Sila Sönmez

Frauen und Pornographie ist so eine Sache. Türkische Frauen und Pornographie? Gibt’s’s ja gar nicht – zumindest wenn man einem SPD-Mitglied glauben schenken mag, der schon allein genetisch davon ausgeht, dass Frauen aus dem muslimischen Kulturkreis kopftuchtragende, minderbemittelte Gebärmaschinen sind.
Stimmt nicht, sagt Sila Sönmez, die dieser Tage das Ghetto-Sex-Tagebuch veröffentlicht und damit beweist, dass Türkische Frauen zu mehr in der Lage sind, als ihnen Deutsche Spitzenpolitiker zutrauen.
Auch wenn die Sexualität im Ghetto-Sex-Tagbuch eher einer Schocktherapie gleicht und vielleicht nur als Aufhänger für ein ziemlich gutes Buch zur Integrationsdebatte dient, Provokation ist im Leben der Sila Sönmez immer willkommen. So trafen wir uns mit der jungen deutschtürkischen Autorin denn auch in einem AltBerliner Wirtshaus, wo es Eisbein mit Sauerkraut, Kartoffeln und Erbspüree gab.
Und NEIN: Das Buch ist keine Autobiographie. Die meisten Szenen und vor allem die sexuellen Abenteuer der Hauptperson sind frei erfunden.
rap.de: Du hast Dein Buch "Ghetto-Sex-Tagebuch“ genannt. Wie kamst du auf die Idee einen pornographischen Roman zu schreiben?

Sila: Pornographie ist es ja eigentlich nicht, sonst würde Ayla, die Hauptperson aus dem Buch, nach dem Sex ja nicht reflektieren.
Mir war es halt einfach ganz wichtig, mit bestimmten Klischees zu spielen und zu sagen: “Nicht alle Ghetto-Kids sind verrohte Asoziale.“ Zum Beispiel geht Ayla ja auf ein Gymnasium, hat ganz normal Eltern die sie auch verpflegen. Nur weil sie ihm Ghetto wohnt, heißt das nicht, dass sie kein Essen kriegt oder sich prostituieren muss.
Sex war mir in diesem Zusammenhang einfach wichtig, um dem Klischee der "typischen“ Türkin entgegen zu treten. Man sieht ja, Sarrazin sagt, wir müssten alle Kopftücher tragen, zuhause sitzen und ganz viele Kinder gebären, damit wir irgendwie alle ganz viel Hartz IV bekommen und das ist einfach nicht so.
Mir war einfach wichtig zu sagen: “Ich bin ein türkisches Mädchen, meine Figur ist ein türkisches Mädchen, sie hat selbstbestimmten Sex, nimmt sich einfach das was sie will, ohne irgendein Gefühl der der Verpflichtung oder auf das soziale Umfeld zu achten."
Sie hat auch nicht den ältern Bruder, der auf ihre Ehre achtet, sondern einen jüngeren, dem sie das Zungenküssen beibringt…

rap.de: …was nicht klappt!

Sila: … was nicht unbedingt klappt. (lacht) Aber darum geht es mir halt. Klischees aufzubrechen.
Ein anderes Ding ist, dass es 10-jährige Mädels oder 12-jährige Mädels gibt, die aus der Schule in Neukölln oder Kreuzberg gerissen und in die Walachei geschickt werden, um mit irgend einem alten, türkischen, hässlichen Analphabeten verheiratet zu werden. Das gilt dann bei bestimmten Menschen als ehrenvoll und anerkannt. Was passiert aber, wenn ein junges Mädchen sich freiwillig einen alten, hässlichen Sack sucht und mit dem harten Sex hat? Nur dass das halt ein Deutscher ist und nicht unter Zwang passiert sondern freiwillig.

rap.de: Warum ist der Sex in Deinem Buch nie schön?

Sila: Wow! (Sila ist erstaunt) Ist er nicht schön?

rap.de: Bis auf ein paar Ausnahmen schämt sich Ayla immer dafür. 

Sila. Sie schämt sich nicht! Sie fragt sich, ob das normal ist, weil es einfach nicht gesellschaftlich anerkannt ist. Es ist einfach nicht gesellschaftlich anerkannt, wenn du mit einem alten, hässlichen Sack, freiwillig geilen Sex hast.

rap.de: Warum sind das immer alte, hässliche Männer?

Sila: Weil ich halt dieses Klischee umdrehen wolle. Erst mal sollte sie sich nach dem Sex fragen, was Ehre ist und was nicht? Ob sie jetzt ein schlechtes Gewissen haben muss, weil ja auch super oft von jungen Männern kommt: “Das ist nicht ehrvoll. Du bist eine Schlampe.
Sie sollte sich selbst diese Dinge fragen, um zu dem Schluss zu kommen: “Für mich ist das eigentlich in Ordnung.

rap.de: Ist es das krasseste Bild gewesen, das Du da gewählt has? Sie hätte ja auch junge, attraktive Männer treffen können.

Sila: Wie gesagt, ich hab ja dabei daran gedacht: “Ihr nehmt eure jungen Mädchen hier und verschickt die in die Türkei, obwohl das Kind hier sozialisiert worden ist.
Das ist auch ne Botschaft und ich habe es umgedreht und gesagt: “Was ist, wenn so ein Mädchen einfach freiwillig so einen alten Mann nimmt?“ nur, dass er Deutscher ist… 

rap.de: …und sie nach dem Sex auch wieder gehen kann.

Sila: Sie kann danach wieder gehen und sie ist selbstbestimmt. Warum ist also das eine gesellschaftlich anerkannt und das andre nicht? Und deswegen hat sie also auch diesen extremen Sex. Weil es mir einfach wichtig war, da auf die Kacke zu hauen und zu sagen: “Na und, was ist dabei? Wenn ich Bock hab’ nen alten 50-jährigen Sack zu ficken, dann mach ich das!
Es viel schlimmer, wenn ich voll den Schönling als Freund habe, der mich aber im Endeffekt hintenherum mies behandelt. Warum ist das gesellschaftlich anerkannter, als wenn ich irgendwo hingehe und mir das nehme, worauf ich Lust habe?