gecheckt hat. Ich bin auch einfach ein Ergebnis aus einem Pool von Inspirationen, die ich mir so reingezogen habe. Das ist auch komplett gut so. Ich glaub das ist auch bei jedem eigentlich in irgendeiner Form so.
Wie wichtig ist dir denn Reimtechnik? Es ist ja mittlerweile ein großes Thema geworden – vor ein paar Jahren hat es kein Schwein wirklich interessiert.
Da war es vielleicht auch eher uncool. Man muss auch immer gucken, auf welche Raprichtung man das jetzt bezieht. Im Straßenrap ist eine krasse Technik immer noch nicht so sehr gefragt wie jetzt in dem Conscious-Bereich, in dem ich mich bewege. Bei Straßenrap ist es eher Atmosphäre, Typ, Stimme und nicht sechssilbige Reime. Das passt halt nicht zum Straßenrap an sich. Aber im Bereich, den ich ausfülle, da ist das einfach ein wichtiger Punkt. Wenn ich es mir zu leicht machen würde, wäre es vielleicht dann auch einfach wieder zu Standard. Bei uns spielt das eine Rolle, das ist auch der Grund warum die Leute es mögen, denk ich mal, primär ist das einfach der Grund. Deswegen wird das auch weiterhin einen Fokus bei mir haben.
Klar, gerade dadurch, dass du ja kein Image oder sowas hast, musst du ja durch Handwerk mehr überzeugen, als beispielsweise einige Straßenrapper, die schon für ihre Attitüde gefeiert werden.
Klar, und das ist es dann wahrscheinlich auch, was sich irgendwann durchgesetzt hat. Dass die Leute gemerkt haben, okay, der macht das nicht nur in ein, zwei Tracks sondern in jedem. Das ist auch das, was mich selber bei anderen Rappern reiz. Ich war immer einen großer Sean Price Fan und bin ich auch immer noch. Der hat halt auch genau diese Herangehensweise, es so verstrickt wie möglich angehen, um sich damit einfach eine Position zu erkämpfen. Dann brauchst du nicht die Hits, die sich voll durchsetzen und krass verkaufen, sondern bist einfach ein respektierter Rapper. Jeder andere Rapper merkt: Alles klar der hat sich da länger hingesetzt und auf jeden Fall Mühe gegeben. Das macht mich selber auch selbstbewusst, wenn ich weiß ich hab da gut dran gearbeitet und es ist verstrickt und hat sogar noch eine Aussage. Dann weiß ich selber, dass ich damit selbstbewusst sein kann, obwohl ich vielleicht damit nicht so viel verkaufe, wie einer der es sich leichter macht. Ich weiß ja dann trotzdem wo das herkommt.
Gerade das ist ja auch wieder ein Balanceakt, dass das nicht zu vordergründig oder zu overdosed war. Kollegah hab ich da als Beispiel, bei dem dreht sich alles nur um die Technik und ab und zu einen netten Wie-Vergleich. Mir gefällt das nicht, weil es komplett durchkonstruiert ist.
Ja, da bleibt dann doch die Message irgendwie auf der Strecke und die Person dahinter ist halt nicht wirklich greifbar. Weil du nicht weißt, wie der eigentlich tickt, wie der wirklich über solche Sachen denkt. Der haut halt komplett seine Bosssache raus und macht das auch in einer überkrassen Technik. Und das ist bei ihm sogar noch ein bisschen vergleichbar wie bei mir. Also bei mir ist nur irgendwie nochmal die Mischung aus Technik und trotzdem einer positiven Aussage. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal und bei ihm ist es dieses komplette Gebretter, mit einer Technik die sonst auch kein Straßenrapper hat. Deswegen ist Kollegah ja trotzdem sehr gut und er hat jetzt die Möglichkeit genau diesen Punkt auch in Zukunft auszufüllen. Wobei ich auch glaube, dass das so passieren wird.
Weil Technik auch immer ein Kompromiss ist und da ist das dann auch schwierig, weil es natürlich auch Geschmackssache ist. Ich feier zum Beispiel Morlockk Dilemma übertrieben für seine Technik.
Ja klar, ich auch. Aber es ist dann halt auch oft beschränkt auf Battlelines.
Genau, das meine ich.
Da brauchst du halt nicht noch eine Aussage zu transportieren, außer etwas fertig zu machen, etwas schlecht zu machen. Und wenn man jetzt noch diese Technik paart mit krassen Aussagen, was ich mir bei denen auch nicht ganz vorstellen könnte in welche Richtung das dann geht. Morlockk Dilemma ja auch noch mehr macht als Kollegah. Aber das ist dann das Next-Level, dann ist es unangefochten, dass sie krass im Battle sind. Aber die brauchen sich ja theoretisch nicht noch zehn Jahren mit Battletracks beweisen. Also die sind da jetzt gestandene Rapper, aber die sind in einem anderen Bereich noch nicht gestanden. Ich glaube da haben die auch erstmal noch dran zu knabbern. Das ist ja spannend, dass man mitverfolgen kann was sich dann bei denen noch entwickelt. Wenn es überhaupt deren eigener Anspruch ist.
Wobei nebenbei bemerkt „Circus Maximus“ und die Kollaboalben von Morlockk und Hiob sehr gehaltvoll sind.
Inhaltsreich, ganz klar. Deshalb habe ich das ja gerade auch nochmal eingeschränkt.
Durch Technikeinsatz kann, weil das nunmal ein Kompromiss ist, nicht nur die Aussage auf der Strecke bleiben, sondern auch die Wortwahl, die Rhetorik, die Flows teilweise. Kollegah schränkt ja z. B. seine Flows sehr durch seine Technik ein. Achtest du da wirklich drauf, dass du dir da nicht selber Steine in den Weg legst?
Wie meinst du Steine in den Weg, dass ich nicht die Inhalte dann vernachlässige damit?
Überhaupt durch den Technikeinsatz musst du ja was vernachlässigen, wie gesagt, du kannst es ja rein rhetorisch nicht so ausformulieren, wie du es ohne irgendwelche Reimkombos und pattern machen würdest.
Da hast du Recht. Da muss ich vielleicht irgendein textliches Konzept ergeben wo man trotz großer Silbenanzahl in den Reimen die Aussage transportieren kann. Bei gewissen Themen oder Inhalten fällt einem das leicht. Und manchmal denkt man auch: alles klar, um das, was ich denke, wirklich zu sagen ist es auf jeden Fall nicht von Vorteil, diese ewig langen Reimketten zu bilden. Dann sollte man das meiner Meinung nach hinkriegen, auf einem Album auch mal bei einem Song, wo man weiß, okay, jetzt sag ich auch gerade Sachen die mir wichtig sind, in der Hinsicht Abstriche zu machen und dann eher mit dem Flow zu arbeiten. Und dann trotzdem wieder andere Tracks zu haben, die ein bisschen weniger Inhalt vermitteln. Das ist ein schmaler Grat und ich will, dass schon in jedem Song in irgendeiner Art und Weise drin haben. Aber ich find nicht, dass man das in jedem Song drin haben muss. Auch wenn ich da selber immer noch krass gucken muss, was mir jetzt gerade wichtiger ist . Ich hab schon versucht bei jedem Track die Waage zu halten, dass beides gegeben ist.