Sila Sönmez

rap.de: Es wurde, jetzt in dieser ganzen Einwanderungsdebatte, auch eine Stimme laut, die gesagt hat, die türkische Gesellschaft bräuchte eine sexuelle Revolution. So wie damals in den 68ern. Siehst Du das auch so?

Sila: Wahrscheinlich schon! Weil es mal einfach eine Tatsache ist, dass Männer am Essenstisch an ihrem Penis rumspielen dürfen und Frauen anerzogen bekommen, dass, die “Mumu“ was ganz Schlimmes ist und was ganz Negatives.
Im Koran gibt es noch nicht mal ein Wort für Muschi oder für Fotze. Gibt es einfach nicht! Auch bei Türken heißt es immer: “Da unten“.
Es ist Schande, wenn man früh seine Tage bekommt. Man kann einfach überhaupt nicht darüber reden. Und was ist dabei? Ich hab’ ne Muschi und die ist schön, ich bin stolz drauf. Und ich kann mehr als nur Kinder zeugen, es ist wunderbar.

rap.de: Die Jugendlichen in dem Buch haben sehr beiläufig Sex. Auf dieser einen Party, frag der eine: “Und, Bock rumzumachen?“ Ist das so eine Selbstverständlichkeit heutzutage, dass man Sex so nebenher hat?

Sila: Würde ich nicht generalisieren, aber natürlich: Man kann Sex einfach so ungebunden haben, warum nicht? Ob das jetzt nur mit unserer Jugend zu tun hat? Das gab es in vorherigen Generationen bestimmt auch.
Ich meine, warum nicht? Wenn man Bock hat, aber ich würde jetzt nicht sagen, dass unsere ganze Generation so ist. (lacht)

rap.de: Es gibt ganz viele kleine Beobachtungen in diesem Buch. Also Charaktere, die beschreiben werden. Sei es die asoziale Nadine, sei es so ein Zuhältertyp wie Ali. Wo sind die her?

Sila: Das ist teils Straße inspiriert, teils Deutschrap inspiriert, teils Erfahrungen. Es sind zum Teil wirklich Erfahrungen mit dabei. Ich musste mich tatsächlich schon des Öfteren prügeln, weil es halt immer scheiß Menschen auf dieser Welt gibt.
Zum Beispiel so eine Nadine, die einfach auf mich rauf ist. Dann trittst du einfach wild um dich und denkst: “Fotze!
So einen “Ali“ siehst du an jeder Ecke, so ein Ali nervt auch. So einer: “Ich geh’ ganz breitbeinig durch die Straßen“….

rap.de: Aber auf der anderen Seite ist er auch so ein Bürgermeister.

Sila: Auf der anderen Seite ist er irgendwie auch cool, ja. Weil er bestimmte Werte hat, weil er sich auch irgendwie für andere einsetzt…

rap.de: … wenn er sie kennt!

Sila: Ja. Wenn er sie kennt! Würde er sie nicht kennen, würde er sie wahrscheinlich wie alle anderen verkaufen. Aber irgendwie spielt das Kennen ja doch schon ne große Rolle auf der Straße. (Gelächter) Ist so! Natürlich ist das auch von Deutschrap inspiriert, muss ich mal so sagen.

rap.de: Wie kommt denn so ein Alt-68er Pärchen wie Fina und Josef in die Geschichte?

Sila: Ich dachte mir, das ist doch geil: Kommunensex. Ich hatte Uschi Obermeier, diesen Film geguckt und hab mich da ein bisschen inspirieren lassen. In den 68ern haben die halt alle rumgepoppt, da war das alles kein Problem, warum sind wir Mädels jetzt sofort alles Schlampen, nur weil wir freien ungebundenen, von mir aus auch Gang-Bang Sex haben wollen.

rap.de: Siehst du da auch in der Deutschen Gesellschaft einen Rückschritt? Manchmal denke ich schon, dass die Mädchen aus dem Jahr 89 fortschrittlicher waren, als manche der Frauen heute.

Sila: Was mich ankotzt ist, dass wir Mädchen selber ne Rolle angenommen haben. Wir müssen Mädchen sein, wir müssen die Fingernägel gemacht haben, wir müssen High Heels tragen, wir müssen die Nase operieren, wenn die zu groß ist und laufen Idealen nach, die einfach behindert sind. 
Gleichzeitig müssen wir aber auch so Sachen sagen wie: "Ich find’s cool nicht kochen zu können.
Ehrlich gesagt finde ich die Richtung, in die wir gehen, echt scheiße. Ich persönlich koche voll gerne und im Gegensatz dazu trage ich halt gerne meine Bikerboots. Ich finde dieses Ja-und-Amen-Sagen von Mädchen auch so grausam. Mein Gott, wenn ich einen Hängebusen hab, dann muss ich mir doch keine Silikontitten machen lassen. Das finde ich alles scheiße.