Maeckes

Maeckes ist wohl der Inbegriff des wandelbaren Künstlers. Tobt er sich auf Orsons-Alben mit irrem Wortwitz und absurden Vergleichen vornehmlich im reinen Unterhaltungssektor aus, präsentiert er sich als Solokünstler zumeist eher nachdenklich bis abgründig. Nach dem teilweise fast unhörbaren „Null“, das sowohl für die Hörer als auch für den Künstler selbst ein Experiment darüber war, wie unausgereift ein Song sein kann, um trotzdem noch zu funktionieren, releast Maeckes am 26. März sein Album "Kids“.
Zynische Kinder in einer Welt, in der Erwachsene lediglich Abschaum sind – ein Szenario, das dann doch mehr nach Realität klingt, als man sich das wünschen würde. Wir trafen den Künstler im Rahmen der "11 Jahre Chimperator Tour“ und sprachen mit ihm über die eigene Kindheit, warum er seine geliebte Labelheimat nicht verlassen möchte und wieso er neuerdings in Interviews lieber Kinder für sich antworten lässt. Mit genau so einem haben wir dann auch noch kurz gesprochen, wie im Video zu sehen. Auch wenn Viktor leider weniger aussagefreudig war als Maeckes.


rap.de: Wer hatte die Idee mit dem Kind, kam die von Dir?

Maeckes: Ja, das war schon meine Idee. Mein Problem ist immer, dass ich ziemlich weit aushole und immer denke, dass es so viele Dinge gibt, die ich sagen will. Ich rede komplizierteste Sätze, kompliziertestes Zeug und langweile mich immer irgendwann selber damit. Durch die Kinder waren die meisten Interviewer leicht verstört und das war eigentlich immer ganz lustig. Und ich musste nicht immer so kompliziertes Dreckszeug reden.

 

rap.de: Aber wenn Du Dinge so verkomplizierst, sind das dann nicht einfach Sachen, die Du unbedingt loswerden und ausdrücken möchtest?

Maeckes: Doch bestimmt, aber ich glaube, weil "Kids“ genau das Album ist, wozu ich am meisten Dreckszeug reden könnte, würde ich es einfach am liebsten weglassen.

rap.de: Warum müsste man bei dem Album am meisten kompliziertes Zeug reden?

Maeckes: Man könnte am meisten davon reden, weil ich eben zwei Jahre daran gearbeitet habe und weil das wirklich alles durchdacht ist. Weil so viele Kleinigkeiten drin sind, die ich mit eingebaut habe, über die man einfach kompliziertes Zeug reden könnte.

rap.de: Zum Beispiel? Also ist das ein Konzeptalbum nach so einem stringenten Faden?

Maeckes: Es gibt keine durchgängige Geschichte und jetzt fange ich schon wieder an, kompliziertes Zeug zu reden. Es wird eine Welt darin erschaffen und in dieser Welt habe ich quasi diese Tracks geschrieben. Sprich, das sind ganz normale Raptracks, aber dieser äußere Rahmen ist halt ein bisschen anders als unsere Welt. Das ist zwar schon unsere Welt, aber ein bisschen überzogen und ein bisschen märchenhafter. In dieser Welt sind alle Kinder wie Erwachsene, auch schon ganz zynisch und sie kennen sich auch mit allem aus und Erwachsene sind irgendwie Müll und Abschaum, den niemand mehr braucht.

rap.de: Aber das ist ja eigentlich auch was, was in der Gesellschaft stattfindet. Alter ist nicht mehr erstrebenswert und dass man dafür immer früher erwachsener sein muss.

Maeckes: Ich habe auch nicht so viel Phantasie, dass ich mir so was ausdenken könnte. Das ist mehr so aus der Not raus, dass ich da Sachen aufgreife, die es eben in der Welt gibt.

rap.de: Glaubst Du, wenn Du an Deine eigene Kindheit zurück denkst, dass du noch so eine richtige Kindheit hattest, wo man noch Kind sein konnte, bis man irgendwann volljährig war und gearbeitet hat?

Maeckes: Ich glaube, ich war schon ganz früh erwachsen, bin dafür jetzt aber auch immer noch Kind. Immer wenn ich mit den Orsons unterwegs bin, bin ich so was von Kind. Ich glaube, man kann gar nicht mehr Kind sein, als als ein Mitglied der Orsons. Aber ansonsten dachte ich, sehr früh sehr reif gewesen zu sein.

rap.de: Also mehr so ein altkluges Kind?

Maeckes: Ja, so ein besserwisserisches Kind, das so Sachen wie Ironie von Erwachsenen kopiert, aber nicht wirklich weiß, wie es funktioniert. Sondern einfach nur so "Wenn ich das und das sage, dann lachen oder weinen die Leute.“ Aber so richtig verstanden habe ich das natürlich nicht.



rap.de: Im Chimperator Blog wirst Du auch als der zynische Teil der Orsons angepriesen. Bist Du da vielleicht ein bisschen weniger Kind als die anderen drei?

Maeckes: Ja, das kann schon sein. Weil ich auch voll der Kontrollfreak bin und solche Leute weniger loslassen können als die, die sich einfach hingeben. Ich könnte nie so die Kontrolle abgeben und deswegen bin ich innerhalb der Orsons der Erwachsenste, wenn man das so sagen möchte.

rap.de: Bist Du auch so jemand, dem man dann auf den Rücken schlägt und sagt "Komm, trink mal mehr, Du bist noch nicht lustig“?

Maeckes: Nee, normalerweise renn ich da mit einer Fahne rein und stachel alle an, wenn ich trinke. Aber es gibt’s auch Momente, dass ich einfach mal alle machen lasse und irgendwann in der Ecke sitze und lese oder so. (lacht) Das kann es schon geben und dann stachelt man mich auch an, dass ich mittrinke.

rap.de: Ich finde sowieso, dass es einen krassen Unterschied gibt zwischen der Musik, die Du als Solokünstler machst, und diesem Orsonsding, dass immer so lustig und ein bisschen wirr ist. Ist das für Dich eine Art Urlaub im Kopf?

Maeckes: Ja, voll. Das ist so ein gewisses Austoben, was man gerne machen will, auf seinen Solosachen, aber nie machen würde, weil man dann doch irgendwie andere Ansprüche an die eigene Musik hat. Dafür ist es dann umso befreiender, wenn man das mit den Orsons machen kann. Das ist so, als würde man mit seinen Kumpels rumsitzen und als könnte man jeden Scheißdreck reden, bevor man dann in’s Büro geht, wo man zwar auch noch Scheißdreck reden kann, aber man muss halt gucken mit wem. Bei ein paar Sachen muss man halt ernst sein, ich glaube, so ähnlich ist das da auch.

rap.de: Ist es einfacher, lustige, unterhaltsame Musik zu machen?

Maeckes: Nee, mir fällt das sehr viel schwerer. Ich finde der Motor, der einfachste Motor für Musik, ist alles negative, alles, bei dem man sich aus der Welt zurückziehen möchte. Ob das jetzt Trauer, Wut, Hass ist, da kann man immer super Musik machen und alles was positiv ist, klingt sofort ganz platt und behindert. Auch bei jedem Liebessong ist man sofort bei so Phrasen und das wird sehr schnell sehr beschissen.

rap.de: Es gibt so ein Buch namens "Vincent“, was auf der These fußt, dass wirkliche Kunst nur durch Leid entstehen kann. Glaubst Du das auch?

Maeckes: Also ich weiß nicht, ob das ausnahmslos so ist, aber ich weiß, dass das immer ein bisschen mit drin steckt. Genauso wie Freude nur durch Leid funktionieren kann, also das geht ja nur nach dem Achterbahnprinzip.
Charlie Chaplin zum Beispiel, den man als lustigsten Menschen überhaupt sieht, war ja im richtigen Leben der traurigste Mensch. Der war ganz enttäuscht und hat mit der Welt eigentlich nichts mehr anfangen können, war aber auf der Leinwand der lustigste, sagt man sich so im Nachhinein. Ich glaube, dass auch wenn man lustige Kunst macht, da irgendwo so was Dunkles drin steckt. Bei mir ist das auf jeden Fall so.

rap.de: Weil man dem entfliehen möchte?

Maeckes: Ja, entweder so, oder weil man sich dem stellen möchte.

rap.de: Wer sind denn deine großen Vorbilder gewesen, was nachdenkliche Musik angeht? Es gibt natürlich viele Liebeslieder und viele Lieder über Leid, aber es gibt ja nicht viele gute.

Maeckes: Ich weiß nicht, so richtig habe ich so was gar nicht. Also natürlich höre ich Musik und finde auch Sachen gut, aber so wirkliche Vorbilder habe ich nicht. Ich finde von allem ein bisschen was gut. Wer zum Beispiel den besten Wortwitz hat, bei denen sich viele Rapper mal eine Scheibe abschneiden könnten, waren diese ganzen Chanson-Sänger aus Deutschland, die schon vor 40, 50 Jahren so eine Mischung aus Kabarett und Gesang gemacht haben. Die hatten wirklich die lustigsten Lines, wenn man sich das mal so anhört.
Falco find ich auch super, der hat wirklich gute Popsongs gemacht und hat auch echt gute Texte geschrieben. Das war so was zwischen Popliteratur, zwischen den Anfängen von Rap, also wo überall was dazwischen war. Da gab es schon viel Gutes. Von allem halt so ein bisschen. Ich würde nicht sagen, einer von denen war komplett mein Vorbild.

rap.de: Auf dem Tourmixtape von Plan B und Dir, das mit den vielen Sonderzeichen, war auch ein Lied namens "Die Möglichkeit einer Insel“. Das ist ja ein Buch von Houellebecq und in dem Song gab es viele Zitate daraus.

Maeckes: Das war ein Song von mir. Ja, "Die Möglichkeit einer Insel“ ist ein super Buch, sollte man auf jeden Fall mal lesen.
In letzter Zeit lese ich kaum noch, weil ich mir die Zeit nicht mehr nehme, aber sonst ist Lesen super. Und ich finde auch, dass es gar nicht mehr so darum geht, dass man unterscheidet zwischen mehr literarisch und mehr poetisch oder nicht. Ich finde, dass Rapper einfach wirklich diesen Poetenstatus einnehmen und das nicht nur, wenn man das so literarisch macht wie Maeckes das machen möchte, sondern auch wenn man das so stumpfsinnig, dumm, aber irgendwie trotzdem gescheit, als Gangsterrapper macht.
Ich finde, da sind mehr Poeten dabei als man denkt, dabei wird das immer so abgetan von den anderen als keine Kunstform. Ich denke, dass Rap noch zu Poesie wird, in 200 Jahren wird man so zurückschauen und denken “Das war auch eine Art der Poesie", wenn das alles zerfallen ist und es eh keinen Rap mehr gibt.

rap.de: Rap hat ja die Möglichkeit, dass man wahnsinnig viel sagt und das auch schön ausdrücken kann, dadurch dass man so viel sagt. Aber trotzdem wird das ja oft nicht genutzt, oder zumindest von der Öffentlichkeit so gesehen, dass da immer nur Phrasen gedroschen werden. Hast Du das Gefühl, dass Du unterschätzt wirst als Rapper, was das angeht?

Maeckes: Weiß ich nicht. Ich denke alle, die sich das wirklich anhören und sich Zeit dafür nehmen, die können das ganz klar entscheiden, ob die das gut finden oder nicht gut finden und dann wird das entweder in Hass oder in Liebe enden. So passiert das zumindest meistens bei meinen Sachen. Damit kann ich dann auch leben, aber wenn das jetzt so eine Unterschätzung ist, weil man denkt "Der hat so eine Hose an“ oder was weiß ich was, dann ist mir das scheißegal.

rap.de: Wenn man verschiedene Tracktitel von Deinem neuen Album liest, so etwas wie "Betrunkene Kinder“, dann klingt das alles ein bisschen traurig. Verfolgst Du diesen Jugendverfall, wie er in den Medien immer dargestellt wird?

Maeckes: Ich glaube nicht, dass da mehr zerfällt als… Also, wenn man unsere Eltern fragt, waren die mit 13 auch mal komplett betrunken, sind auch mit 17 Auto gefahren und haben auch irgendeinen komischen Scheiß gemacht. Damals war diese Toleranzgrenze noch einfach viel höher, da hat dich die Polizei trotzdem noch heim fahren lassen, nachdem du betrunken angehalten wurdest, das war damals halt so. Jetzt muss alles viel sauberer, viel besser funktionieren und so ein Verfall fällt viel mehr auf.
Deswegen würde ich das jetzt nicht viel schlimmer einschätzen als vor 20 Jahren.

rap.de: Hast Du diese "Deutschlands Vergessene Kinder“-Aktion verfolgt von der Arche hier in Berlin?

Maeckes: Das habe ich so ein bisschen mitbekommen und ich habe die CD auch mal auf der Heimfahrt gehört mit KAAS zusammen. Mit diesen merkwürdigen Skits dazwischen.

rap.de: Unter anderem wird von den Verantwortlichen die Übersexualisierung von Werbung dafür verantwortlich gemacht, dass Kinder dazu gezwungen werden, immer früher erwachsen zu sein. Und dass dadurch ein Werteverfall stattfindet. Kriegst Du das mit?

Maeckes: So wie es mich auf meiner Insel ab und zu erreicht, ja. Ich glaube schon, dass sich das Ganze ein bisschen zuspitzt. Es gibt natürlich viel mehr Einflüsse und Faktoren, viel mehr Unsicherheit, gerade auch durch dieses ganze Sexzeug. Es gibt einfach die Möglichkeit, sich alles jederzeit anzugucken und das ist natürlich schwierig für Kinder, die nicht unbedingt erzogen werden oder mal ein "Nein“ hören.
Wenn du dir mit zehn schon irgendwelche Gangbangpornos anguckst und die kannst du dir angucken, wenn keine Eltern da sind, die das irgendwie unterbinden, dann kann das schon ein Weltbild ziemlich durcheinander wirbeln und ein Kind verstören, glaube ich. Und ich glaube, dass es dementsprechend immer schlimmer wird. Aber irgendwo hält es sich dann doch die Waage und ist nicht so unfassbar schlimmer als vor 20 Jahren.

rap.de: Jetzt wirkt natürlich auch Rap auf Jugendliche eine starke Anziehungskraft aus und wird von der Öffentlichkeit ebenfalls für sexuelle Verwahrlosung verantwortlich gemacht.

Maeckes: Aber wenn man lange genug dran bleibt, gibt es da doch auch ein Happy End. sido hat den Arschficksong gemacht und alle haben gesagt "Was ist denn jetzt los? Der verdirbt die Kinder!“. Kürzlich habe ich irgendwann mal Ausschnitte von einem aktuellen Interview gesehen, wo er sagt "Ok, ich war damals so drauf, hab das damals so gemacht, aber jetzt bin ich ein komplett anderer Mensch“.
Ich finde zum Beispiel, wenn man den sido verfolgt von damals bis jetzt, gibt es ja eine Art Happy End. Man wird geläutert und man kriegt was gutes mit – auch von dem Typ, der den Arschficksong gemacht hat

rap.de: Was für Musik hast Du in deiner Jugend gehört?

Maeckes: Rap erst nicht. Weil ich Skateboard gefahren bin, habe ich mir so komische Skatepunksachen angehört und so. Punk und Grunge hat mich auch voll angesprochen, dieses "Ich geb nen scheiß auf alles“. So klingt auch die Musik. Das hat mich auch so aufgefangen, aber dann war’s sofort Rap. 2Pac hab ich sehr viel gehört. Und dann alles mögliche, alles durch die Bank.

 

rap.de: Was war Dein erstes Deutschrap Erlebnis?

Maeckes: Es gab so ein Album von Cartel, so eine türkische Rapgruppe, da war ein deutscher Song drauf und ein türkischer Kumpel von mir hat diese Platte gehabt. Er konnte so ein paar Fetzen von diesem deutschen Song auswendig und hat das immer gerappt und ich habe mich immer gefragt, was der da macht und bin dann voll drauf abgegangen.
Der Rest waren türkische Songs, ich hab nichts verstanden, aber da haben wir beide angefangen zu rappen. Wir waren beide 13 oder so und er hat auf türkisch, ich auf englisch gerappt und wir haben uns gegenseitig nicht verstanden. Wir dachten halt, dass das cool ist. Dann habe ich das Freestylen entdeckt und es ging auf Deutsch los.

rap.de: Jetzt sind wir auf der "11 Jahre Chimperator“-Tour, aber du bist ja noch nicht seit elf Jahren bei Chimperator. Wann und wie bist du da dazu gekommen?

Maeckes: Das war Ende 2004. Da haben wir "Dayz Of The Championz“ veröffentlicht, das erste Album von Plan B und mir. Kurz davor kannte ich die ganzen Jungs von Chimperator schon, da war Chimperator noch ganz klein und die haben gerade diesen Vertriebsdeal neu gehabt. Dann haben die halt Plan B und mich gefragt, ob wir nicht auch da releasen wollen und da haben wir gesagt "Natürlich!“. Es ging wirklich sehr freundschaftlich zu, da war noch nicht viel mit Firmenstruktur. Wir waren einfach Kumpels.

rap.de: Das ist ja meistens so, dass das alles locker und freundlich angefangen hat, dann fließen aber immer mehr diese Industriestrukturen mit ein und man merkt, dass das alles doch nicht so freundschaftlich und schön und mit dem Interesse an der Musik ist.

Maeckes: Ich glaube, deswegen haben jetzt auch viele Labels dicht gemacht.

rap.de: Hast Du da auch schon irgendwelche Desillusionierungsmomente gehabt?

Maeckes: Ja, schon. Wenn so was das erste Mal auftaucht, ist man schon ein bisschen durcheinander. Da dachte ich mir dann so, was soll das? Ich konnte immer mal sagen, "Du Fotzkopf“, auf einer spaßigen Ebene und dann geht’s plötzlich doch um Geld und so Sachen, wo man auf einmal einen Vertrag machen muss und so. Da ist man schon kurz durcheinander. Aber das ging ganz schnell, dass man da trotzdem einen Weg gefunden hat. Auf der einen Seite ein bisschen Professionalität, dass einer kommt und sagt "Ok, die Sachen müssen wir jetzt abhandeln“ und auf der anderen Seite ist dann auch wieder Affenzirkus bei unseren Labelmeetings. Wir sehen uns nur sehr selten alle zusammen, weil Basti in Berlin ist, Tua ist auch gerade in Berlin, wir sind immer verstreut. Wenn wir dann so ein komplettes Labelmeeting haben, ist die erste Stunde einfach nur Bullshit reden. Man sollte eigentlich ganz viele Sachen machen aber wir lachen nur und lachen.

rap.de: Weil man sich so lange nicht gesehen hat.

Maeckes: Voll, wir machen nur Scheiße! Dann versuchen wir, was zu machen, sind so kurz konzentriert und dann geht’s auch wieder los. Und wenn wir’s dann wirklich raffen, dann ziehen wir das alles komplett durch und danach ist komplettes Ausarten angesagt.

rap.de: Ist das für Dich gerade eine ideale Labelsituation? Ich meine, bei einem Major Label würde es ja komplett anders laufen.

Maeckes: Ich glaube, das ist echt voll gut, weil es so best of both worlds ist. Auf der einen Seite hast du halt echt noch Kumpels drin und die Leute hören dir zu, wenn ich rede und wenn ich irgendwelche komischen Ideen habe. Wenn ich zum Beispiel sage "Ey, ich will über ein Kind Interviews geben!“, dann sagen die nicht "Nee, das ist nicht gut, da kommt zu wenig Information über das Album raus.“. Sondern die sagen "Ok, wenn wir dich nicht davon abbringen können, dann mach das. Alles cool, wenn du denkst, dass das ins Konzept passt.“. Und das ist es, glaube ich, wofür ich sehr dankbar bin. Da bin ich dann auch gerne bereit, keine 50.000 Euro für ein Video zu haben oder sonst irgendwas, so lange ich einfach noch so Sachen machen kann, so lange wir machen können, was wir wollen.

rap.de: Jetzt gab es bei dieser Kinderaktion in manchen Blogs so Kommentare von wegen "Maeckes will immer zwanghaft was anderes machen und zwanghaft besonders sein“. Verstehst du diesen Vorwurf?      

Maeckes: Ja, das ist aber auch oft so, dass in Vorwürfen, die sich so häufen, oft ein bisschen Wahrheit drin steckt, sonst würden die nicht kommen. Und ich glaube, für mich war es auch immer wichtig, meinen eigenen Weg zu finden. Ich will gucken, was es noch für Ideen gibt und alles ausloten, bevor ich den drecks Scheißweg gehe, den alle schon gegangen sind. Das ist es einfach, was ich schon seit 20 Jahren praktiziere in meinem Leben. Das kann man mir natürlich zu einem Vorwurf machen aber… Was ist das für ein Vorwurf?
Also ich persönlich erwarte doch, dass Künstler andere Wege gehen, dass die Leute mal andere Sachen machen, mal andere Beats versuchen oder so. Selbst wenn da irgendwas ist, was zu weit geht.
Ich zum Beispiel bin jetzt nicht der größte Deichkind Fan, sag aber, dass das cool ist, dass die das so machen. Ich muss es mir ja nicht anhören, aber es ist cool, dass die das machen. Die haben Erfolg und ich verurteile sie nicht, weil sie was anderes machen. So was macht man im Rap aber auch recht gerne. Deswegen finde ich solche Vorwürfe zwar berechtigt, aber auch voll für’n Arsch (lacht).

 

rap.de: Hast Du manchmal Angst, zu abgedrehte Musik zu machen, so dass sie andere Leute vielleicht nicht verstehen? Oder dass sie abgeschreckt sind und deshalb da gleich aus machen?

Maeckes: Nicht wirklich. Also, ich krieg die Kommentare ja schon ein bisschen mit. Die anderen sind ja auch alle Künstler und wir sind ja auch ehrlich zueinander. Den anderen zeige ich ja dann auch Songs, die noch nicht das Licht der Welt erblickt haben, wo die dann echt komplett verstört sind. Ich habe zum Beispiel ein Lied gemacht, das heißt "Sterben Ist Strong“, das war eigentlich für den Sampler und das ist einfach komplett verstörend.

rap.de: Was passiert da genau?

Maeckes: Da habe ich aus einem Buch von Frederic Beigbeder, der auch "39,90“ geschrieben hat. In einem anderen Buch, "Windows On The World“ sagt der Charakter über Jean-Claude Van Damme, wie der auf ganz vielen komischen Ebenen die Sprache kaputt macht. Er bringt da das Beispiel "Sterben ist strong. Niemand ist right or wrong.” Und da dachte ich mir, dass ich die Sprache auch so kaputt machen will und einen Song mache, in dem ich nur das tue. Also habe ich einen Song übers Sterben gemacht, wo einem die Zähne ausfallen und die komischsten Sachen passieren.
Das war echt ein gutes Lied, aber ich krieg schon mit, dass das nicht so Nr.- 1-in-den-Charts-jeder-kann-was-damit-anfangen ist, sondern dass das dann auch oft so Nischenmusik ist. Ich glaube aber, dass man sich das "Kids“ Album auf einer sehr einfachen Ebene anhören kann, einfach auf Grund der Melodien. Es ist echt sehr gut produziert, es sind viele verschiedene Produzenten dabei, STI von Bozz Music mischt das gerade noch ab, das klingt auch echt gut. Man kann andererseits aber auch komplett eintauchen und in jeder Zeile hängen bleiben. Da habe ich auch wirklich dran gearbeitet, weil bei anderen Sachen von mir, wie bei "Null“ zum Beispiel, war man einfach nur verstört von der Form, beziehungsweise, dass das ein Album sein soll.

rap.de: Ich finde es hat auf jeden Fall ein bisschen schludrig gewirkt.

Maeckes: Genau, das ist einfach eine Skizze und das soll es auch sein. Ich wollte das nie fertig produzieren und fertig abmischen. Das ist eine Skizze, wie Songs für mich funktionieren können und genau so bringe ich’s raus. Das war die Idee.
So ist das halt mit dem Skizzenzeichnen. In manchen Ecken hab ich schon ein bisschen Schatten hingezeichnet und mir schon ein bisschen mehr Mühe gegeben, aber manchmal habe ich auch nur einen Strich gemacht, um das komplette Bild zu zeichnen.
Bei "Kids“ war es auf jeden Fall genau der andere Ansatz, da ist wirklich alles mit Schattierungen gezeichnet und ich habe mir bei allem Mühe gegeben.

rap.de: Gab es mal irgendeine Idee, die ein anderer Künstler hatte, die du so gut fandest, dass du selbst gerne drauf gekommen wärst?

Maeckes: Im Ernst, ich weiß es nicht. Ich fand nur eine Idee von einem Künstler, ich weiß noch nicht mal wie der heißt, hab auch versucht den zu googlen aber hab’s nie gefunden… Aber so ein Künstler hat quasi eine ganze Videothek gemacht, mit Hüllen von Filmen, die er erfunden hat, mit Photoshop ein Cover dafür gemacht und Klappentexte dafür geschrieben. Du konntest in der Videothek rumlaufen, es gab alle Filme. Adolf Hitler und Mutter Theresa spielen in einem Liebesfilm, alles ist einfach erfunden. Du kannst dir den Film rausziehen so, ach ja, interessiert mich, Adolf Hitler und Mutter Theresa spielen in einem Liebesfilm, hast da den Klappentext, um was es geht und der Film spielt sich in der Videothek schon vor deinem Kopf ab, aber es gibt keinen einzigen von diesen Filmen, es gibt nur die Hüllen. Und so konnte der quasi all die Filme im Kopf erzeugen und es gibt keine Grenzen. Da kämpft zum Beispiel Godzilla gegen ein Baby, da geht einfach alles.
Vielleicht habe ich das auch nur geträumt, dann werde ICH das machen, dann ist es meine Idee. Ich werde das noch mal googlen und wenn’s ihn wirklich nicht gab, dann mach ich das, dann wird das MEIN unfassbares Kunstwerk und ich hab’s wirklich nur geträumt. Aber wenn irgendjemand weiß, wer das gemacht hat, mir bitte sofort schreiben! Da bin ich ausgeflippt, als ich die Idee gehört hab und konnte drei Wochen nicht schlafen und bin verrückt geworden.

rap.de: Vielleicht trifft man Dich ja dann auch irgendwann in Deinem eigenen Atelier.

Maeckes: Ja, ich werde die Musik und alles hinter mir auslöschen, alle Blätter verbrennen, alle Festplatten löschen, alles wegmachen und dann mache ich einen ganz normalen Beruf.