Marc Reis

rap.de: Hättest Du dieses Album, das du jetzt gemacht hast – das ja auch ein bisschen reifer klingt – unter dem Namen Sprachtot auch machen können?

Marc Reis: Niemals. Ich hab knallharten Battle- und Straßenrap gemacht. Ich hätte mich knallhart mit Leuten angelegt. Ich dachte mir immer so: „Wenn ich mein erstes Album rausbringe, werde ich erst mal alle dissen“.
Ich wollte Battlerap machen, ich hab mich nach Straße gefühlt, ich hab es gelebt. Aber was in den zwei Jahren hier passiert ist, ist ganz einfach: Ich suche keinen Streit, ich suche ihn wirklich nicht. Früher habe ich Streit immer gesucht, solange, bis ich ihn gefunden habe.
Ich probiere einfach, gute Musik zu machen. Bei dem Album hört man raus, dass da sehr viel Enttäuschung und sehr viel Zweifel drinsteckt. Da steckt viel drin, das man erst abschließen und beenden muss. Ich bin eigentlich ein sehr humorvoller Mensch, aber in diesem Album steckt sehr viel Schmerz. Das musste einfach raus: „So jetzt ist es weg, mir geht es besser“. Ich freue mich schon auf meine nächstes Album, let’s go!

rap.de: Was ist in Dir passiert, dass Du gesagt hast: „Es muss sich etwas verändern“? Jetzt nicht nur Orts-, oder Tapetenwechsel, sondern auch, was deinen Reifeprozess als Mensch betrifft?

Marc Reis: Es gibt einen ganz einfach Grund dafür: Das Alter. Mit 16 habe ich da gehockt und dachte mir so: „Was denken diese 25-jährigen Pisser, dass sie sich für so erwachsen halten?“ Und jetzt bin ich einer von denen. Ich hab in den letzten zwei Jahren musikalisch und menschlich einfach einen Schritt nach vorne gemacht. Nicht nach hinten, sondern nach vorne! ich hab früher auch sehr viel geträumt, so, dass man sagt: „Ich bringe jetzt ein Album raus und gehe Platz eins in den Charts und danach kauf ich mir ein Auto und dann ficke ich ein paar Models und dann bringe ich mein nächstes Album raus“. Mit der Zeit wirst du immer realistischer. Ich finde, HipHop ist immer ein Stück weit Träumen, aber es gibt auch einen Punkt, an dem du für dich selbst entscheiden musst: „Findest du das jetzt cool auf der Straße mit vier, fünf Leuten rumzuhocken und ältere Menschen, die vorbei laufen, anzupöbeln, oder findest du es cool zuhause am PC zu sitzen, Texte zu schreiben und etwas aufs Blatt zu bekommen?“ Ich hab mich einfach für das andere entschieden.
Ich habe auch früher Sachen gemacht, mit denen habe ich auch aufgehört. Ich hatte kein Geld, also hab ich versucht, mir auf faule und teilweise hinterhältige Art und Weise Geld zu besorgen. Ich bin einfach nicht der Mensch dafür. Das habe ich irgendwann gemerkt. Das habe ich lange ignorieren können, aber je älter du wirst, desto krasser merkst du, dass du nicht der Gras- oder Koksdealer bist.
Jedem das seine: Wer etwas tun muss, weil er denkt er muss das tun, soll das auch tun. Ich kann das nicht. Mit 18 habe ich gedacht, dass ich Zuhälter werde. Ich glaube, ich wäre der schlechteste Zuhälter gewesen, den man sich hätte vorstellen können. (lacht) Ich kann doch keine Frauen kaputt schlagen, dass die sich prostituieren. Ich konnte dieses Berufsfeld niemals bedienen. Warum soll ich dann weiter davon träumen? Ich glaube, viele Leute träumen davon, sowas mal zu werden: Die sollen mal ein paar Tage mit Zuhältern verbringen. Die sollen mal ein Praktikum machen. Die sollen mal in dieses Milieu gehen und dann überlegen die sich vielleicht, ob das wirklich cool ist.
Für solch eine Tätigkeit musst du auch ja auch gemacht sein, wie Holzfäller oder Journalist oder Musiker.