Blitz The Ambassador

Auch wenn sich unser Blick immer noch in Richtung USA wendet, wenn es um weltweite Rap-Musik geht und ab und zu vielleicht noch Frankreich streift, Afrika als Ort der Hip Hop Kultur wird eher weniger wahrgenommen. Das ist natürlich bedauerlich, gäbe es auf dem Kontinent doch einiges an guter Rap-Musik zu entdecken, mit einem eigenen Einschlag, mit einem, sagen wir es mal so, mit einem etwas fresheren Swagger. Diesen verkörpert vielleicht ganz gut, Blitz The Ambassador, obwohl er strenggenommen nicht mehr dem afrikanischen Kontinent zuzurechnenen ist. Zwar ist der junge Mann in Ghana geboren und aufgewachsen, seine Musikkarriere startete er aber 2004 in den USA und diese brachte ihn nun auch schließlich nach Deutschland. Während der WM und kurz nach dem verlorenen elfmeterschießen von Ghana gegen Paraguay, haben wir uns mit dem Mann aus Brooklyn unterhalten.


  

rap.de: Du nennst dich selbst Blitz The Ambassador. Was bedeutet das Botschafter-Dasein für Dich? Was willst Du z.B. in Deutschland repräsentieren?

Blitz: Ich meine als Botschafter repräsentierst du ja deine Leute, deine Kultur und dich selbst auch. Und jetzt hier sein, das ist es, was ich mache. Ich repräsentiere nicht nur Ghana und Afrika ich repräsentiere auch Hip Hop als Kultur. Also ich lebe ja in Brooklyn. Grundsätzlich repräsentiere ich all die Dinge, die mich beeinflusst haben sprich Kultur, Musik, Kunst und das auf der ganzen Welt.

rap.de: Du bist auch ziemlich gut in den bildenden Künsten. Hast du auch mal gesprüht?

Blitz
: Ich habe mal ein bisschen gesprüht, damals in Ghana aber ich bin eher Grafikdesigner. Zum Beispiel habe ich ja das Albumcover selbst designt und solche Sachen.

rap.de:  Ist Graffiti verbreitet in Ghana?

Blitz
: Weißt du, eigentlich sind alle Elemente der Hip Hop Kultur ziemlich populär in Ghana. Wir haben viele Breaker, Poppers und Lockers, Djs, MCs, Graff Artists, eigentlich alles.

rap.de: Auf deinem Album "Stereotype“ sagst du, dass Hip Hop Dein einziger Ausweg war. Aus was?

Blitz
: In Accra, Ghana, das ist die Stadt, in der ich aufgewachsen bin, da gibt es nicht viele Dinge, dass es dir gut geht. Da gibt es eine Menge Armut und Struggle und ich bemerkte durch Hip Hop, dass es überall auf der Welt Orte gibt, wo es Leuten dreckig geht und sie kämpfen müssen.
Durch Hip Hop haben diese Leute einen Weg gefunden, darüber zu sprechen und den Menschen auf anderen Kontinenten zu zeigen, wie es bei ihnen ist. Polizeigewalt, Rassismus, politische Verfolgung und solche Sachen.
Leute wie Public Enemy, Rakim oder KRS 1 haben mich durch ihre Musik angesprochen und mir genau das gezeigt, dass vergleichbare Umstände auf verschiedenen Kontinenten gib.

rap.de: Wo du gerade von der Musik von Public Enemy, Rakim und KRS 1 sprichst, ich habe gehört, dass es zu der Zeit in Ghana nicht all zu einfach war an Tapes oder Platten aus dem Ausland  zu kommen. Kannst du die Lage mal beschreiben?

Blitz
: Ja, also es war wahnsinnig schwer, aber es gab immer ein paar Leute, die finanziell in der Lage waren, zu reisen und das war der einzige Weg, an irgendwelche Sachen ran zu kommen.
Ich hatte leider kein Geld, aber ein paar andere Leute, und diese Leute waren es, die dann die ganzen Radiosendungen in New York oder L.A. aufnahmen oder Videos von MTV.

rap.de: Also habt ihr damals auch die Hip Hop Kultur von Tapes und Videos gelernt?

Blitz
: Ja genau. Dadurch, dass ja im Hip Hop viel erzählt und auch visuell ausgedrückt wird geht das ja ganz gut.

rap.de: Du trinkst kein Alkohol. Gibt es Gründe dafür?

Blitz
: Nein, eigentlich gibt es keinen Grund. Ich funktioniere sonst nicht… nein, lass es mich anders sagen. Ich funktioniere bestens ohne Alkohol. Ich brauche keine Aufputschmittel. Also ich rauche und kiffe auch nicht.

rap.de: Straight edge.

Blitz
: Ja, wie auch immer du es nennen magst. Das ganze Zeug sind halt Sachen "I never fucked with“.  Das ist der Punkt.

rap.de:  Wurdest du mit vielen Vorurteilen konfrontiert als du in die Staaten gingst und heißt Dein Album deshalb "Stereotype“?

Blitz
: Naja nicht nur in den Staaten, auf der ganzen Welt gibt es ja immer so ein Schubladendenken und Leute kommen dann an und sagen dir, was sie mal gehört haben oder was sie glauben zu wissen über andere Kulturen. Das Ziel des Albums ist im Endeffekt diese Barrieren zu brechen, dass Leute denken, wie jemand aus Afrika ist oder wie er denkt oder wie er sich verhalten sollte. Ich denke es gibt eine Menge Missverständnisse über Afrikaner und Afrika als Kontinent. Ich hoffe, dass "Stereotype“ ein Weg ist, wenigstens ein paar davon aufzuheben.
Es gibt ja immer ein paar dumme Fragen, die von den Leuten gestellt werden und auf der anderen Seite gibt es da wieder welche, die sagen: “Hey, das ist nicht afrikanisch genug!“. Du verstehst.

rap.de: Du hast Business Administration also Marketing studiert. Das ist ja ziemlich materiell orientiert für einen Conscious HipHop Künstler.

Blitz
: Ich habe das studiert, weil ich das System, in dem wir leben verstehen will. Ich habe verstanden, dass alles irgendwie verkauft werden muss. Was auch immer es ist. Wenn etwas in dir steckt, dann musst du das auch verkaufen, sonst hast du nichts davon. Darum bin ich aufs College gegangen, um meine Kunst besser verkaufen zu können, um dann letzten Endes davon leben zu können, ohne bei jemandem zu unterschreiben. Ich habe mein eigenes Label und mache mein eigenes Ding. Darum bin ich hier. Weil ich das studiert habe, konnte ich das machen.

rap.de: Du machst ja auch eine Menge Liveshows. Ist Dir das wichtiger als Platten aufzunehmen?

Blitz
: Ich denke es ist 50/50. Also ich stecke auf jeden Fall immer viel Zeit, Mühe und Arbeit in meine Liveshows. Ich bin kein Künstler, den du im Fernsehen sehen wirst oder so was. Ich meine, ich war auf MTV mit meinem Video zu ”Something to believe“  aber die spielen ja mein Video nicht alle fünf Minuten. Der einzige Weg zu interagieren und Brücken zu bauen zu Menschen oder auch zu seiner eigenen Familie, ist sich zu zeigen und da zu sein. Das ist der Grund, warum ich soviel Aufwand um meine Liveshow mache. Ich will nämlich auf jeden Fall sicher gehen, dass die Leute ein gutes Bild von meiner Arbeit bekommen.
Warum sollte man es nicht ein bisschen so wie früher machen. Das ist ja der „real way“.  Ohne diese Interaktion wäre Hip Hop ja auch nie groß geworden.

rap.de:  Du hast jetzt mittlerweile schon Shows mit Leuten wie Nas oder The Roots gemacht, die ja teilweise auch Deine damaligen Idole waren. Wie ist das für Dich?

Blitz
: Ja Mann ! Ein paar dieser Acts haben mir größtenteils meinen Lebensweg gewiesen und mich immer irgendwie durch ihre Kunst begleitet. Sie waren einfach meine Helden. Es ist einfach großartig mit ihnen im gleichen Raum zu sein, ihnen die Hände zu schütteln oder wenn sie mir sagen, dass mein Auftritt gut war. Ich fühle mich definitiv geehrt, in dieser Position zu sein. Leider können das nicht viele von sich sagen. Ich fühle mich krass geehrt, jemanden wie Chuck D von Public Enemy zu treffen.

rap.de:  Kürzlich hast du ein Video bei Facebook gepostet, auf dem du ein, für unsere Verhältnisse, sehr exotisches Instrument spielst und dabei Freestylest. Das war echt beeindruckend.

Blitz
: Ja das nennt sich Koshka. Koshka ist ein Instrument, das wir damals zu Hause immer als Kinder gespielt haben. Vor ein paar Jahren bin ich drüber gestolpert und habe wieder angefangen zu spielen. Es sieht vielleicht schwierig aus, aber ich habe das jahrelang geübt, deshalb kann ich es auch beim Laufen oder beim Freestylen spielen.
Manchmal spiele ich es auch bei meiner Show. Mein Ziel ist es, einzigartig zu sein als Künstler.. Sachen zu bringen, die Hip Hop nicht gewohnt ist. Ich bin der Meinung, dass ich auch was neues reinbringen muss, wenn ich an einer Kunstform teilhabe.
Ich kann nicht ankommen und einfach nur von der Kunst nehmen. Dann frage ich mich natürlich, was ich hinzufügen kann. Nur so kann die Kultur wachsen. Indem jeder seine speziellen Fertigkeiten hinzufügt.

rap.de:  Auf deinem Album sagst du. ”They are not killing the music, we do it ourselves.” Kannst du das ein wenig genauer erklären? Also wer sind ”they“?

Blitz
: Guck dir mein Albumcover an. Da ist ein Typ im Anzug, der sich den Schädel wegschießt, der aus einem Ghettoblaster besteht. Der Typ ist mein Symbol für die Labels, also für die Industrie, die Maschinerie, die ja bekanntlich hinter vielen Künstlern steht.
Die wollen das ja alles zu einem Fließbandjob machen. Aber Künstler sind nun mal keine Autos oder Stifte oder sonst etwas. Du kannst nicht einfach jeden irgendwie auf die gleiche Art und Weise kreieren. Jeder Künstler muss anders sein, also so wie er persönlich ist und sich nicht in eine Art Schablone pressen lassen. Wir als Künstler dürfen das nicht mit uns machen lassen. Das funktioniert nur, weil sich viele Künstler kaufen lassen. Weil sie meist nur das Ziel haben, reich zu sein.

rap.de: Hast du da ein Beispiel für einen Künstler parat?

Blitz
: Dazu brauchst du kein Beispiel. Wir kennen alle die Namen. Leider ist das die Realität, dass sich viele kaufen lassen. Also definitiv nicht alle. Einige sind sehr stark und zielstrebig, dieser Integration in die Massenproduktion standzuhalten.  Wenn du daran aber erst einmal teil nimmst, dann verlierst du eine ganze Menge. Mein Ziel als Künstler ist es, authentisch und originell zu bleiben und wenn ich was von denen brauche, dann klaue ich es. Ich meine, ja du siehst mich auf MTV, aber ich werde nie das tun, was MTV will. Ich mache, was ich will.
Klar will ich auch in die Billboards, aber ich werde es auf meine Art machen. Ich werde alles wegrocken !
Es ist echt schwierig. Ich verbringe meine gesamte Zeit mit dem Label. Ich bin 100 Prozent Künstler und mache mein Business. Ich bin ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, die ganze Sache noch weiter auszubauen.

rap.de: Aus Leidenschaft?

Blitz
: Absolut. Aber natürlich muss ich, wie jeder andere auch, für meine Miete, Nebenkosten und Essen rausgehen und etwas tun.

rap.de: Aber du kannst davon leben?

Blitz
: Ja, ich kann davon leben. Ich habe jetzt nicht den großartigsten Lebensstil, aber ich lebe. (lacht)
Und weißt du, alles andere wird kommen, wie es kommen soll. Wenn du das tust, woran du wirklich glaubst, dann werden das die anderen auch bemerken. Wenn sie glauben, dass du an die Sache glaubst, dann rocken sie mit dir. Wenn sie es nicht glauben, wird das nichts.
Schau dir Nas an, oder The Roots. Diese Jungs sind jetzt schon seit mehr als 15 Jahren diejenigen, an die geglaubt wird.

rap.de: Hast du privaten Kontakt zu denen?

Blitz
: Zu ein paar schon. Bei anderen ist es halt nur die Show und das war es dann. Aber es ist cool, dass man Leute kennen lernt. Je mehr Leute du triffst und man ist cool mit denen, umso mehr Dinge werden passieren.

rap.de: Gibt’s da welche, mit denen Du in Zukunft arbeiten möchtest?

Blitz
: Ja klar, es gibt eine Menge Leute. Nicht nur Hip Hop Künstler. Ich würde gern mal was mit Radiohead machen. Ich rappe zwar, aber ich bin ja immer noch Musiker und ich bin von vielen Dingen beeinflusst. Ich würde gern mit vielen Künstlern aus vielen verschiedenen Genres arbeiten.

rap.de: Auf deiner Seite steht, dass deine nächste EP bilingual wird.

Blitz
: Ja ich arbeite an dieser Platte, auf der ich mehr in meiner Heimatsprache, Twi, abgehen werde. Ich will über meine Musik mehr mit den Leuten aus Ghana kommunizieren, dass sie verstehen, was ich mache.

rap.de: Ist Deine Familie noch in Ghana?

Blitz
: Ja meine Eltern sind noch dort, aber meine Geschwister haben sich auf der ganzen Welt verteilt.

rap.de: Ich habe auf deinem Myspace-Account gesehen, dass du verschiedene Profile für Ghana und Kenia Ambassadors angelegt hast. Kannst du erklären, worum es da geht?

Blitz
: Dabei geht es im Grunde um Fanbases weltweit. So kann man auch mit Leuten von anderen Kontinenten zusammen arbeiten. Vielleicht bringt das ein paar interessante Künstler zum Vorschein.

rap.de: …und auf Twitter habe gelesen, dass Du nicht nach England einreisen durftest. Was war da los?

Blitz
: Ja, die Leute mit denen ich gereist bin, also die, die das Event in UK geplant hatten, konnten nicht vorweisen, dass sie eine wichtige Promotionagentur sind. Daraufhin wollten die britischen Behörden mir kein Visum ausstellen und ich konnte nicht auf diesem Festival auftreten.

rap.de: Was für einen Pass hast du?

Blitz
: Naja, ich habe einen ghanaischen. Wenn du einen US-Amerikanischen Pass hast, dann ist das alles kein Problem am Flughafen. Aber was soll’s. Ich habe ein Schengen-Visum. Damit kann ich in die meisten europäischen Staaten problemlos einreisen. England hat nicht an diesem Abkommen teilgenommen, deshalb konnte ich dort nicht einreisen.
Es ging ja auch nur um die Bescheinigung der Agentur. Nicht direkt um meine Person. Ich bin ja oft dort, weil meine Schwester da lebt. Es ging nur darum, dass ich dort auch als Künstler auftreten darf.

rap.de: Ghana hat gerade gegen Paraguay im 11 Meterschießen verloren. Du hast krass mitgefiebert. Bist du Fußball- interessiert?

Blitz
: Ja, ich habe auch schon viele Ligen ausgecheckt. Die spanische, die englische und so weiter. Das ist alles sehr spannend.

rap.de: Was bringt die WM für Südafrika oder auch Afrika im allgemeinen?

Blitz
: Es ist super, dass Südafrika stellvertretend für den Kontinent  diese WM ausrichten kann. Das bringt Industrie.  Südafrika hat eine Menge profitiert von der WM. Das bringt viel Geld in das System und alle Spieler haben die Möglichkeit auf einer großen Bühne zu spielen. Das verbindet ja auch die Leute in ganz Afrika. Das ist eine große Sache.

rap.de: Als Ghana gegen die USA gespielt hat. Für wen warst Du?

Blitz
: Das ist einfach…   Ghana. (lacht)

rap.de:  Vielen Dank für das Interview.