Die Firma

Die Firma. Gefühlte 100 Jahre im deutschen Rap Geschäft tätig, sind die drei Kölner so etwas wie die Dienstälteste Rap-Kombo der Bundesrepublik. Wir trafen Fader Gladiator aka Daniel Sluga, Def Benski aka Ben Hartung und Tatwaffe aka Alexander Terboven am Vorabend ihres Videodrehs auf Rügen, wohin sie um vier Uhr morgens aufbrechen mussten. Trotz allem entwickelte sich ein spannendes Gespräch über Dreharbeiten in Drittweltländern, religiöse Konzepte und Weltverschwörungstheorien. Die drei waren definitiv in Erzähllaune und der Regisseur, der ebenfalls noch wach bleiben musste, war dementsprechend verstimmt.

rap.de: Ihr dreht euer neues Video auf Rügen. Sind die Zeiten vorbei, wo Videos in Thailand gedreht werden?  

Fader Gladiator:
Ja auf jeden Fall. Nee, also normalerweise hätten wir das Zweite auch in Rio gedreht aber da wir nicht wussten, was die zweite Single werden soll, haben wir dort einfach nur eins gedreht.

Tatwaffe:
Ich hab mir einfach gedacht: "Hey, was sollen wir wieder weg. Rügen ist doch schön. Weißte es gibt so wunderschöne Stellen hier in diesem Land…" (lacht).

Def Benski:
Ich muss mich demnächst auf Hartz IV einstellen und dann, dachte ich Hartz IV und Rügen, das passt ja gut zusammen.

rap.de: Dann würde ja Mallorca auch ganz gut passen.

Fader Gladiator: Das war vielleicht das falsche Land für das Lied. Wir machen ja das Video zu "Stille“.

rap.de: dann solltet ihr vielleicht so ein Splitvideo mit den Atzen machen. Erst nur Stille und dann…

Tatwaffe:
Das klingt nach einem super Konzept. Kannst Du die mal anrufen, hast du einen Draht zu denen? Das machen wir.

Fader Gladiator:
Also ich find die Atzen ja auch wirklich gut muss ich sagen.
Da sehe ich so eine Parallele. Die machen jahrelang ihr Zeug, so wie wir. Alle sagen das ist Scheiße, aber diese Scheiße verkauft sich brillant und die Typen verdienen ihren Erfolg. Da sehe ich so die Parallele, dass wir auch mit Scheiße Erfolg haben. (lacht)

rap.de: Das würde ich bei dem neuen Album nicht unbedingt sagen, allerdings muss ich sagen: Euer neues Album hat mich etwas ratlos hinterlassen.

Fader Gladiator: Ja mich auch.

Tatwaffe: Du Arsch ! Sprich Dich ruhig aus.

rap.de: Ich muss sagen, sowohl inhaltlich als auch musikalisch weiß ich nicht wohin die Reise gehen soll?

Fader Gladiator: Ja, da geht es mir genauso. Das Schiff trieb irgendwohin.

Tatwaffe:
Ja aber eigentlich ist das so unser Ding. Wir haben von Anfang an gesagt, wir machen, worauf wir Bock haben und versuchen jetzt nicht eine Battleplatte zu machen oder irgendwie nur Popsongs oder was weiß ich. Sondern wir haben gesagt "wir machen alles“. Unser erstes Album Spiel des Lebens / Spiel des Todes ist ja so entstanden und am Ende haben wir davor gesessen und uns gefragt: "Was machen wir jetzt?“
Dann hat sich das bei uns durch den Prozess herauskristallisiert, dass wir anscheinend alles machen, was so zwischen Gut und Böse in der Grauzone liegt und das haben wir eigentlich nur so fortgesetzt.  
Ich finde es auch immer interessant, wenn irgendwas nicht funktioniert, muss ich sagen. Also wir sind in der Band auch total unterschiedliche Typen. Also ich könnte mir jetzt auch nicht 20 Lieder wie "Spruchreif“ anhören. Das wird nicht funktionieren.

Fader Gladiator: Ich hätte auch keinen Bock, 20 Lieder wie "Spruchreif“ zu machen.
Ich mache die Musik und ich bin jemand, ich langweile mich sehr schnell von mir selbst, wenn ich zweimal das gleiche gemacht habe, dann habe ich Lust wieder in eine andere Richtung zu gehen, musikalisch.
Dann spiele ich alles der Band vor und dann picken sie sich das und das raus und dann liegt es daran, was ich ihnen anbiete.

rap.de: Hattest Du nie den Wunsch, ein Album etwas mehr in Form zu bringen?

 

Fader Gladiator: Doch und deshalb hab ich auch für dieses Album das Orchester genommen. Die Ästhetik ist schon 100prozentig eine Linie.

rap.de: Wie war die Arbeit mit dem Orchester?

Fader Gladiator: Beschissen. (lacht)  Das Prager Filmorchester ist nicht so toll. Da hat sich nicht nur einer verspielt, sondern die ganze bläsergruppe. Deswegen haben wir irgendwann gesagt: "Ihr; ihr; ihr – Nicht mehr mitspielen! Wir nehmen Euch gleich extra.“

rap.de: Wie lange habt ihr dann mit diesem Orchester aufgenommen?

Fader Gladiator:
Ein Tag.

rap.de: Mehr kann man sich dann auch nicht so leisten?

Fader Gladiaor: Doch kann man! Ich habe mal auf einer Gema-Versammlungmit jemandem gesprochen, der viel Ahnung hat und dem hab ich von meinem Plan erzählt. Da meinte er: "Aha und wie viele Tage wirst du da sein?“ Hab ich gesagt: "Einen Tag“. Der guckt mich an und sagt: "Äh! Wenn du das schaffst, zieh ich den Hut vor dir.“ Normalerweise musst du da drei bis vier Tage rechnen Er meinte, sobald da ein Beat dazu kommt, sind die nicht in der Lage vom Timing her darüber zu spielen. Er hat ja auch Recht gehabt, ich hab das dann alles von Hand editiert und darauf gesetzt. Das war total der Alptraum.

rap.de: Ihr habt für eine deutsche Hip-Hop Band relativ viele Bezüge zur Dritten Welt auf euren Platten, zumindest sehr viele kritische Randbemerkungen. Das finde ich ziemlich beachtlich. Warum ist das so?

Tatwaffe: Ich für mich persönlich, das klingt jetzt vielleicht ein bisschen crazy, verstehe mich eher als Terraner, als Weltbürger, als als Deutscher. Also ich kann nicht so tun als ob ich jetzt hier lebe und ich habe eine Krankenversicherung und deshalb ist die Welt dann in Ordnung. Wenn ich manchmal Nachrichten sehe, könnte ich heulen und weil das so ist, sollte ich das auch in die Texte einfließen lassen. Ich komme aus der Schule, wo mir beigebracht wurde: Rap heißt "real sein“, in dem Sinne, dass man das, was einen beschäftigt auch bitte ausspricht und mit der Welt teilt, wenn man schon diese Musik macht.

Def Benski: Das Leben passiert halt nicht nur hier bei uns. Man muss halt schon mal globaler denken, um auch eine gemeinsame Zukunft zu haben.

Fader Gladiator: Spätestens dann, wenn wir ein Video gedreht haben, haben wir das gemerkt. Überall, wo wir gedreht haben, waren immer die Ghettos? Fällt mir grad ein. Weswegen eigentlich? Wegen den Kosten?

rap.de:  Na gut, das ist dann wiederum die andere Frage. Das fand ich immer suspekt an Euch. Warum ihr Eure Videos in 3. Welt Ländern gedreht habt?

Fader Gladiator: War ja nicht nur. Thailand ist ja kein 3. Welt Land, aber ich weiß, was du sagen willst. Die Länder der Gegensätze sind es schon.
Kapstadt ist jetzt nicht die dritte Welt, aber da gibt’s die Ghettos. Rio ist auch nicht die 3. Welt, aber da gibt’s die Favelas. Das sind die Länder der Gegensätze, wo sehr viel Armut und sehr viel Reichtum ist.
Das einzige dritte Welt Land, wo wir waren, das war in Indien.

Tatwaffe: Als wir angekommen sind habe ich geflucht. Ich hatte sowieso keinen Bock, da hin zu fliegen. Hütten aus Pappe und Holz, wo irgendwie Menschen gerade kochen und du fährst so vorbei und alles ist offen. Es hat geregnet, es war alles kaputt. Nur Leute die nichts hatten auf der Straße. Nackte Kinder, die rumlaufen. Und ich hab mich einfach nur gewundert: Wie können wir das bringen, hier zu drehen? Was ist denn das für ne Scheiße?
Das war der erste Eindruck. Wenn du da mit den Leuten arbeitest und siehst, wieviel Liebe dir entgegen kommt von den Leuten, wie viel Spaß die daran haben, Europäer kennen zu lernen die Musik machen. Und die stehen dann da: "Your Song sound´s good. I like it. I don´t understand it but I like it.” Das war dann genauso prägend wie der erste Eindruck. Zu sehen, wie schnell man mit Menschen in Kontakt kommt über Musik, übers Video drehen.

Fader Gladiator: Das krasse ist, nirgendwo sind die Menschen so sehr auf Musik abgegangen, wie dort. Du musst in Rio niemanden fragen ob er im Musikclip dabei sein will. Das ist klar. Der macht da mit. Die haben auch gar kein Geld dafür gekriegt, sondern die sind mit Musik da ganz anders umgegangen. Hier in Europa oder auch in Amerika kam dann gleich: How much?

Tatwaffe:
Kommt drauf an, wo in Amerika. Mit Tomekk war ich ja in Miami in der Hood und da waren irgendwie hundert Leute, die haben keinen Pfennig gekriegt. Die waren einfach da.

Fader Gladiator: Aber sag doch mal, warum das aus Deiner Sicht nicht gut ist, dort Videos zu drehen.

 

rap.de: Es ist doch einfach ein Zwiespalt. Natürlich geht man hin und sagt: Ich tue denen ja auch ein bisschen etwas Gutes. Ich bezahle die vielleicht auch über Tarif, aber im Endeffekt nutzt man das ja auch aus.

Tatwaffe: So denken wir noch nicht mal. Ich freue mich eher auf die Völkerverständigung.

Fader Gladiator:
Ich glaube du bist der erste der da überhaupt drauf kommt. Da mache ich mir gar kein Kopf drüber.

rap.de: aber schon alleine, dass du überhaupt dorthin reisen kannst, macht einen unterschied. Die meisten Menschen dort, können überhaupt nicht reisen. Das ist doch schon mal ein grundlegender Unterschied, ja? Für jeden dort bist du unermesslich reich. Egal wie viel du hier hast.

Fader Gladiator: Der wahre Grund ist auch ein kaufmännischer Grund. Wenn der Regisseur mir sagt: Wir brauchen Licht und in Deutschland gibt es keine Lichtgarantie und wir wollen jetzt auch mal im Herbst drehen. Wir können entweder drin drehen oder ich muss Licht besorgen. Was kostet Licht? Mit dem LKW 4.000 bis 5.000 Euro, wenn wir es vernünftig haben oder wir fliegen dahin wo eine Lichtgarantie ist. Das geht dann für die Tickets und Hotels drauf. Das sagst du mir nur einmal. Dann sage ich: "Alles klar. Tasche ist gepackt“ und wir sind unterwegs.
Ich und ich spreche jetzt nur für mich, verbinde das ganz gerne damit, dass ich überall gerne bin nur irgendwie nicht so gerne in Deutschland. Ganz ehrlich. Da schäme ich mich auch nicht, irgendwo anders hin zu fliegen.

Tatwaffe: Was ich gerne noch mal sagen will ist: Ich weiß nicht, wie das andere machen würden, wenn sie die Möglichkeit hätten oder die Lust da zu drehen, aber, was ich gut finde ist, dass wir in Rio in die Favela gehen und nicht nur diese Hochglanzbilder mitnehmen. Wir gehen in Ecken, wo es Sicherheit nicht gibt.
Wir hatten in Rio einen bewaffneten Security Mann. In die Favela konnte der aber nicht mit? Da waren wir alleine. Mit unseren verrückten Kameramännern und unserem verrückten Regisseur, der denkt: "Ach geht schon gut“.

Fader Gladiator:
Ich bin mit dem Regissuer losgezogen Ich sah aus wie so ein Lackaffe, mit Gel in den Haaren und so. Es hieß: "Wir fahren zur Sambaschule.“ Sag ich: "Ja okay.“ Badeschlappen angezogen, schick gemacht. "Fahren wir zur Sambaschule“ und dann war diese Sambaschule in einer Favela, was ich noch nicht wusste. Aber es war noch die Hauptstraße und dann haben die da vor uns getanzt, was schon absurd war, morgens um 10 Uhr. Dann habe ich gesagt: „Ja die würde ich gerne im Video haben, aber die Aussicht ist ja knaller hier“ und dieser Lehrer meinte dann: "Ja wir können ja mal absteigen.“ Dann hat er uns geführt, in die Favela rein.
Ich mit meinen Badeschlappen hinterher, wie so ein Idiot mit dem I-Phone in der Tasche, das hat so wie ein Goldnugget hin und hergeschaukelt. Wir sind dann weitergegangen und der Produzent, der da auch noch dabei war, der hat auch "Tropa de Elite“ gedreht und der sagte: "Hey hier, das ist die einzige Favela ohne Polizeistation, weil die anderen sind ja seit neuestem alle besetzt und das ist noch die letzte aktive Drogenfavela."
Bis dahin war alles okay, ein bisschen bizarr vielleicht und ich dachte: lustig, lustig, bis ich da erwachsene Männer in Unterhosen gesehen hab, die da an Häuserecken rumsaßen mit verchromten Dingern aus der Hose hängen. Das hab ich nur von Weitem gesehen und dann hat mein Spinnen-Sinn so Peter Parker mäßig: "Achtung Gefahr“ und ich so: "Okay, we can go back.“

Der Engländer hat dann versucht dem Sambatyp das zu sagen, aber wir sind immer weiter rein. Das Licht ist ja irgendwann mal weg. Die Gassen werden immer enger und dann musste ich da an diesen Typen vorbei und die Augen, die haben mich angeschaut und gesagt: "Du bist nichts wert. DU bist nichts wert.“ Das war wirklich so. Das Schlimme war nicht, dran vorbei zu gehen, sondern das Wissen darum: Ich geh hier gleich auch wieder zurück. Irgendwann waren wir dann irgendwo mitten drin in der Favela, auf einem Dach.
Das sah super aus und der Regisseur war fasziniert: "Der Ausblick ist ja super!“
Ich so: "Oli, hier dreh ich kein bisschen.“
Er so: "Der Ausblick ist ja super! Wenn wir dann hier die Sambatrommler und hier den Ghettoblaster.“
Ich so: "Ey bist du bescheuert? Ich dreh doch hier kein Video wo die Leute mit Maschinengewehren rumstehen!“  
Und er: "Wieso, wir sind doch hier in Sicherheit auf dem Dach.“
Uns trennte nur so ein Holzgatterzaun, ne!? Da dachte ich: In dem Moment, wo wir den Ghettoblaster anmachen und dann die Sambatruppe anfängt, da habe ich die ganzen Vögel hier aufm Dach stehen.
Aber der Regisseur hat nichts gesehen, er hat auch gar keine Waffen gesehen. Für mich war klar: Da willst du nicht drehen. Und die noch immer am Schwärmen: "Was für ne Aussicht! Wie Toll! Super!“ Ich: "Ey da waren die ganzen Typen mit Knarren und so.” Er: “Ich hab keinen gesehen. Wen meinst du?“

Dann sind wir mit dem Auto runter gefahren und wir fahren um eine Ecke und da stehen Kinder. 10-jährige mit Sturmmasken, Kalashnikovs und Panzerfäusten auf der Schulter. Der Produzent hat sie gesehen, ich habe sie gesehen und der Regisseur nur: "Was? Ich habe nichts gesehen.“
Der hat nichts gesehen und ich hatte Todesangst, wirklich. Das war nichts mit "cool“.
Naja dann sind wir also alle in die Favela rein gefahren und fahren so durch die Straßen und alle haben gedacht: "Der Daniel übertreibt mal wieder.“
Alle waren so: "Jaa, alles easy.“ Wir biegen um die Ecke und alle plötzlich: "Scheiße!“
Da standen wieder die gleichen Kids da mit ihren Sturmmasken und der kompletten Artillerie und das Beste war: Im Wagen war totale Ruhe. Und dann sagt der Regisseur: "Jetzt habe ich es auch gesehen.“ (lachen)
Ja und dann sind wir hochgefahren und ausgestiegen und haben gedreht.
Die wollten uns nur sagen: "Wir haben eigentlich die totale Macht. Wir könnten, wenn wir wollten. Merkt Euch das!“

rap.de: Und wie war das dann auf diesem Dach?

Def Benski: Super. Dann war’s easy.

Tatwaffe: Ja, du darfst halt nicht runtergucken. Wenn du in der Gasse siehst wie die da rumlaufen und hochgucken, da wird dir schon anders.
Auf jeden Fall wird man da wieder bescheiden und man ist froh, dass nichts passiert ist.

Fader Gladiator:
Aber um noch mal die Kurve zu kriegen: Du wolltest ja darauf hinaus ob man moralisch ein schlechtes Gewissen hat, da zu drehen. Im Nachhinein: Ein schlechtes Gefühl so im Bauch hatte ich wirklich nur in Bombay. Das war die Eingangsfrage oder?

Tatwaffe:
Da unsere Musik auch so ausgelegt ist, dass wir irgendwie nicht nur über Deutschland sprechen, sondern über die Welt an sich, finde ich es auch für mich völlig vertretbar oder sogar gut, dass wir ins Ausland gehen. Sei es eine reiche Gegend wie Key West in Florida oder ob wir halt in der Favela drehen oder sonst was. Das schöne an diesem Beruf ist, wenn man den Leuten zeigt, die Welt ist ein bisschen größer und Musik kann man überall machen.

rap.de: dann gibt es wiederum Songs auf dem Album, wo es darum geht, was Ihr Euch so alles wünscht und das klingt dann wiederum fast schon ein bisschen Stammtisch-mäßig.
Da heißt es: ich möchte Geld haben, man möchte seine Ruhe haben. Das ist dann doch eher das, was der normale Postangestellt sich auch so wünscht, oder?

Tatwaffe: Na ja klar, aber das wünsche ich mir ja tatsächlich. Ich wünsche mir den Weltfrieden, aber bitte für jeden und bitte lass mich reich sein.
Ich mache ja jetzt schon lange Musik und ich habe ja schon einige Songs in meiner Laufbahn gehabt, wo Leute gesagt haben: "Danke, dass Du das erzählt hast. Ich habe mich dann doch nicht umgebracht.", "Mein Kumpel ist kein Nazi mehr, wegen Eurer Musik." Nach "Kein Ende in Sicht“ kamen sehr viele Christen und Muslime zu mir und haben mir gesagt, dass sie sich drin wieder finden konnten. Trotzdem weiß ich nicht, wie man die Leute ohne Geld, ohne Kapital, ohne teuere Videos, wie man diese Welt verändern will? Und ich will nicht nur alles, damit es mir gut geht, sondern ich hätte auch Bock, was zu verändern. Ich hätte Bock, die Platten und die Botschaft dieser Gruppe noch größer zu machen, aber wie soll das gehen ohne Geld? Bis jetzt ist kein Millionär auf uns zugekommen und hat gesagt: Hey super Musik, super Botschaft. Hier haste ne Million, hau rein. Mach Promo.

rap.de: Wie würde das dann aussehen, dieses größer Machen.

Tatwaffe: Ich würde diesen Staat bombardieren mit Plakaten. Ich würd mir nen eigenen Internet-Fernsehsender aufbauen. Ne Zeitung. Da würde ich sofort 500.000 in so was reinstecken.

Fader Gladiator: Du merkst schon, dass ich das Label mache und nicht er. Weiß du, was ich damit machen würde. Ich würde das Geld nehmen und zu den schlechtesten Festgeldkonditionen anlegen, die ich kriegen kann.

Def Benski:
Auf jeden Fall. 999.000 erst mal zu nem garantierten Zins anlegen und gut ist.

Fader Gladiator: Ich denke du sprichst auf den Widerspruch an, in den Texten, oder?

Tatwaffe:
Aber dieser Widerspruch ist doch in jedem Menschen. Jeder Mensch, der sich Gedanken macht, hat diesen Widerspruch, dass man es gut haben will …

Fader Gladiator:
Ist ja auch vollkommen legitim, dass man in sich widersprüchlich ist.

Tatwaffe: Die erste Platte, die ich richtig gefeiert habe, war It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back von Public Enemy und die Platte, die ich genauso gefeiert habe war N.W.A. Straight Outta Compton. Damit erklärt sich das ja. Das war für mich Hip Hop: Botschaft und ich sag, was ich will und was ich denke.

Def Benski: Ich sag mal so. im Grunde genommen ist es ja das Leben, das uns inspiriert und das Leben ist halt widersprüchlich.

rap.de. aber sind das nicht sehr bürgerliche Wünsche?

Tatwaffe:
Ja gut als bürgerlich würde ich mich in diesem Sinn jetzt nicht unbedingt bezeichnen.
Ich mein, ich habe mein Studium abgebrochen. Heyheyhey ich bin rrrrreal. Ich bin Musiker und sonst nichts. Ich rappe nur, das "nur“ in Anführungsstrichen. Es kann nicht sein, dass ich bürgerlich bin.  

rap.de: Wenn Du jetzt sagst, Du bist "nur“ Rapper. Das ist ja jetzt kein Beruf, den ich einem Realschüler als besonders Zukunftsorientiert vorschlagen würde. Habt Ihr manchmal Existenzängste?

Tatwaffe: Auf jeden Fall, aber was willste machen, so ist das Leben. Ich könnte jetzt mit so Floskeln kommen, wenn alles so einfach wäre, wo wäre dann der Spaß?
Aber Existenzängste hab ich auf jeden Fall. Ich hab auch zwei Söhne und hätt ich die nicht, dann wär’s vielleicht nicht so schlimm. So kann ich zum Glück in diesem Land sagen: Na gut. Wenn’s nicht klappt, dann lass ich mich halt fallen in das Sicherheitsnetz, aber meine Kinder kriegen, wenn ich an den richtigen Ecken spare trotzdem noch ne gute Schulausbildung. Wenn ich mir zum Beispiel keine Comics mehr kaufe und die Leute, die mich kennen, die wissen, was das heißt.
 
Fader Gladiator: wahrscheinlich muss man sich drauf einstellen, dass man mit seiner Musik einfach kein Geld mehr verdient, aber man macht die Musik aus dem gleichen Grund, warum man sie gemacht hat, damals, als man auch noch kein Geld damit verdient hat und benutzt seine Hände ansonsten zum Frikadellenwenden in der Frittenbude.
Um es mit den Worten meiner Frau zu sagen: Bist du bescheuert? Du hast doch zwei gesunde Hände, was hast Du Existenzangst?

rap.de: Könntest Du Dir das vorstellen in einer Frittenbudenkette zu arbeiten?

Fader Gladiator:
Also in einer Kette zu arbeiten, kann ich mir nicht vorstellen, aber eine Kette aufzumachen und zu leiten, das kann ich mir schon vorstellen. Ich muss schon der Chef sein. Ich glaub das geht auch nicht anders, weil ich bin nicht tragbar im Team.

Tatwaffe: Das kann ich direkt unterschreiben, das würde ich auch keinem raten, ihn anzustellen.

rap.de: Ben, hast Du auch Existenzängste?

Def Benski: Ach manchmal. Kommt immer aufs Wetter an. Wenn’s bewölkt ist, dann komm ich eher ins Grübeln, wenn die Sonne scheint, dann nicht so. Ja isso.
Mann wird ja auch immer wetterabhängiger mit dem Alter. Ich merk’s auch an meinem Knie und an der Narbe.
Ich habe ja tatsächlich ne Lehre gemacht und einen Beruf gelernt, in dem ich dann jahrelang gearbeitet habe und das dann aufgrund der Musik dann abgebrochen. Ich hab Raumausstatter gelernt. Aber die Musik hat meine Hände verweichlicht. Das war richtig schön Handwerk.

rap.de: Ihr redet in Euren Texten ja auch gerne mal vom "kleinen Mann, auf der Straße“, der ganz normal arbeiten geht und am Ende des Monats nichts im Portemonnaie hat. Habt Ihr alle schon richtig gearbeitet?

Fader Gladiator: Entschuldige. Musik machen, das mache ich auch und ansonsten: Ich bin ein Workaholic. Ich brauch keine Plattenfirma, ich brauch keinen Produktmanager, ich mach das alles alleine und wenn man das alles alleine macht, dann ist es ganz schön viel Arbeit.
Ich hätte weniger Arbeit, wenn ich wo anders arbeiten würde. Aber ich habe auch schon in der Fabrik gearbeitet.

Tatwaffe:
Ich nicht. Ich habe zwei Tage Flipper geschleppt, Kirmeswagen geschliffen und Schmerzen gehabt, wie ich die noch nie in meinem ganzen Leben gehabt habe. Das ist lange her, das war kurz nach der Schule durch nen Schulfreund und das hat mich so fertig gemacht, dass ich echt Respekt habe vor Leuten, die körperlich jeden Tag acht Stunden arbeiten. Ich weiß nicht, wie die das machen? Ich weiß auch nicht, wie sich der Staat das vorstellt, wenn jetzt das Rentenalter hochgeschraubt wird.
Ich finde auch, dieser Staat wird immer unmenschlicher. Da müssen wir auch nicht drüber reden. Das weiß jeder, der sich damit beschäftigt. Aber so richtig gearbeitet, im herkömmlichen Sinn, habe ich nur vereinzelte Tage.


rap.de: Aber trotzdem ist die Solidarität mit der arbeitenden Bevölkerung da?

Tatwaffe: Na klar. Ich schließ mich ja nicht ein und habe mit dem Rest nix zu tun. Es ist ja jetzt nicht so, dass ich nur den Curse treffe und den sido und sage: "Yo, was geht? Hey, wir machen Rap.“
Ich lebe ja ein ganz normales Leben und kenne Leute drumrum, die machen alles vom Ingenieur bis hin zu Bücher verschicken.
Wär komisch, wenn ich da nicht drin stecken würde und nicht mitkriegen würde, was die machen, was die für Ängste und was die für Erfolge haben.  
Deshalb rappe ich dann auch von dem Standpunkt oder dem Blickpunkt aus, von jemandem, der die ganze Zeit arbeitet und am Ende dasteht und sagt: "Moment mal. Ich habe jeden Tag geackert, warum muss ich jetzt immer noch gucken, dass ich mit meiner Frau und meinen Kindern über die Runden komme.“

rap.de: Besonders Du Tatwaffe beschäftigst Dich viel mit Glauben und Religion. Auf welcher Ebene machst du das? Liest du auch mal so einen theologischen Ratzinger Text?

Tatwaffe: Die eigentliche Diskussion über spirituelle Themen, wie zum Beispiel auf der aktuellen Platte über den Tod, die passiert in meinem Kopf.
Ich kenn mich ja selbst und wenn dann ein Beat kommt und ich ein Thema hab, wie bei „schlaf, schlaf“, dann kommt der Gedanke: "der ewige Schlaf“. Dann merk ich, aha, ok, warum komm ich jetzt auf "der ewige Schlaf“?
Wahrscheinlich weil’s mich beschäftigt und dann frag ich mich halt selbst. Dann kommt der Begriff Todesängste. – Ja. Habe ich. Kann ich viel drüber schreiben und dann fließt alles ein, was ich an spirituellen Theorien oder an Arten des Glaubens kennen gelernt habe und das geht halt von Wiedergeburt im hinduistischen Sinne, übers christliche Paradies bis hin zur Wissenschaft, wo erklärt wird, warum man das Leuchten sieht, kurz bevor man stirbt.
Meine Oma aber ist klinisch tot gewesen und zurückgekommen und die hat zum Beispiel erzählt, dass sie zurückgekommen ist, wegen uns. Nach ihrem klinischen Tod, war ihre Mutter da und die hat ihr gesagt: "Du darfst jetzt noch nicht gehen, denk an Deine Enkelkinder und an Deine Tochter“, sprich meine Mutter.   
All das prallt dann aufeinander und ich versuch das so wiederzugeben. Ich fühle mich in der Verpflichtung, nicht schön zu malen, gleichzeitig bin ich aber ein Mensch, der glaubt.
Ich bin schon ein Mensch, der daran glaubt, dass Energie nicht verloren geht. Ich glaube, dass der Mensch als Evolutionswesen, als kosmisches Wesen, mehr zu  tun hat, als nur hier zu sein, zu arbeiten, fressen, ficken und sich fortzupflanzen. Ich glaube schon, dass es einen Plan gibt.
Du merkst, das ist ein großer Kosmos in mir selbst und all das fließt zusammen und da bin ich halt zwischen der absoluten Resignation: Ich sterbe und das war’s, ach Gott wie schlimm. Das ist die größte Angst, die ich persönlich haben kann. Ich glaube fast, es wäre mir lieber Querschnittgelähmt zu sein, als nicht mehr denken zu können – wobei die einfache Antwort auf so etwas ist: Man weiß ja dann nicht mehr, dass man nicht mehr denkt.
Gleichzeitig auf der anderen Seite trage ich diese Hoffnung in mir, durch so Sachen, wie meine Großmutter, die zurückgekommen ist.
Die hat auch andere Geschichten erzählt. Im zweiten Weltkrieg ist das Haus von meiner Grissmutter gebombt worden, in Gelsenkirchen und kurz bevor das passiert ist, hat sie ein Ticken in der Wand gehört und hat das Gefühl gehabt, sie sollte gehen. Sie ist gegangen, die Bombe ist gefallen und ihr ist nichts passiert.
Solche Sachen haben mich halt geprägt und deshalb glaube ich nicht, dass es das dann war mit den Menschen, wenn wir sterben. Ob wir in ein kosmisches Wesen übergehen, in ein Kollektiv oder was weiß ich – ich hab kein Ahnung, aber über solche Sachen mach ich mir halt Gedanken und dann müssen die auch in einen Text.
Bei so einem Lied stand ich eben vor der Entscheidung: Will ich darüber rappen?
Aber dann komme ich eben wieder zu dem Thema "Wie bin ich zu Rap gekommen?“ – Weil ich eben das Gefühl hatte, hier ist eine Bewegung, wo man über alles sprechen kann und auch in der Pflicht steht, über Ängste, Hoffnungen, politische Themen und Weltthemen zu sprechen und dann sag ich mir halt: Was soll ich sonst machen? Wo liegt der Sinn in meinem Leben, wenn nicht darin, irgendwie in Worte zu fassen, was andere sich denken oder gerne hören würden oder eben auch NICHT gerne hören würden und die damit zu konfrontieren.
Ich weiß nicht, ob ich was anderes so gut kann, wie das und es wäre eben bescheuert, wenn ich jetzt den Schwanz einziehen würde und sage: Ne. Über den Tod möchte ich eigentlich nicht reden, weil die Leute sollen eigentlich nicht wissen, dass ich Schiss habe vor dem Sterben.
So, das kannst du alles abdrucken, dann haste zwei Seiten.

rap.de: Wie geht es Euch anderen mit diesen Texten.

Fader Gladiator: Die Texte finde ich ok. In Interviews finde ich es scheiße. Ich hatte gerade Sekundenschlaf.


rap.de: Letzte Frage. Auf den alten Sachen waren ja auch sehr viele Verschwörungstheorien drauf. Das ist zurückgegangen auf dem neuen Album. Ist da Euer Interesse nicht mehr ganz so groß, weil es jetzt so viele Seiten im Internet dazu gibt?

Tatwaffe: Ich war ja damals dem Trend um ein Jahr voraus, aber ich sag’s mal so: Ich war bei einem Treffen der Freimaurer an einem offenen Tag und konnte mal so reingucken, um mir mal ein eigenes Bild zu machen. Also ich war näher dran als sonst, was dafür gesorgt hat, dass ich noch kritischer wurde.
Ich hoffe, dass man das auch bei meinen alten Texten hört, dass ich nie gesagt habe, dass jetzt die Wahrheit erzählen will und das war so und so.
Ich habe immer versucht zu sagen: Es könnte so sein. Überhaupt greife ich bei meinen Verschwörungstheorien immer nur die Punkte auf, wo sich Theorien kreuzen.
Wenn Leute, die völlig verschiedene Ansätze haben, genau zu den gleichen Schlüssen kommen, dann könnte da ja was Wahres dran sein.
Dadurch, dass es Mode geworden ist, habe ich ein bisschen gedacht, dass man auch kurz mal auf die Bremse treten und vielleicht erst wieder etwas sagen sollte, wenn man einen neuen Ansatz hat. Auf meinem Soloalbum aber, das hoffentlich bald kommt, ist aber ein Song drauf, der heißt Illuminati und der Ansatz ist diesmal ein ganz anderer, weil ich eben aus der Sicht der Illuminaten schreibe.

rap.de: Glaubst Du, dass solche Leute wie die Illuminaten und die Freimaurer wirklich Macht haben?

Tatwaffe: Ich sag’s mal so. Wenn einflussreiche Menschen zusammen kommen und sich verstehen und einig werden, dann bin ich mir auch sicher, dass sie Macht haben.

rap.de: Glaubst du, dass es eine Weltzentrale gibt, die das gesamte Schicksal der Menschheit leitet?

Tatwaffe: Das ist ja alles hypothetisch. Ich glaube, dass es möglich ist, dass so etwas existiert. Ich glaube, es wäre ignorant und dumm, dass diese Welt hinter den Kulissen NICHT gelenkt wird, dass da NICHT ein paar Leute zusammen sitzen und sagen: "Krieg in diesem Land, wäre schon ganz gut für uns.“

rap.de: Das kann ja sein, aus wirtschaftlichen Interessen, aber Marx hat zum Beispiel auch gesagt, dass es egal ist, wen Du umbringst, es wird immer einer Nachrücken, der das System vertritt, weil das System eben so ist.

Tatwaffe: Die Frage ist, wenn man spirituelle Ideale über die Welt verbreiten will und bestimmte Denkansätze, dann ist das nicht so einfach, wie diese wirtschaftlichen Leute, die zusammenkommen und sagen, lass uns da mal das Öl kurz stoppen und dort mal Krieg führen.
Das ist natürlich viel einfach, weil es da um Geld geht und mit jedem Zug, den sie machen, haben sie natürlich auch noch mehr Geld um weiterhin zu agieren. Aber es ist ja auch mittlerweile bewiesen, auch für die Leute, die es nicht wahrhaben wollen. Es gibt die Bilderberger Gruppe und das sind halt hohe Politiker, die sich treffen und in der Presse und in Funk und Fernsehen, gibt es keine Berichterstattung darüber. Da gibt es dann Leute, die vollkommen vernarrt sind und glauben, dass diese Männer die Welt beherrschen mit bösen Absichten.
Aber man muss sich auch mal fragen: Warum treffen sich diese Leute den so fernab der Öffentlichkeit?

rap.de: Glaubst du das diese Theorien bei manchen Menschen zu psychischen Störungen führen können?

Tatwaffe: Menschen, die dafür anfällig sind, sind extrem gefährdet dadurch. Wenn du dann noch Drogen zu dir nimmst, kann das Schlimmste passieren.
Deshalb versuche ich in meinen Liedern, ich hoffe das dringt durch, zu sagen, das ist eine Theorie und jede Theorie, die gut ist, ist auch an manchen Stellen belegbar. Also, es steckt wahrscheinlich auch ein Körnchen Wahrheit drin, aber es bleibt eben nur eine Theorie.
Das heißt, man muss alles hinterfragen und mehr mache ich eigentlich auch nicht und es tut mir auch leid, wenn ich sehe, wie Leute sich auch in meine Texte manchmal reinsteigern, dass sie dann durchdrehen.
Das letzte was uns vorgeworfen wurde war, dass wir der okkulten Musikindustrie angehören würden, deswegen hätten wir ja auch die Anzüge an im Video.

rap.de: Vielleicht solltet Ihr so eine Art Verbaucherhinweis auf Eure CDs packen.


Tatwaffe:
Das sollten wir auf jeden Fall machen. Aber jetzt müssen wir erst noch unsere Betten und Schluss machen. Ist ja auch schon spät.