Hi Fans und Leute, Kuckuck, alle miteinander,
das hier ist Kyle Rixton, zurück an der Szene wie Hitlers Asche, bereit diese ganze traurige Chips-und-Cola-Welt für ein paar Minuten mit der eiskalten Glut meines stickstoffgekühlten 620-PS-Herzens zu bestrahlen.
Das Gute am Leben in der Apokalypse ist, dass immer was los ist. Die ständige Angst und die schreckliche Verzweiflung nerven ein bisschen, aber zum Glück gibt es ja Beruhigungsmittel.
Freitagmorgen, ich gehe die Friedrichstraße runter, Designeranzug, vintage Hornbrille, ich bin noch ein bisschen benebelt von den ganzen Bongs, die ich letzte Nacht geraucht habe. Am Straßenrand liegen die letzte Nacht Totgetretenen. Berlin ist SO cool. Bayerische Abiturienten high-fiven sich und trinken Jägermeister-RedBull. In meinem Büro am Gendarmenmarkt angekommen rufe ich ein paar Leute an, bestelle ihnen schöne Grüße von meinem Chef und sage ihnen, dass sie gefeuert sind, weil uns ihre Performance irgendwie nicht so richtig impressed hat. Fucking Faggots. Ich wäre lieber gut gekleidet als glücklich. Ich wäre lieber schwer krank als ein fettes Schwein. Deshalb trinke ich Diätlimonade.
"Ey, Kyle Rixton, Du bist doch einer von diesen Typen, die auf jeden lahmen Hype abgehen, obwohl sie dafür eigentlich schon viel zu alt sind, oder?“
"Nein, Mann, nein, das hab ich total hinter mir. Jetzt gibt es für mich nur noch die Wissenschaft.“
"Ach, okay, ja. Ich dachte, Du willst vielleicht zu Odd Future gehen, aber egal, dann gebe ich den Platz halt jemand anders.“
"Ja, mach das mal besser.“
Als ich vor dem Cassiopeia ankomme, steigen dort gerade ein paar afroamerikanische Jugendliche aus einem Van und fuchteln mit Skateboards rum. Ich erkenne Tyler, da ich mir das Video zu „Yonkers“ schon ungefähr 200-300 Mal angeschaut habe. Live sieht er noch beschissener aus. Dass er ziemlich groß ist, fällt nicht auf, aufgrund seiner Körperhaltung. Diese erinnert an die meiner Oma. Ob er wohl auch so ähnlich riecht? Wahrscheinlich nicht, wahrscheinlich riecht er nach Schweiß. Vom Skaten. Und nach Gras, obwohl er ja selbst gar nicht kifft, aber seine Boys rauchen die ganze zeit so aggressiv, dass der Geruch auch an ihm hängt.
"Hi, Tyler.“
"Fuck you, fuckin’ fat fuckin’ faggot.“
Er hat mit mir geredet! Und er ist so sexy! So talentiert, so rebellisch, so AUSSERGEWÖHNLICH! Sofort hebe ich eine Scherbe auf und ritze mir damit "666“, "Free Earl“ und "Fuck Steve Harvey“ in die Unterarme, um mich ihm näher zu fühlen.
"…und Du kleine Schwulette siehst aus wie Elton John.“
Also muss ich ihm auf meinem iPhone zeigen, dass Google bei einer Bildersuche nach Kyle Rixton Fotos von mir mit u.a. Iris Berben, Barack Obama und Ralf Zacherl findet. Der Türsteher erklärt mir, er sei wirklich verdammt enttäuscht von mir.
Drin legt Syd tha Kyd gerade "Wonton Soup“ auf. Hastig gieße ich mir an der Bar ein paar Schnäpse rein, dann stürme ich auf die Tanzfläche und fange an zu kochen. Swack! Steak! Knife! Chef! Nach ein paar weiteren Songs kommt unvermittelt Tyler in Begleitung irgendwelcher, mir unbekannter Hackfressen auf die Bühne und startet das Spektakel. Scheiße, ich stehe viel zu weit hinten! Wild mit den Armen rudernd kämpfe ich mich durch Horden extrem abgeklärter Musikjournalisten, die skeptisch halbgrinsend, an ihren Bieren nippend das Geschehen beobachten und stürze mich mitten in den vorne tobenden Mob. Partytime! Ich springe durch die Gegend, bis ich komplett schweißdurchnässt bin, schreie die Texte mit, die ich auswendig kann, schreie ansonsten einfach so rum, hole mir eine blutige Nase, als mir irgendjemand beim Crowdsurfen ins Gesicht tritt, schlage einen kleinen Jungen mit einer Bierflasche K.O., als dieser mir ein von der Bühne in die Menge geworfenes Free-Earl-T-Shirt vor der Nase wegschnappen will. Zum Schluss stürmen die Fans die Bühne, klettern auf die Boxen, hängen sich an die Scheinwerferschiene, skandieren "Fuck Security! Fuck Security!“. Jetzt könnte es richtig losgehen. Gewalt! Chaos! Knochenbrüche! Freudig erregt balle ich meine Fäuste, mache mich bereit für Ausschreitungen. Wenn der Club zerstört ist, werden wir rausgehen, einen Späti plündern, Touristen verprügeln, Autos anzünden und uns irgendwann schreiend und um uns schlagend von den verfickten Schweinebullen abtransportieren lassen. – Leider nimmt dann einer von Tylers hässlichen Freunden das Mic und bringt die Situation wieder unter Kontrolle.
"Hey, chillax, them security-dudes is cool, they sucked our dicks backstage and everything.“